"Auch in der Stadt Ashma folgten die Begleiter Ravanas ihrer Kampfeslust. Dort entdeckte der zehnköpfige Dämon jedoch ein äußerst malerisches Haus. Es war mit einem Geflecht von Perlen verziert, die Torbögen hatten Kronen aus Vaidurjas, es gab goldene Säulen und überreiche Fußböden. Die Treppen dieses malerischen Hauses glichen dem Heim von Mahendra und waren mit kristallenen Schnüren bedeckt. Während er dieses hinreißende Haus betrachtete, überlegte der höchst kraftvolle Ravana: "Wem gehört dieses schöne Haus, welches dem Gipfel des Meru ähnelt? Geh, Prahasta, und finde heraus, wessen Haus das ist!" Auf diesen Befehl hin betrat Prahasta das Haus und fand niemanden im ersten Zimmer. So durchschritt er sieben Zimmer und erblickte im letzten eine Flamme. In der Flamme war ein Mann, der, wenn er zu sehen war, laut lachte. Als Prahasta das gräßliche Gelächter hörte, standen ihm die Haare zu Berge. Es schien noch ein Mann in der Flamme zu sein. Der schien unbewußt, trug Girlanden aus goldenen Lotusblüten, und es war unmöglich, ihn anzublicken. Denn er war wie die Sonne und glich Yamas Selbst. Als der Wanderer der Nacht dies erblickte, rannte er schnell aus dem Haus und erzählte alles Ravana.
Der zehnköpfige Dämon stieg von Pushpak ab und betrat so dunkel wie Collyrium das Haus. Sofort versperrte ein Riese die Tür. Er war so schrecklich wie Shiva. Seine Zunge war ganz Flamme, die Augen rot, die Reihe seiner Zähne wunderschön, die Lippen waren wie Bimba (hellroter Kürbis), die Figur gutaussehend, die Nase furchtbar, der Nacken wie eine Muschel mit drei Linien gezeichnet, die Kiefer waren weit, der Bart dicht, die Glieder fleischig, die Zähne riesig, und seine Erscheinung war gänzlich furchteinflößend. Er hielt eine eiserne Keule, als er am Tor stand. Als Ravana ihn betrachtete, standen ihm die Haare zu Berge, und Herz und Körper zitterten. Er erkannte diese schlechten Omen, oh Rama, und begann nachzudenken. Und wie Ravana sinnend stand, sprach der Mann: "Was denkst du, oh Rakshasa? Vertraue es mir an. Ich werde dir das Gastgeschenk des Kampfes gewähren, oh Held und Wanderer der Nacht." Und weiter sprach er zu Ravana: "Möchtest du in Widerstreit mit Bali treten, oder was ist deine Absicht?" Ravana war so überwältigt, daß seine Haare zu Berge standen. Doch zur Ruhe Zuflucht nehmend sprach er: "Oh du Erster von denen, die in der Rede geübt sind, wer residiert in diesem Haus? Ich werde mit ihm kämpfen. Sprich aus, was du wünschest."
Die Antwort war: "Der Herr der Danavas(1) lebt hier. Er ist höchst freigebig und heldenhaft, und die Wahrheit ist seine Macht. Ihm sind viele Tugenden gegeben, er ist strahlend wie Yama mit der Keule in der Hand oder wie die eben aufgegangene Sonne. Er ist unbesiegbar in der Schlacht, ungestüm, siegreich, mächtig, ein wahrer Ozean an Fähigkeiten, von lieblicher Rede, ein Versorger seiner Anhänger, Lehrern und Brahmanen zärtlich zugetan, immer auf günstige Stunden wartend, mit großer Kraft gesegnet, eine angenehme Erscheinung, geschickt, wahrhaft, mit allen Fertigkeiten versehen, heldenhaft und in das Studium der Veden vertieft. Manchmal geht er zu Fuß oder bewegt sich wie der Wind. Er strahlt wie Feuer und verbreitet Hitze wie die Sonne. Er reist mit den Göttern, Geistern, Schlangen und Vögeln. Er kennt keine Furcht. Möchtest du mit ihm kämpfen? Wenn du es wünschst, mit Bali zu kämpfen, oh Herr der Rakshasas, der du mit großer Energie gesegnet bist, dann trete schnell ein und beginne den Kampf."
