Als jeder Ritus rechtens abgehalten war, nahmen die prinzlichen Brüder ihre Suche nach der Dame wieder auf und wandten ihre Schritte gen Westen. Durch einsame Wälder folgten die Kinder Ikshvakus ihrem Weg. Mit Bogen und Pfeilen bewaffnet suchten sie das südliche Land. In den garstigen Wäldern, durch die sie eilten, wuchsen dicke Bäume, Sträucher und Buschwerk. Wegen des Wirrwarrs an Dornen und verfilztem Gras war der Weg dunkel, furchtbar und schwer zu passieren. Doch mit mutiger Kraft blieben sie immer weiter auf ihrem Weg nach Süden und durchquerten das Labyrinth der weiten und schrecklichen Wälder. Noch waren Mühe und Härte nicht vorüber, nachdem sie neun Meilen von Janasthan entfernt endlich in den Wald Krauncha (Wald des Brachvogels) kamen. Es war ein fürchterlicher Wald, wild und schwarz, wie ein riesiger Haufen von nebligen Gestalten, angefüllt mit allen Vögeln und Tieren, und es wuchsen alle Arten von farbigen Blumen. Jeden Gedanken auf Sita lenkend durchsuchten sie den mächtigen Wald, und bestürzt ob des Verlustes der Dame hielten sie hier und da eine Weile an. Richtung Osten liefen sie weiter und folgten weitere neun Meilen ihrem ermüdenden Weg. Sie durchquerten den Krauncha Wald und kamen an einen Hain, den die Elefanten gerne durchstreiften. Die Prinzen durchkämmten auch diesen furchtbaren Wald, wo Rehe und wilde Vögel jedes Tal füllten und wo der Fuß kaum einen Halt fand, wegen all der verschlungenen Büsche, Bäume und Bäche.
Dort erspähten die Brüder in der waldigen Bergseite eine Höhle, wo allseits Dunkelheit herrschte und mit gefährlichen Abhängen, so tief wie die Hölle. Die Herren der Menschen drängten sich heran, und als sie in der Nähe des Höhleneinganges standen, erblickten sie im Dunkel der Nische eine riesige, mißgestalte Dämonin. Sie war ein Wesen, welches ein ängstliches Herz zum Erzittern bringen konnte, mit ihrer grausigen Gestalt und der brutalen Miene. Die Stimme der furchtbaren Gigantin war schrecklich und die langen Zähne zum Reißen und Beißen wohlgeeignet. Das Monster verschlang gierig ihre scheußliche Nahrung aus dem Fleisch von vielen wilden Tieren, während ihre langen Locken hin und herschwangen und wüst über ihren Schultern hingen. Die königlichen Brüder hoben ihre Blicke und starrten das schreckliche Monster an. Da kam sie aus ihrer Höhle und schaute nun gleichfalls Lakshmana an, der ihr zuerst entgegenkam. Ihre gierigen Arme breiteten sich weit aus, ihn zu halten. Sie rief: "Komm und sei mein Geliebter!" und drückte ihn an ihre Brust. Zum Prinzen sprach sie in Worten wie diesen: "Schau auf deinen zärtlichen und schönen Schatz: Ich tragen den Namen Ayomukhi (Eisengesicht). Im Dickicht der hohen Berge und auf Inseln in Bächen und Flüssen sollst du mit mir entzückt wandern und für viele, lange Tage leben." Aufgebracht hörte er das Monster werben. Schnell zückte er das treue Schwert, und der scharfe Stahl, Beseitiger seiner Feinde, drang durch Brust, Nase und Ohr. So verstümmelt von seinem rächenden Schwert brüllte die Dämonin in Zorn und Wut auf und rannte mit ihrem scheußlichen Gesicht zurück zu ihrem geheimen Lager.
Als das Monster außer Sicht war, liefen die unerschrockenen Brüder weiter durch den wilden Wald, wo die Wege kaum passierbar waren. Da sprach Lakshmana, der tugendhafte Jüngling und Freund von Reinheit und Wahrheit, mit ehrfurchtsvoll gefalteten Händen zu seinem glorreichen Bruder: "In meinem Arm pocht es ahnungsvoll und mit aller Kraft, mein verstörtes Herz ist krank vor Schmerz, und freudlose Omen künden von Übel, wohin ich auch meine ängstlichen Augen schweifen lasse. Lieber Bruder, höre meine Worte, dringe entschlossen weiter vor und wappne dich gegen jede Möglichkeit. Denn jedes Zeichen, daß ich hier erblicke, erzählt von baldiger Gefahr. Dieser Vogel mit der Stimme voll schlechter Vorzeichen schreit laut mit mißtönender Kehle. Er gibt mit warnendem Schrei an, daß Schlacht und Sieg nahe sind." Als dann die Brüder ihre Suche durch die furchtbare Einsamkeit fortsetzten, da hörten sie verwundert einen gewaltigen Klang, der fast die Bäume ringsum zerbrach. Als ob ein wilder Sturm wütete, der unter seinen Windstößen das Holz splittern ließ. Rama erhob sein treues Schwert, und beide erforschten den unbekannten Grund. Da erschien vor ihren verwunderten Augen ein Unhold mit breiter Brust und hünenhafter Gestalt. Sie sahen einen gewaltigen, unförmigen Rumpf, der in seiner Höhe jedes Gesetz der Natur übertraf. Das Wesen stand vor ihnen, gräßlich und furchtbar, ohne Hals oder Kopf. Es war groß wie ein Berg hoch droben in den Lüften und seine Glieder waren mit borstigem Haar bedeckt. Tief unterhalb der Taille des Monsters war sein riesiger, ungestalter Mund. Seine Gestalt war gigantisch und die Stimme so laut wie die einer tintenschwarzen Donnerwolke. Von seiner breiten Brust kam ein Glanz wie von einer strömenden Flamme. Unter langen Wimpern, dunkel und scharf, war das eine Auge des Monsters zu sehen. Tief in seiner Brust, lang und schrecklich hell, da funkelte ein phantastisches Licht auf. Er verschlang seine wilde Nahrung an Löwen, Vögeln und geschlachteten Bären, entblößte dabei riesige Zähne und zog seine Zunge über die großen Lippen. Seine unförmigen Arme waren furchtbar und drei Meilen lang. Diese erhob und spreizte er und fing sich mit seinen monströsen Händen eine ganze Herde Rehe und viele Bären und Vögel ein. Die ganze Beute behandelte er sehr wählerisch, warf dieses fort und bevorzugte ein anderes.
