Pushpak Ramayana Buch 1Zurück WeiterNews

Canto 9 - Rishyasring

Auf des Königs Geheiß entfaltete nun der weise Sumantra den genauen Plan der Minister, wie der Einsiedler aus dem Schatten des Waldes geführt werden sollte:

"Ein Priester innerhalb des königlichen Gefolges von Lomapad erhob die Stimme zu seinem Herrn wie folgt: 'Höre König, welchen Plan unsere Gedanken geformt haben, den harmlosen Trick, für den niemand schuldig gesprochen werden kann. Fern von der Welt lebt des Einsiedlers Kind ganz allein in der Wildnis. Er ist ein Fremdling in den Freuden der Sinne, seine Seligkeit liegt in Schmerz und Abstinenz. Und Frauen sind ihm, der heiligen Zuflucht, bis jetzt ganz und gar unbekannt. Wir werden die sanfte Leidenschaft in ihm wecken, die mit unaufhaltbarem Einfluß die Herzen der Männer bewegt und, durch starkes und liebliches Entzücken hinfortgezogen, wird er seine einsame Heimstätte verlassen und zu dir kommen, um dich zu sehen. Laß mit äußerster Sorgfalt Schiffe bauen, die künstliche Bäume tragen mit süßen Früchten, und laß die Ausstattung ganz köstlich sein, mit reichen und seltenen Blumen und vielen Vögeln unter schattigem Laub. Auf diesen geschmückten Schiffen soll eine Anzahl junger und lieblicher Mädchen stehen, eine jede reich an allen Zaubern, die Verlangen wecken, und mit Augen, die in verzücktem Feuer glühen. Sie sollen gut singen, spielen und tanzen können und ihre Aufgabe mit Lächeln und strahlendem Gesicht erfüllen. Sie mögen, in Einsiedler-Kleidung gehüllt, den Jungen aus seinem enthaltsamen Leben in der Wildnis führen und ihn als freiwilligen Gefangenen zu dir bringen.'

So sprach er, und der König stimmte zu, überzeugt durch den Rat seines Priesters. Die Minister sorgten dafür, daß alles kunstvoll ausgeführt wurde. Die wunderbaren Schiffe wurden vorbereitet und glitten davon mit einer Anzahl reizender Damen an Bord. Und bald schon standen sie unter den Schatten des wilden, einsamen und trübseligen Waldes. Sie fanden die Laubhütte, wo der Fromme lebte, und suchten eifrig nach dem Sohn des Einsiedlers. Zwar fürchteten sie Vibhandaks Unmut und versteckten sich im Schatten der Büsche. Doch als sie nach sorgfältiger Beobachtung sahen, daß der Vater weit entfernt war, wagten sie sich mit kühneren Schritten in die Nähe, um des jungen Eremiten Aufmerksamkeit zu erlangen. Und sofort begannen alle Mädchen, lustig und vergnügt mit verschiedenen Spielen.

Sie warfen den Ball herum mit viel Tanz und Gesang und fröhlichem Geschrei und bewegten sich, die duftenden Locken mit Kränzen gebunden, in verstrickenden Runden. Einige der Mädchen ließen sich in vorgetäuschter Unrast zu Boden sinken, als wären sie von Liebe besessen. Um nur schnell wieder aufzuspringen und das unterbrochene Spiel fortzuführen. Es war ein lieblicher Anblick, wie die Hübschen spielten, während ihre duftenden Kleider frei schwangen und Armreifen mit angenehmem Klingeln fröhlich gegeneinanderstießen. Die Glöckchen an den Knöcheln und der Ruf des Koils füllten den Ort mit Musik, ganz wie himmlische Sänger eine göttliche Stadt zieren.

Auf jede sinnliche Art bemühten sie sich, den Wächter des Wäldchens zu gewinnen und mit ihren anmutigen Formen seine Seele mit sanftem Verlangen zu füllen. Sie beherrschten alles: den Schwung der Augenbrauen, das aufmerksame Lächeln, jeglichen verführerischen Schlich in Geste oder Blick und alle Verlockungen, die zum Begehren nach unbekannten Freuden anregen und denen Jungen vergebens widerstehen.

