Pushpak Ramayana Buch 2Zurück WeiterNews

Canto 34 - Rama im Palast

Der dunkle, unvergleichliche Prinz, dessen Augen wie Lotusblüten waren, rief dem trauernden Wagenlenker zu: "Geh und verkünde meinem Vater, daß ich hier bin." Sumantra, traurig und sehr bestürzt, gehorchte dem Befehl unverzüglich. Er eilte durch das Palasttor und erblickte den König, der weinte und seufzte. Wie die große Sonne, die von einem Schatten verhüllt ist, wie ein Feuer, welches Asche verdeckt, oder wie ein ausgetrockneter See, so lag der Welten großer Herr und Stolz. Eine Weile starrte der weise Sumantra ihn, dessen Sinne vor Trauer um Rama ganz benommen waren, an. Dann näherte er sich mit ehrfürchtig erhobenen Händen. Zuerst pries er seinen König mit Segnungen, dann sprach er den Monarchen mit einer Stimme an, die vor Kummer beinahe verging: "Der Prinz der Menschen, dein Rama, wartet vor dem Palasttor. Er hat seinen Besitz an die Brahmanen und alle, die bei ihm wohnen, verteilt. Laß deinen Sohn ein. Seine Freunde haben sein freundliches Lebewohl und Abschiedswort vernommen, nun will er dich erst sehen, bevor er in die Wälder geht, oh König der Menschen. Er strahlt jede prinzliche Tugend aus und scheint wie die Sonne, von Strahlen umgeben."

Der wahrhafte König, der das tiefgründige Gesetz, so tief wie der Ozean und so fleckenlos wie der tiefblaue Himmel, zu bewahren liebte, antwortete dem Sumantra: "So geh, Sumantra, und rufe meine Gemahlinnen und alle Damen des Hofes. Sie sollen um mich herum den Palast erfüllen, wenn ich meines Ramas Antlitz schaue." Schnell ging Sumantra in die inneren Gemächer und sprach zu den Frauen: "Kommt und folgt dem Ruf des Königs. Kommt alle, und zaudert nicht." Ihres Gatten Wort, sobald sie es vernahmen, befolgten die Damen, und ihrem Führer folgend kamen sie alle und drängten sich in die königliche Halle. Alle lieblichen Damen, dreihundertfünfzig an der Zahl, bildeten eine lange Schlange, und alle strahlenden Augen waren rot vom Weinen, als sie sich um Königin Kausalya aufreihten. Nachdem sie sich versammelt hatten, sah der Monarch die Menge für einen Moment an, und sprach dann zu Sumantra: "Nun, laß meinen Sohn ein."

Sumantra ging und führte Rama mit Lakshmana und der Maithili Dame direkt zum König. Als der Vater schon von fern seinen Sohn sich mit gefalteten Händen ihm und der versammelten Damenschar nahen sah, erhob er sich von seinem Sitz. Mit aller Kraft des alten Mannes eilte er seinem Liebling Rama entgegen, doch zitternd und in wilder, dunkler Verzweiflung fiel er zu Boden und ward ohnmächtig. Lakshmana und Rama strebten an die Seite des alten und elenden Königs, der halb leblos vor Sorge war. Durch die weite Halle tönte das wilde Klagen der tausend Frauen: "Oh Rama" jammerten sie und weinten, und ihre Fußkettchen klirrten, als sie aufstampften. Die zwei Brüder wanden ihre liebevollen Arme weinend um Dasarathas Körper, und mit Sitas sanfter Hilfe legten sie den König auf das Sofa. Als Leben und Bewußtsein zwar wieder hergestellt waren, doch immer noch Wogen von Kummer über seinem Haupt zusammenschlugen, sprach Rama mit demütig gefalteten Händen: "Herr von uns allen, großer König, der du bist: Gewähre mir ein Lebewohl, bevor wir abreisen. Ich gehe heute noch in den Dandaka-Wald. Gib uns deinen Segen und einen Blick. Laß Lakshmana mein Gefährte sein und auch Sita mir folgen. Ich suchte mit getreuen Bitten ihren Sinn zu beugen, doch sie liehen mir kein Ohr. Nun, wirf die Sorgen aus deinem Herzen fort und laß uns alle abreisen, großer König. Wie Brahma seine Kinder sendet, so laß Lakshmana, mich und Sita gehen."

Er stand unbewegt und schaute aufmerksam, bis der König seine Zustimmung gewähren würde. Der Monarch richtete seine Blicke auf seinen Sohn und sprach letztendlich: "Oh Rama, durch ihre Künste versklavt gewährte ich Kaikeyi ihre erflehten Wünsche. Ich bin unfähig zu regieren und von ihr verführt: Sei du Herrscher an deines Vaters statt." Nach diesen Worten des Königs entgegnete Rama ehrfürchtig, der beste Freund der Tugend und im Gebrauch der Sprache wohl unterrichtet: "Es bleiben noch tausend Jahre für deine Herrschaft über unsere Stadt, oh König. Ich werde in den Wäldern mein Leben führen, die Leidenschaft zum Herrschen beachte ich nicht mehr. Ich werde dort neun und fünf Jahre verbringen, und wenn dieser Anteil an Tagen endet, werde ich wiederkommen. Dann sind meine Gelübde und das Exil vorüber, und ich werde noch einmal deine Füße umklammern, mein König."

