Pushpak Ramayana Buch 2Zurück WeiterNews

Canto 100 - Das Treffen

Bharata zeigte Shatrughna die Stelle, dann eilte er eifrig davon. Zuvor bat er noch Vasishta, die verwitweten Gemahlinnen des Königs mitzubringen, und dann ging der Held seinen Weg, von brüderlicher Liebe getrieben. Sumantra folgte dicht hinter Shatrughna mit begierigem Geist: Niemand außer Bharata sehnte sich mehr danach als er, endlich Ramas Antlitz wiederzusehen. Als sie weitergingen, erschien inmitten der Einsiedlerhütten die Laubhütte von Rama mit einem niedrigen Schuppen daneben. Davor türmten sich Berge von gesammelten Blumen und gespaltenem Holz. An den Bäumen hingen heiliges Gras und Bastkleidung. Dies alles zeugte vom Pfad, den Rama und Lakshmana genommen hatten. Auch Berge von Brennstoff standen getrocknet gegen die Kälte bereit. Der langarmige, im ruhmvollen Licht schreitende Prinz sprach im Gehen überglücklich zum tapferen Shatrughna und den anderen: "Dies ist der Ort, ich zweifle kaum, den Bharadvaja uns beschrieben hat. Nicht weit von uns muß die Mandakini durch den Wald fließen. Hier an der bewaldeten Seite des Berges leben Elefanten mit stolzen Stoßzähnen. Und immer, wenn sie sich mit Gebrüll und Geschrei begegnen, trotzen sie einander. Und seht, die dicken und dunklen Rauchkränze, sie künden von der brennenden Flamme, mit der Eremiten dem Walde begegnen, um auf jede Art zu überleben. Oh, ich Glücklicher! Meine Aufgabe ist getan, und ich werde bald Raghus Sohn schauen, der es liebt, die Älteren in aller Verehrung zu behandeln, wie ein großer Heiliger."

So erreichte Bharata den kleinen Bach, der Chitrakutas Berg hinabfloß, und plötzlich erhob sich wunder Schmerz in seiner Brust. Der Held sprach zu seinen Freunden: "Weh, weh über mein Leben und meine Geburt! Der Prinz der Menschen, der Herr der Erde hat die einsamen Wälder aufgesucht, um zurückgezogen in einer Einsiedlerhütte zu leben. Wegen mir, wegen mir befielen ihn diese Nöte, den strahlendsten Herrn von uns allen. Wegen mir entsagte er dem irdischen Glück und versteckt sich in einem Heim wie diesem. Nun werde ich, von der Welt verabscheut, zu seinen lieben Füßen niedersinken, und zu den schönen von Sita auch, um seine Vergebung für meine scheußliche Sünde zu gewinnen."

Als er solcherart traurig klagte und seufzte, blickte der Sohn des Dasaratha zu der Hütte, die aus blättrigen Zweigen gemacht, heilig und lieblich im Schatten, von angenehmen Proportionen in Breite und Höhe, und wohl überdacht mit Palmenwedeln und Salzweigen war, die ordentlich angeordnet waren wie Gras auf einem Altar. Zwei glorreiche Bögen schimmerten dort, wie Indras regnerischer Äther(1), der Terror der Feinde, mit Gold verziert und für die stärkste Hand gemacht. Pfeile im Köcher warfen einen Glanz, so hell wie die Strahlen des Sonnengottes. So zieren Schlangen mit glühenden Augen ihre Hauptstadt(2) tief drunten. Große Schwerter schmückten die Hütte, ein jedes in einer Scheide aus Goldbrokat. Dort hingen die treuen Schilde, an denen die Knäufe in reinstem Gold erstrahlten. Der Gurt, um den Arm des Bogenschützen zu binden, und der Handschuh, um seine Hand vor Verletzung zu bewahren, gaben der Hütte einen besonderen Schimmer mit ihren vielen goldenen Ornamenten. Die Hütte war vor Feinden sicher, wie die Höhle des Löwen vor wilden Tieren. Auf dem Altar brannte ein Feuer, das gen Norden und Osten züngelte. Bharata schaute gespannt in die Hütte.

Dort saß Rama, sein Herr, mit verfilzten Haaren und in Hirschfelle gekleidet. Mit seinen Löwenschultern breit und stark, und mit Lotusaugen sollte er der allerhöchste Herr zwischen den Ozeanen sein. Hochbeseelt und für ein hohes Schicksal geboren, saß er mit Lakshmana und Sita an seiner Seite wie Lord Brahma selbst, der Höchste der Großen. Und Bharata starrte für eine Weile und war vor Schmerz ganz dumpf. Dann, seine Gelähmtheit abstreifend, rannte er zu Rama und begann unter Schluchzen zu sprechen: "Er, der einen königlichen Thron zu füllen hätte, mit Dienern um ihn, die seinen Willen tun, mein älterer Bruder - seht ihn hier von Waldbewohnern umgeben. Der hochbeseelte Held, der gewohnt war, die kostbarste und schönste Kleidung zu tragen, hüllt sich als Verbannter in ein Hirschfell und bleibt auf dem Pfad der Tugend. Wie erträgt der Sohn des Raghu die schweren Locken, die seine Stirn bedecken, wenn sonst um das prinzliche Haupt süße Blumen der seltensten Sorten gewunden waren? Der Prinz, dessen Verdienste durch Zeremonien schon angewachsen waren, muß nun einen noch reicheren Vorrat an Verdienst gewinnen, und zwar durch die Plagen und Mühen an seinem Körper. Diesen Gliedern verlieh reiner Sandel einen frischen Duft, nun sind sie der Sonne, auch Staub und Regen ausgesetzt und von vielen Flecken bedeckt. Und ich bin der armselige Grund, warum all dies auf diesen Prinzen kam, der ein Recht auf Glück hat! Weh mir, daß ich einst geboren wurde, um von den Menschen verachtet und gehaßt zu werden."

So weinte Bharata qualvoll, und große Tropfen hingen an seiner Stirn. Er fiel von Kummer überwältigt zu Boden, noch bevor er seines Bruders Füße berühren konnte, so groß war seine Trauer. Auf den glorreichen Prinzen schauend, versuchte er vergebens seine gebrochene Stimme zu erheben: "Lieber Herr" war durch Tränen und Schluchzer zu hören, die einzigen Worte, die seine Lippen noch formen konnten. Auch der tapfere Shatrughna weinte laut, als er sich tief vor Ramas Füßen verneigte. Da schlang Rama, dessen Tränen auch in Strömen flossen, seine Arme um seine Brüder. Auch Guha und Sumantra kamen näher, um die Prinzen an ihrem wilden Zufluchtsort zu grüßen. So erfreuen sich Vrihaspati und der strahlende Sukra, ihren Gruß dem lieben Gott der Nacht zu entbieten und dem großen Gott, der den Tag regiert. Dann weinten alle Bewohner des Waldes, als sie die Prinzen erblickten, welche eigentlich dazu bestimmt waren, auf mächtigen Elefanten zu reiten, und warfen alle Gedanken an Freude beiseite.



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(1) Der Regenbogen wird als der Bogen des Indra bezeichnet.
(2) Bhogavatí, die Heimat der Nagas oder des Schlangengeschlechts