Pushpak Ramayana Buch 3Zurück WeiterNews

Canto 16 - Winter

Als so der hochbeseelte Held seine ruhigen Stunden in süßer Zufriedenheit verbrachte, ging der glühende Herbst ins Land und der von den Menschen geliebte Winter begann. Eines Morgens, bei Tagesanbruch, ging er zum schönen Strom, um sein Bad zu nehmen. Hinter ihm gingen die Maithili Dame und Lakshmana, der einen Krug trug. Während sie ausschritten, sprach der starke Mann zu seinem prinzlichen Bruder: "Die Zeit ist gekommen, die dir am liebsten ist von allen Monaten, die das Jahr auszeichnen. Es ist die Freude und der Stolz aller barmherzigen Jahreszeiten, durch die der Rest gesegnet wird. Ein Kleid von weißem Rauhreif ist über die mit Kälte geschmückte Erde ausgebreitet. Die Ströme sagen uns nicht länger zu, denn wir nehmen lieber in der Nähe des Feuers Platz. Nun opfern fromme Menschen den Göttern und Ahnen die jungen und frischen Triebe vom Getreide und vertreiben ihre Sünden mit Flammen in einfachen Opferzeremonien. Reiche Milchvorräte beglücken die Bauern, und die Herzen sind zufrieden, die nach Gewinn suchten. Stolze Könige, deren Brust für Sieg glüht, führen nun beflaggte Truppen ins Feld, um den Feind zu schlagen. Dunkel ist der Norden, der Herr des Tages hat sich Yamas Süden zugewandt. Und die Sonne strahlt nicht mehr, wie eine traurige Witwe, die ihrer Brautzeichen beraubt ist. Das Himalayagebirge, seit alters her das Schatzhaus für Frost und Kälte, ist sich des matteren Glanzes kaum bewußt und nun wahrlich der Herr des Schnees. Durch die freundlichen Mittagsstrahlen gewärmt ist der helle Tag angenehm. Aber wie zittern wir in der Kühle des Abends oder am Bach! Wie schwach die Sonne ist und wie kalt die Brise! Wie weiß der Reif auf Gras und Bäumen! Die Blätter sind vertrocknet, die Wälder haben ihre Blüten durch den eisigen Frost verloren. Wir schlafen nicht mehr unter freiem Himmel, denn die Dezembernächte sind weiß vor Rauhreif. Ihre dreifache Wacht(1) verlängert sich um die Stunden, die das gekürzte Tageslicht abgeben muß. Die von der Sonne geborgten Mondstrahlen sind nicht mehr hell, sondern verbergen sich in Nebelschleiern, als ob ein glänzender Spiegel von Atemwolken verschleiert wird. Selbst bei Vollmond schaffen es die schwachen Strahlen nicht, sich durch die dunklen Schleier zu kämpfen. Verändert in ihrer Farbe, wünschen sie sich die Anmut, die Sitas Gesicht nie verlassen hat. Kalt ist der Wind von Westen, aber wie stechend ist seine Kälte erst, wenn er am frühen Morgen doppelt schneidend bläst mit seinem Eisesatem. Sieh nur, wie Gerste, Weizen und Wald Tränen aus Tau weinen, während bei aufgehender Sonne Brachvögel und Saras schreien. Und sieh, wie die Reispflanzen kaum ihre vollen Ähren aufrecht halten können, die sich blaß golden verfärben. Sie beugen ihre reifen Köpfe langsam nieder, so schön wie die blumige Krone des Dattelbaumes. Obwohl die Sonne sich hoch oben auf den Weg zur Stirn des Himmels gemacht hat, verdeckt viel Nebel ihre sich mühenden Strahlen, so daß sie nicht größer als der Mond erscheint. Doch schwach zuerst, werden ihre Strahlen noch angenehm werden in ihrer mittäglichen Kraft. Und wenn es ihnen eine Weile glückt, auf die Erde zu gelangen, dann werfen sie einen matten Glanz auf alles. Sieh, über die Wälder stiehlt sich mit sanftem Licht, welches Erde und Zweige einhüllt, ein zarter Schimmer, wo das Gras naß und noch mit weißen Tropfen behangen ist. Ein Elefant steht dort immer noch am Flußufer. Er möchte trinken und wirft seinen Rüssel hastig zitternd zurück, denn von der kalten Welle möchte er nicht kosten. Die Wasservögel, die in den Teichen umgehen, stehen zweifelnd an der Böschung und fürchten sich, in die winterliche Welle einzutauchen, wie Feiglinge es nicht wagen, sich mit Mutigen zu messen. Die Nachtfröste und der Rauhreif am Morgen schicken die blütenlosen Bäume und Wiesen in benommene, apathische Kälte. Von eisigen Ketten gebunden schlafen sie ruhig. Du hörst die versteckten Saras von den in Dunst eingehüllten Fluten rufen, und frostig glänzender Sand verrät, wo im Nebel die Flüsse fließen. Der weiße Reif in taufeuchter Nacht und die Sonne, die mit gezügeltem Licht scheint, verleihen den Bächen frischen und kühlen Duft, wenn sie von den Hügeln herüberfunkeln. Die Kälte hat den Stolz der Lilien getötet. Blatt, Gestrüpp und Blume starben. Mit fröstelndem Hauch bliesen rauhe Winde, und die verdorrten Halme stehen einsam.