Nach diesen Worten betrat der zehnköpfige Dämon das Haus, in dem Bali war. Als er den Herrn von Lanka erblickte, lachte dieser Erste der Danavas, der wie Feuer strahlte und wie die Sonne kaum anzuschauen war. Er nahm den Rakshasa bei der Hand, zog ihn auf seinen Schoß und sprach: "Oh zehnköpfiger Herr der Rakshasas mit den langen Armen, welches deiner Begehren soll ich stillen? Erzähle mir, weswegen du hierher kamst." So von Bali angesprochen antwortete Ravana: "Ich habe gehört, oh berühmter Herr, daß du einst von Vishnu gefesselt wurdest. Ich kann dich sicher von diesen Banden befreien." Wieder lachte Bali laut und sprach: "Höre, ich werde dir erzählen, wonach du fragtest, oh Ravana. Der rothäutige Mann, der immer am Eingang steht, von ihm wurden früher alle führenden Danavas und andere mächtige Herren unterworfen. Auch ich wurde von ihm gefesselt. Er ist unbesiegbar wie der Tod. Wer auf Erden kann ihn bezwingen? Er, der an der Tür steht, ist der Zerstörer aller Wesen, der Schöpfer und Erhalter und Herr der drei Welten. Du erkennst ihn nicht, noch tue ich es. Er ist identisch mit der Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart. Er ist der Herr. Er ist Kali. Er ist die Zeit, der Zerstörer aller Wesen. Er ist Zerstörer und Schöpfer der drei Welten und aller Wesen, ob beweglich oder unbeweglich. Dieser Herr aller Götter erschafft immer wieder das Universum ohne Anfang und Ende. Oh Wanderer der Nacht, er regiert und erhält alle Opfer, Gaben und Darreichungen ins Feuer. Wahrlich ist er der Schöpfer und Bewahrer des Universums. Niemand ist so wunderbar in den drei Welten. Oh Sohn des Pulastya, er führt die Danavas seit alters her, mich, dich und so viele, wie mit Seilen gebundene Wesen. Vritra, Danu, Suka, Sambhu, Nishumbha, Sumbha, Kalanemi, Prahlada und andere, Kuta, Virochana, Mridru, Jamala, Arjuna, Kansa, Kaitabha und Madhu strahlten einst eine Hitze wie die Sonne aus. Sie waren leuchtend wie ihre Strahlen, bewegten sich durch die Lüfte und gossen Ströme wie Indra aus. Sie alle führten viele Opfer durch und widmeten sich schwerer Buße. Sie alle waren hochbeseelt und betrachteten die Ausübung von Yoga als große Tugend. Sie hatten Zugang zu großem Reichtum und erfreuten sich vieler Lustbarkeiten. Sie verschenkten viele Gaben, feierten Opfer, studierten das Recht und regierten ihre Untertanen. Sie alle beschützten ihre Angehörigen und schlugen die Feinde. Und niemand glich ihnen in den drei Welten in der Schlacht. Sie alle waren heroisch, von hoher Herkunft, in den heiligen Schriften gelehrt, tüchtig in allen Zweigen des Studiums und unbezähmbar im Krieg. Die Hochbeseelten besiegten tausende Götter in der Schlacht und eroberten alle Regionen. Sie waren immerzu in Anspruch genommen von den Dingen, welche die Himmlischen ablehnten, und sie versorgten ihre eigenen Gefolgsleute. Sie waren alle voller Stolz, Hochmut und so strahlend wie die aufgehende Sonne. Der glorreiche Hari, Gott Vishnu allein, weiß, wie jene zu zerstören sind, die immer wieder die Götter angreifen. Er erschafft all jene, und Er, sie alle wieder vernichtend, existiert in sich selbst zur Zeit der Auflösung. Diese hochbeseelten Danava Anführer, die ihre Gestalt nach Belieben verändern können, wurden vom glorreichen Gott vernichtet. Und auch alle diese Helden, von denen man hörte, sie seien unbezähmbar und unbesiegbar in der Schlacht, wurden von der wunderbaren Macht Kritantas ("der Beender", Yama) aus der Fassung gebracht."