Hervor kam also der Sohn des Einsiedlers, um den wunderbaren und ihm so unbekannten Anblick zu schauen. Er starrte gespannt und voller Überraschung, denn seit seiner Geburt hatten seine Augen weder eine Frau noch eines anderen Sohn erblickt. Nun sah er die Damen mit der schlanken Taille, der angenehmen Gestalt und den makellosen Gliedern in bunte Gewänder gehüllt und lieblich singend, während sie spielten. Näher und immer näher kam der Junge, schaute ihnen zu, und in ihm wuchs die Neugier zu fragen, woher sie kämen. Die Mädchen bemerkten wohl den jungen Asketen mit seinen neugierigen Blicken und dem ungezügelten Erstaunen. Sie sangen lieblich, die großäugigen Damen, und lachten laut und fröhlich, näherten sich ihm und fragten ihn sehnsüchtig und voller Leidenschaft: 'Wessen Sohn bist du, oh Jüngling, und wie heißt du, der du so plötzlich erscheinst, um uns Gesellschaft zu leisten? Warum wohnst du ganz allein in diesem wilden Wald? Wir bitten dich, sag es uns, wir möchten dich kennenlernen, du sanfter Junge, komm sag uns die Wahrheit, wenn du willst.'

Und er starrte auf diese ihm so unbekannte Szene mit den schönen Mädchen, und aus Liebe wuchs in ihm der Wunsch, seine Herkunft und seinen Herrn zu erklären: 'Mein Vater', so begann er seine Antwort, 'ist Kasyapas Sohn, ein hoher Heiliger mit Namen Vibhandak. Von ihm stamme ich ab, und er ruft mich Rishyasring. Unsere einsiedlerische Hütte ist ganz in der Nähe, bitte kommt mit dahin, oh ihr mit den schönen Gesichtern, dann ist es an mir, euch freundliche Jugendliche willkommen zu heißen.' Sie hörten seine Rede, gaben ihre Einwilligung und begleiteten ihn glücklich zur Hütte. Vibhandaks Sohn empfing sie wohl in der Zuflucht seiner Behausung mit (den üblichen) Gaben für die Gäste, dem Wasser zum Waschen der Füße und Früchten und Wurzeln des Waldes zum Essen. Die Mädchen lächelten und sprachen süße Worte in ihrer Freude über seine Gastlichkeit: 'Wir haben auch süße Früchte zu Hause von den Bäumen, die unsere Hütte beschatten. Komm mit uns, freundlicher Einsiedler, und zögere nicht, auch unsere Ernte zu kosten. Doch laß erst dieses heilige Wasser, oh guter Asket, deinen Durst löschen.' Sprachen es und reichten ihm Konfekt, welches reifen Früchten täuschend ähnlich sah, und so manchen leckeren Keks samt köstlichem Met aus ihrem Vorrat. Der ahnungslose Einsiedler nahm die scheinbaren Früchte und war, da alles für ihn fremd war, leicht betrogen. Dann legten sich hübsche Arme um seinen Nacken, die Damen lachten und schoben sich näher und näher, während süße Lippen an seinen Ohren wisperten und runde Glieder und schwellende Brüste sich sanft an ihn schmiegten. Der angenehme Zauber der fremden Obstschale und die Berührung der zarten Glieder stahlen sich leicht über den nachgebenden Willen des Jungen und besiegten ihn. Doch, in Angst vor dem heimkehrenden Vater, verabschiedeten sich die Damen plötzlich, sagten, es wäre nun Zeit, Gelübden nachzukommen, und machten sich bereit, den Jungen zu verlassen. In vorbereiteter List erklärten sie ihm noch den Weg zu ihrer Einsiedelei, so daß er sie finden konnte, und rannten auf wilden Pfaden rasch davon.

Sie flohen und ließen den Jungen allein, mit einem Herzen, daß nicht mehr sein eigen war, und von sehnender Liebe überwältigt streifte er sorgenvoll umher. Der Vater kehrte endlich heim, um seinen Sohn ganz beunruhigt vorzufinden, mit nur einem sich um und um drehenden Gedanken im Sinn. Er sprach: 'Warum begrüßt du mich nicht ordnungsgemäß, mein Sohn? Warum sehe ich deinen Geist so aufgewühlt heute? Ein Schüler sollte niemals solch eine traurige und seltsame Miene zeigen. Komm, mein Kind, und erklär mir schnell den Grund deiner Veränderung.' So angesprochen antwortete Rishyasring wie folgt: 'Oh Vater, heute kamen einige Menschen mit lieblichen Augen, um uns zu besuchen. Sie umarmten mich mit weichen Gliedern und hielten mich dicht an zarte Brüste gepreßt, die so rund und weich waren und sich seltsam hoben und senkten. Sie sangen noch viel süßer als sie tanzten. So etwas habe ich noch nie zuvor gehört. Sie spielten mit vielen Seitenblicken und hoben immer wieder ihre Augenbrauen.'