Ein Gefangener in der Falle der Wahrheit, weinend, von Kummer und Sorge erfüllt, sprach der König, während ihn Königin Kaikeyi ungesehen weiter drängte: "So gehe denn, oh Rama, und beginne deine Reise ungestört von Angst und Sünde. Geh, mein geliebter Sohn, und erringe dir Erfolg und Freude und eine sichere Rückkehr. So fest binden deinen wahrheitsliebenden Geist die Bande der Pflicht, oh Raghus Sohn, daß nichts dich umkehren lassen oder deinen starken Willen verführen kann. Aber ach, so bleib noch ein wenig länger hier, und gehe nicht diese Nacht davon - diesen einen kleinen Tag noch, nur den einen, will ich mit meinem Sohn verbringen. Kränke nicht mich und deine Mutter, und bleib noch diese Nacht bei mir, mein Sohn. Genieße noch einmal alle köstliche Nahrung und such erst morgen die Kargheit. Hart ist deine Aufgabe, oh Raghus Sohn, und gräßlich die Mühe, die du nicht meiden kannst: Fern in die einsamen Wälder zu fliehen und deine Freunde aus Liebe zu mir zu verlassen. Ich schwöre bei der Wahrheit, mein Sohn, glaube mir, ich trauere tief um dich. Von der verräterischen Dame ward ich mit versteckter List wie eine schwelende Flamme in die Irre geführt. Nun, von ihrem gemeinen Ratschlag bewegt, hältst du gern mein gegebenes Wort. Kein Wunder, daß gerade mein ältester Sohn mir die Treue hält, wenn ich geschworen habe."

Rama stand und hörte ruhig jedem Wort seines elenden Vaters zu, und mit Lakshmana an seiner Seite antwortete er demütig: "Wenn ich meinen Geschmack jetzt an Köstlichkeiten ergetze, dann müssen morgen doch diese Köstlichkeiten versagen. Ich bevorzuge die heutige Abreise vor allem, was Reichtum geben kann. Laß Bharata über dieses schöne Land regieren. Es ist nicht länger mein, mit allen Reichtümern, den vielen Menschen, dem Korn, den Vorräten an Besitz - ich trete zurück. Und laß den versprochenen Wunsch, den du geneigt warst der Königin bis eben zu gewähren, ihr ganz erfüllt sein. Sei wahrhaft, oh König, du freundlicher Geber aller kostbaren Dinge. Dein gesprochenes Wort will ich immer beachten, und allem gehorchen, was deine Lippen beschlossen. Ich werde vierzehn Jahre im Wald wohnen mit denen, die auf Lichtungen und in Tälern leben. Keine Hoffnung auf Macht kann mein Herz berühren und keine selbstsüchtige Freude mich mehr anziehen, als mit Herz und Seele den Willen meines Vaters zu erfüllen. Gib ihn auf, oh gib ihn auf, den sinnlosen Gram und laß davon ab, diese erstickenden Ströme fließen zu lassen. Auch der Gott der Flüsse hält sich in seinem Stolz innerhalb der Ufer, welche seine Ströme einsperren. Ich erkläre hier in deiner Gegenwart, bei allen guten Taten und deiner Wahrhaftigkeit schwöre ich: Weder Herrschaft, Freude noch Land werde ich mir gewinnen, ich verschmähe das Leben, den Himmel und alle Segnungen. Ich wünsche, oh König, daß du wahrhaftig bleibst und frei von Befleckung. Es kann nicht, Herr, es darf nicht sein: Ich kann nicht eine weitere Stunde mit dir verweilen. So beende diese Sorgen, denn nichts kann meinen entschlossenen Willen beugen. Ich gab auch ein Versprechen, daß mich bindet, und diesem Versprechen bin ich treu. Kaikeyi bat mich zu eilen. Sie sprach die Bitte aus und ich sagte 'ja'. Sehne dich nicht nach mir und weine nicht mehr. Der Wald hält auch viele Freuden für uns bereit, angefüllt mit wilden Hirschen in friedlichen Herden und den Stimmen von tausend Vögeln. Der Vater ist für jeden ein Gott, ja sogar für Götter, so lehren es die Schriften. Und ich will meines Vaters Beschluß bewahren, denn ich ehre dich wie einen Gott.

Oh Bester der Männer, die Zeit ist nah. Die vierzehn Jahre werden schnell vergehen und bald schon wird dein Sohn wieder vor deinen Augen erscheinen. Beruhige dich und weine nicht mehr. Mit deiner Standhaftigkeit solltest du die weinende Menge hier im Hof unterstützen. Warum, oh Herr von hohem Ruhm, so beunruhigt und mit niedergedrückter Seele?"



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