Und weiter sprach der Herr der Danavas zum Herrn der Rakshasas: "Oh Held, der du mit großer Kraft beschenkt wurdest, nimm den flammenden Diskus an dich, den du dort erblickst, und komm wieder an meine Seite. Dann werde ich dir die Mittel der ewigen Befreiung erzählen. Tu, was ich dir sage, oh du mit den langen Armen. Zögere nicht, Ravana." Nachdem er dies gehört hatte, ging der mächtige Raksha lachend zum himmlischen Kundala. Stolz auf seine Kraft griff er zu, doch er konnte den Diskus nicht bewegen. Beschämt versuchte der höchst Mächtige es noch einmal. Doch sobald er angehoben war, fiel der Rakshasa zu Boden und lag in einer Lache von Blut wie ein entwurzelter Sal Baum. In diesem Augenblick erhob sich ein Klang von Pushpaka, und Ravanas Berater schrien laut auf. Mit wiedergewonnen Sinnen erhob sich Ravana und beugte sein Haupt in Schande. Bali sprach zu ihm: "Komm her, du Erster der Rakshasas, und hör auf meine Worte. Oh Held, der mit Juwelen geschmückte Kundala, welchen du anzuheben versuchtest, war ein Schmuckstück für das Ohr eines meiner Ahnen. Dieser fiel hier zu Boden. Der andere wurde auf den Gipfel des Berges geschleudert. Außer den Kundalas wurde in der Schlacht auch seine Krone vor den Altar geworfen. Früher hegte niemand Feindschaft gegen meinen Ahnen Hiranyakashipu, weder Zeit, Tod noch Krankheit. Er erfuhr den Tod weder am Tag noch in der Nacht, nicht am Morgen und nicht am Abend. Oh Erster der Rakshasas, er erfuhr auch keinen Tod durch irgendeine Waffe, egal welche. Doch er erschuf eine tödliche Feindschaft mit Prahlada(2). Im Konflikt mit dem hochbeseelten und heldenhaften Prahlada erschien die furchtbare Gestalt eines Löwenmenschen. Es war ein Terror für alle Wesen, oh Rakshasa. Diese gräßliche Gestalt warf ihre Blicke umher, und die Welten waren überwältigt. Der Löwenmensch nahm meinen Ahnen in seine Arme und tötete ihn mit seinen Klauen.
Die Person, die an der Tür steht, ist dieser Höchste, ist Vishnu ohne jegliche Leidenschaft. Ich werde dir nun von diesem höchsten Gott erzählen. Hör mir zu, wenn dein Herz mit spirituellen Gedanken erfüllt ist. Im Verlaufe tausender von Jahren hat diese Person an der Tür tausende Indras, Myriaden von Göttern und hunderte große Rishis unterworfen." Als er diese Worte hörte, sagte Ravana: "Ich habe Kritanta (Yama) gesehen, den Herrn der Geister mit dem Tode selbst; seine Haare standen aufgerichtet. Schlangen und Skorpione sind seine Haare. Seine Zunge ist so heftig wie der Blitz, die Zähne sind furchtbar, die Augen rot, und ihm ist große Schnelligkeit gegeben. Vor ihm haben alle Wesen Angst. Man kann ihn nicht anschauen wie die Sonne. Er ist unbesiegbar und züchtigt die Sünder. Und er wurde von mir in der Schlacht besiegt. Ich fühlte nicht im Mindesten Angst oder Schmerz, oh Herr der Danavas. Doch diese Person kenne ich nicht, bitte gib mir eine Erklärung." Und Bali sprach: "Er ist der Gott Vishnu, Hari, Narayana, der Beschützer der drei Welten. Er ist Ananta (=endlos, ewig), Kapila (ein verehrter Heiliger), Jishnu (=Sieger) und der höchst strahlende Löwenmensch. Er ist Kratudhama (=Beschützer der Opfer) und Sudhama und trägt die tödliche Keule in der Hand. Er ist wie die zwölf Adityas, Purana und der Höchste Purusha. Er ist wie die rote Wolke, der Herr der Götter und der Beste der Götter. Oh du mit den langen Armen, er ist von Flammen umgeben, ein großer Yogi, und er liebt seine Anhänger. Dieser Herr bewahrt das Universum, und er erschuf es. Mit großer Stärke gesegnet brachte er die Zerstörung in Form von Zeit. Dieser Hari, mit dem Diskus in seiner Hand, ist das Opfer selbst und derjenige, der im Opfer verehrt wird. Er ist eins mit allen Göttern, allen Wesen, allen Welten und allem Wissen. Er ist alle Formen und die große Form, ist Baladeva mit den langen Armen. Er tötet Helden, hat heroische Augen, ist unvergänglich und der Lehrer der drei Welten. Alle Weisen, die sich nach letztendlicher Befreiung sehnen, meditieren über ihn. Derjenige, der den Purusha erkennen kann, ist nicht mit Sünde befleckt. Indem man an ihn denkt, von ihm hört und ihn verehrt, kann man alles erreichen."
Als er die Worte Balis vernommen hatte, rannte der kraftvolle Ravana mit zornesroten Augen und erhobener Waffe hinaus. Lord Hari sah den Erregten mit der Keule in der Hand und dachte: "Ich werde diesen Sünder nicht töten zur Zufriedenheit Brahmas." und verschwand, seine eigene Gestalt annehmend. Der Wanderer der Nacht konnte den Purusha nicht erblicken, verließ alsbald freudig schreiend die Stadt Varunas und fuhr davon."
(1) ein Titanengeschlecht, Feinde der Götter
(2) seinem Sohn, einem Anhänger Vishnus