'Mein Sohn', erwiderte der Vater, 'es gibt hier viele Dämonen, die sich um die heiligen Einsiedler scharen und deren friedliche Heimstätten umwandern. Sie kommen, um unsere strengen Riten zu stören. Ich sage dir, vertraue ihnen niemals, mein lieber Junge, denn sie suchen nur danach, dich zu betrügen, und sie umwerben dich, um dich zu zerstören.' Nachdem er diese Warnung vor dem Feinde ausgesprochen hatte, verbrachte der Vater die Nacht zu Hause. Am Morgen, nachdem die Sonne aufgegangen war, verließ er das Haus, um in den Wald zu gehen. Rishyasring aber eilte mit eifrigen Schritten von dannen und rannte zu dem Ort, wo er die Besucher mit der zierlichen Taille und den bezaubernden Mienen gesehen hatte. Als jene den Sohn Vibhandaks eilig von ferne kommen sahen, da eilten sie dem Sohn des Einsiedlers entgegen, begrüßten ihn mit einem Lächeln und riefen: 'Oh komm mit uns, wir bitten dich, lieber Herr, und besuche unser liebliches Heim, wo wir dich in allen Ehren bewirten werden, so daß dir der Heimweg schnell vergeht.' Durch diese wohlwollenden Worte befriedet, folgte der Junge den Mädchen, wohin sie ihn führten. Und als dieser ehrenwerte Brahmane die ersten Schritte mit seinen Begleiterinnen tat, da ergoß sich eine Flut Regen aus dem Himmel, welche die ganze Erde erfreute.

Mittlerweile nahm Vibhandak seinen Weg nach Hause, und schwer beladen mit Wurzeln und Früchten des Waldes betrat er seine Hütte. Matt sah er sich nach seinem Sohn um, doch er fand die Hütte verlassen. Niemand stand bereit, ihm die Füße zu waschen, und, obwohl ermüdet von Arbeit und Hitze, lief er gleich los, um den Jungen zu suchen. Er rief und schrie und suchte im Wald, doch alles vergebens. Nirgends konnte er eine Spur seines Sohnes finden. Denn bereits am frühen Morgen hatte ein prächtiges Schiff den Sohn des Einsiedlers davon getragen. Laut donnerte es in den Wolken, als er dahin fuhr, der Himmel ward immer schwärzer, und als er die königliche Stadt erreichte, prasselte auch dort ein mächtiger Regen hernieder. Der große Regen kündigte dem Monarchen das Kommen seines Gastes an. Und so eilte er dem verehrten Jüngling entgegen und verbeugte sich tief vor ihm. Mit seinem eigenen Priester an der Spitze des Gefolges beschenkte er den Knaben mit den Gaben für die höchsten Gäste und suchte, wie auch alle anderen, die innerhalb der Stadtmauern lebten, seine Gunst zu gewinnen. Er speiste ihn mit dem besten Essen, bediente ihn mit unermüdlicher Sorgfalt und beobachtete mit ängstlichen Blicken, ob sich nicht irgendein Ärgernis in des Jungen Brust regte. Und er gab dem Brahmanen seine eigene, schöne, lotusäugige Tochter zur Frau.

Und so, vom König geliebt und geehrt, lebte der glorreiche Brahmane Rishyasring in der königlichen Stadt mit seiner geliebten Frau Santa an seiner Seite.

Eines Tages kam der wandernde Heilige Vibhandak aus dem Walde heraus in ein Dorf. Dort fragte er die Bauernburschen und Kuhhirten, wer dieses so reiche und schöne Land besaß, voller Weiler und Herden mit Vieh und Kornfeldern. Die Hirten hörten den Worten des Einsiedlers genau zu, und mit gefalteten Händen gaben sie ihm folgende Antwort: 'Der Herr der Angas, welcher den ruhmreichen Namen Lomapad trägt, übergab diese Weiler mit all dem Vieh und Reichtum dem Rishyasring als Zeichen seiner Dankbarkeit, von welchem gesagt wird, er sei Vibhandaks Sohn.' Da gestand sich der Einsiedler mit frohlockender Brust die gewaltige Macht des Schicksals ein und kehrte fröhlich mit erkennend meditierender Schau nach Hause zurück."


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