Zu dieser schönen Zeit, oh edelster Prinz, lebt der treue und kummervolle Bharata in der königlichen Stadt, wo er beschwerliche Stunden aus Liebe zu dir verbringt. Er wendet sich von allem ab: von Titeln, Ehren, königlicher Herrschaft und jeder Freude. Auf der kalten Erde liegend vergehen ihm die Tage mit dürftiger Nahrung und Einsiedlerfasten. In diesem Moment vielleicht erhebt er sein müdes Haupt von seinem einfachen Lager und geht, von vielen Gefolgsleuten umgeben, sein Bad in der silbrig fließenden Sarju zu nehmen. Wie kann die Sarju ihm, dem zarten und schönen Jüngling, ein Bad sein, wenn die frostigen Morgen trüb sind, und er doch mit aller zärtlichen Liebe und Sorge erzogen ward? Wie hell ist seine Haut. Sein funkelndes Auge kann sich mit dem großen Lotusblatt vergleichen. Durch das Schicksal zu einem glücklichen Los bestimmt, ist seine schöne Gestalt hochgewachsen und aufrecht. In der Pflicht geübt ist er, seine Worte sind die Wahrheit und stolz beherrscht er alle Gelüste der Jugend. Sein starker Arm erschlägt den Feind, und doch fließt seine Rede in sanften Worten dahin. Ja, er hat allen Freuden entsagt und hängt an dir mit Herz und Verstand. Durch seine Taten hat sich Bharata einen Namen im Himmel gewonnen, denn in seinem Leben folgt er deinen Schritten, du verbannter Einsiedler. Und so straft der treue und edel weise Bharata das Sprichwort Lügen: Daß kein Mann, der von der Mutter geführt wird, den Fußspuren seines Vaters folgt. Wie konnte Kaikeyi, die zur Gemahlin des Königs, unseres Vaters, erwählt war und einen tugendhaften Sohn wie Bharata erblickte, mit solchem Makel ihren Ruhm beflecken durch diese widerliche Verschwörung?"

So sprach er in brüderlicher Liebe, und von seinen Lippen brach so mancher Vorwurf. Doch Rama litt darunter, wie er die abwesende Mutter tadelte, und erwiderte: "Sei still, oh Lieber, und hör auf, die zweite Dame unseres königlichen Vaters zu beschuldigen. Und sprich von Bharata als dem Ersten in der Reihe der Prinzen Ikshvakus. Mein Herz, nun so fest an das Leben im Walde gebunden und an die Einhaltung meines Eides, fängt halb an zu schmelzen und wird weich und schwach, wenn ich dich von Bharatas Liebe sprechen höre. Mit zärtlicher Freude erinnere ich mich an seine stets liebevollen und freundlichen Worte, die so lieb wie Amrit die Sinne mit äußerst zauberhaftem Einfluß gefangen nahmen. Oh, wann werde ich Bharata mit dem starken Herzen wiedersehen und nicht mehr von ihm getrennt sein? Und wann, oh mein Bruder, werden wir den guten und tapferen Shatrughna wiedertreffen?"

Immer weiter seine zärtlichen Klagen ausstoßend schritt der Sohn des Raghu dahin. Sie erreichten den Fluß und badeten in der schönen Godavari. Sie opferten im Strom jeder Gottheit und jedem Ahnen mit Lobeshymnen und rühmten die Sonne hoch droben. Frisch entstieg Rama der reinigenden Welle, immer mit Lakshmana an seiner Seite und der lieblichen Maithili Dame. So erscheint der von den Welten verehrte Rudra (Shiva) in unbeschmutztem Glanz, wenn Nandi (Diener Shivas) und das Kind des Königs Himalaya (Uma/Parvati, die Gefährtin Shivas) an der Seite ihres Herren stehen.


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(1) Die Nächte sind in drei Wachen zu je vier Stunden eingeteilt.