Pushpak Ramayana Buch 1Zurück WeiterNews

Canto 4 - Die fahrenden Sänger

Als Valmiki die Dichtung zu Ende gebracht hatte, begann er sich zu fragen: Wer würde denn nun über die Erde wandern und die Geschichte verbreiten? Diese Frage besorgt in seinem Herzen hegend, bekam er Besuch von seinen beiden Schülern Kusha und Lava. Und wie die beiden in ihrer Eremitenkleidung ihren Meister grüßten und seine Füße berührten, da sah Valmiki in diesem prinzlichen Zwillingspaar, welches mit sanften Stimmen und hoher Demut gesegnet war, die perfekten Sänger der Dichtung. Also lehrte er sie das mit göttlichem Wissen angefüllte Ramayana, in dem alles Niedere und Gemeine fehlt, auf daß die süßen und klaren Worte aufmerksame Ohren zum Entzücken bringen, wenn sie über das edle Leben Sitas und das Ende von Ravana in der Schlacht erfahren. Damit die Zwillinge allen große Freude spenden, die zuhören, lehrte er sie die Verse lieblich zu rezitieren, den Gesang entzückend zu gestalten, die Musik ausgewogen zu halten, und die Dichtung in rechtem Maß zu steigern durch den Ausdruck von heroischer Kraft, Zorn, Heiterkeit, Entsetzen, Zärtlichkeit, Überraschung und Zufriedenheit. Als die Zwillinge am Ende die Dichtung in ihrem Herzen trugen, halb aus Liebe zu ihrem Lehrer, halb, weil ihnen die Weise gefiel, küßte Valmiki sie auf den Kopf, während sie sich vor ihm verneigten, und sagte: "Singt das Heldengedicht, wo Weise im Schatten ruhen, singt es, wo gute Menschen weilen, in einfachen Hütten und am königlichen Hofe." Dann schwieg er.

Und so machte sich das melodiöse Paar auf den Weg, das Wort ihres Meisters zu erfüllen, wie himmlische Minnesänger, so lieblich, schön und in den göttlichen Künsten der Musik wohl unterrichtet. Wie Rama selbst, welcher ihr Vater war, verfügten sie über ein wohlgestaltetes Äußeres, als ob ihre Gestalt einer schönen Skulptur entlehnt worden war. Oft sangen sie im heiligen Kreise, wo auf ihrem Lager aus Gras viele sinnende Eremiten ruhten. Dann benetzten Tränen die sanften Augen, und bewegt und überrascht lauschte jeder der betörenden Weise, um dann entzückt zu loben: "Sehr gut! Sehr gut gemacht!" Diese Heiligen, welche wohl bewandert waren in allen Künsten, konnten gar nicht aufhören, die liebenswürdigen Sänger zu preisen. Sie staunten über der Sänger Geschick und noch mehr über die süßen Verse, welche den Weisen ein klares Bild der ruhmreichen Taten vergangener Zeiten vor Augen brachten. Unter dem Lob der tugendhaften Eremiten erhoben die Zwillinge inspiriert ihre Stimmen. Zufrieden mit dem hohen Lied gab manch Einsiedler den Jungen eine Wasserkanne, ein anderer ein schönes Gewand, der nächste köstliche Früchte aus dem Wald, ein schwarzes Hirschfell oder eine Opferkordel. Einer brachte einen Tonkrug aus seinem Vorrat, ein anderer eine gedrehte Munja- Kordel, der nächste gab in seiner Freude eine Axt, und ein anderer brachte Bänder, ihre geflochtenen Zöpfe zu binden. Wiederum der nächste brachte ein Opfergefäß oder ein Seil zum Zusammenbinden ihrer Musikinstrumente, oder es wurde ihnen etwas Brennholz zu Füßen gelegt. Einer fertigte ihnen sogar einen Schemel aus Feigenholz. Alle gaben etwas, und die, die nichts hatten, vergaßen zumindest nicht einen Segen. Einige Heilige versprachen den Jungen Gesundheit und langes Leben, andere sagten mit sichersten Worten die Erfüllung eines Wunsches zu und beglückten ihren Geist. So ehrten die heiligen Männer die lebendige Weise, welche Leben spenden kann und von der viele Sänger leben werden.

Vor Königsthronen und in überfüllten Hallen sangen sie ihr Lied und ernteten viel Lob. Auch Rama hörte zufällig von den Sängern, gerade als er mitten im Pferdeopfer war. Schnell schickte er fähige Boten aus, die Zwillinge zu ihm zu bringen. Als die beiden am Königshofe eintrafen, erblickten sie den Monarchen auf einem hohen goldenen Throne, von seinen Brüdern umgeben, inmitten vieler Minister und anderer Nobelmänner, die in langen Reihen sitzend dem Könige zur Verfügung standen. Rama sah das jugendliche Paar eine Weile schweigend an, wie es anmutig und in bescheidener Haltung vor ihm stand, dann sprach er zu Lakshmana und dem Rest: "Kommt und hört die wunderbare Weise, die dieses göttergleiche Paar uns rezitiert, die lieblichen Sänger dieser Geschichte voller Melodie und erhabener Gedanken." Und die Zwillingsbrüder erhoben ihre lieblichen und starken Stimmen, entrollten die ganze Woge des edlen Gedichtes und betonten geschickt jede Handlung mit passendem Tonfall und angenehmer Aussprache. Und während inmitten der Versammlung die Weise laut und klar erklang, erschauerte großes Entzücken jeden Anwesenden bis ins Mark. Da sprach Rama: "Diese Sänger, die in Valmikis schattiger Einsiedelei ihr heiliges Leben lebten, sind wahrlich mit allen hohen und prinzlichen Eigenschaften ausgezeichnet und sollen meine Taten in ihrem Lied wie ein Monument besingen, welches die Zeiten überdauert."

Daraufhin durchflutete große Freude die Brust der Zwillinge und mit noch größerer Inspiration sangen sie das große Gedicht, während jedes Herz in freudiger Bewegung schlug, und mit gespannter Aufmerksamkeit hörten der König und sein Hofstaat stillschweigend zu:


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