Er stand vor dem prinzlichen Paar und versperrte ihnen den Weg durch den Wald. Die Prinzen hatten etwa eine Meile zurückgelegt, nachdem sie den Unhold erblickt hatten, diese monströse Gestalt ohne Kopf und mit gewaltigen, ausgebreiteten Armen. Sie sahen den scheußlichen Rumpf, der die zitternden Augen mit Angst erfüllte. Da streckte er seine Arme zu voller Länge aus, beugte die Finger um Raghus Söhne, ergriff und hielt sie fest. Obwohl sie starke Arme hatten, furchtbar in der Schlacht waren und jeder mit Bogen und Schwert bewaffnet war, waren die königlichen Brüder hilflos im Griff des Giganten. Rama blieb heroisch und fühlte keinen Schmerz durch seine Brust zittern. Doch seines jungen Bruders Herz wurde traurig vor Angst, als keine Hilfe nahe war, und er sprach mit stockender Zunge und schwer geängstigt zu Rama: "Weh mir, weh mir, meine Tage sind gezählt. Sieh mich im Griff des Giganten. Flieh, Raghus Sohn, flieh schnell und befreie dein liebes Selbst von der Gefahr. Gib mich dem Unhold als Opfer und fliehe, um zu überleben. Ich glaube fest daran, daß du, oh großer Sohn des Kakuthsta, die Maithili Dame bald finden wirst. Und wenn du wieder den Thron und dein vererbtes Reich innehältst mit allen Dienern, die geradewegs deine Wünsche erfüllen, dann denke an deinen Bruder." Als der zitternde Lakshmana solcherart rief, da erwiderte der unerschrockene Rama: "Bruder, verbanne die grundlose Angst. Ein Prinz wie du sollte Verzweiflung verachten." So sprach er, um seinen wilden Alarm zu besänftigen.
Und dann ergriff der furchtbare Kabandha (heißt: Leib) mit den langen Armen, der Erste und Beste unter den Danavas (eine Gruppe mythologischer Giganten), das Wort und sprach zu den Söhnen des Raghu: "Was seid ihr für Männer, deren Schultern breit wie die von Bullen sind, die mit Schwert und Bogen diesen dunklen und furchtbaren Ort durchwandern und die das Schicksal vor mein Antlitz brachte? Erklärt, welcher Anlaß euch durch diese einsame Wildnis schreiten läßt, ihr mit Schwert und Bogen und Pfeilen zum Durchbohren, wie Bullen, deren Hörner stark und scharf sind? Warum habt ihr dieses waldige Land aufgesucht, wo ich stehe, wild von des Hungers Schmerzen. Nun, da eure Schritte meinen Weg gekreuzt haben, erachtet euer Leben als bereits verloren." Die königlichen Brüder hörten mit Schrecken die Worte, die der grausige Kabandha sprach. Und Rama rief seinem Bruder zu, dessen Wangen vor erbleichender Furcht ganz ausgetrocknet waren: "Ach, wir fallen von Sorge in noch größeres Elend, oh heldenhafter Prinz. Eben noch klagten wir über sie, die ich so sehr liebe, da steht uns plötzlich die eigene Zerstörung bevor. Erkenne nun, Bruder, welche Macht die Zeit in jedem Augenblick über alles hat, was lebt. Nun, Herr der Menschen, sehe ich dich und mich in tödlicher Gefahr. Es ist, sei sicher, die Macht des Schicksals, welche alles mit tödlichem Gewicht zermalmt. Niemals kann ein Tapferer und Starker, selbst wenn er um die Handhabe von Bogen, Schwert und Speer weiß, der Gewalt der besiegenden Zeit widerstehen. Er wird fallen wie eine Barriere, die aus Sand gebaut wurde." So sprach der Sohn des Dasaratha in ruhiger Besonnenheit, die nichts erschüttern konnte. Mit unbeflecktem Ruhm richtete er seine Augen auf den Sohn der Sumitra und bewahrte fest entschlossen sein unerschrockenes Herz.