Pushpak Markandeya PuranaZurück WeiterNews

Kapitel 39 - Über den Yoga

Dattatreya sprach:
Der Yogi geht jenseits der Unwissenheit und findet Erlösung. Er überwindet die Bedrängungen durch äußere Formen (Natur, Prakriti) und wird eins mit Brahman. Oh König, Erlösung fließt aus dem Yoga und Yoga aus der Weisheit. Die Weisheit wird aus dem Leiden geboren. Sie offenbart sich demjenigen, dessen Bewusstsein mit dem Selbst verbunden ist.

Deshalb sollte ein Mensch, der Erlösung wünscht, die Anhaftung auflösen. Das Auflösen der Anhaftung führt zum Untergang des Egoismus. Weniger Egoismus bringt mehr Zufriedenheit. Zufriedenheit führt zur Einsicht in die vollkommenen Unvollkommenheiten dieser Welt. Wie die Zufriedenheit aus der Weisheit entspringt, so entspringt auch die Weisheit aus der Zufriedenheit. In diesem Haus möge der Mensch leben, mit dieser Nahrung möge er sich ernähren. Dies wird Weisheit genannt, die zur Befreiung führt. Alles andere ist Wissen, das Anhaftung bringt, und wird in dieser Hinsicht als Unwissenheit bezeichnet.

Indem man die Früchte von Tugend und Sünde erntet, die täglichen Pflichten und Riten ohne jeden Wunsch ausführt, die bereits angesammelten Handlungen auflöst und neue Handlungen nicht ansammelt, wird dieser Körper vom Rad der Bindungen erlöst.

Oh König, erkenne diesen Yoga, wie ich ihn dir beschrieben habe. Indem er diesen Yoga erwirbt, sucht ein Mensch Zuflucht bei niemand anderem, als dem ewigen Brahman.

Der Yogi sollte zuerst sich selbst überwinden, durch die Erkenntnis vom Selbst. Desto mehr er sich selbst überwindet, desto weniger wird er überwunden. Du solltest bestrebt sein, jeglichen Egoismus aufzulösen.

Höre, ich werde dir die verschiedenen Mittel beschreiben: Durch Pranayama (Kontrolle der Lebensenergie) sollte er die körperlichen Hindernisse, durch Dharana (Achtsamkeit & Konzentration) die geistigen Hindernisse, durch Pratyahara (Enthaltsamkeit) die Sinnesobjekte und durch Dhyana (Meditation) die Gunas des ungezügelten Geistes auflösen.

Wie unter starker Hitze alle Unreinheiten vom Gold getrennt werden, so werden durch die Züglung der Lebensenergien die sinnlichen Hindernisse entfernt. Ein Yogi sollte sich zuerst um die Kontrolle der Atmung bemühen. Die (daraus resultierende) Kontrolle über die zwei Lebensenergien von Prana und Apana wird (als das Ziel von) Pranayama genannt. Pranayama ist von dreierlei Art, nämlich Laghu, Madhyama und Uttama (schnell, mittel und langsam). Höre, oh Alarka, ich werde dir diese Maße erklären. Ein Laghu sind zwölf Matras. Madhyama ist zweimal so lang und Uttama wird als dreimal so lang beschrieben. Die Zeit, die für das Öffnen und Schließen der Augenlider benötigt wird, ist die Länge eines Matra. Um der Atemlänge ein Maß zu geben, ist die Länge eines Laghu mit zwölf Matras beschrieben worden. Durch die erste Art sollte die Transpiration (Angst), durch die zweite das Zittern (Unruhe) und durch die dritte die Niedergeschlagenheit (Dumpfheit) überwunden werden.

Wie der Löwe, der Tiger und der Elefant durch Zähmung beruhigt werden, so wird das Prana von den Yogis unter Kontrolle gebracht. Wie ein Elefantenführer einen wütenden Elefanten gemäß seinem Willen zähmt, so meistert der Yogi den Fluss der Lebensenergie, das Prana. So, wie ein gezähmter Löwe nur das Wild tötet und nicht die Menschen, so zerstört die kontrollierte Lebenskraft die Hindernisse und nicht den Körper. Deshalb sollte ein Yogi das Pranayama fleißig üben.

Höre jetzt von vier heilsamen Zuständen des Pranayama, welche die Früchte auf dem Weg zur Erlösung sind. Oh König, sie heißen Dhvasti, Prapti, Samvit und Prasada. Über ihre Eigenschaften sagt man: Der Zustand, in dem die Früchte der (angesammelten) guten oder schlechten Taten aufgelöst werden und damit die Hindernisse des Geistes, wird Dhvasti genannt. Der Zustand, in dem der Yogi grundlegend alle Wünsche hinsichtlich dieser und der jenseitigen Welt auflöst, welche durch Anhaftung und Unwissenheit entstehen, wird Prapti genannt. Der Zustand, in dem der Yogi aufgrund höchster Erkenntnis mit der Energie von Sonne, Mond, Sternen und Planeten eins wird, Vergangenheit und Zukunft durchschaut und selbst die unsichtbaren oder weit entfernten Dinge erkennen kann, wird Samvit genannt. Der Zustand eines Yogis, in dem das Denken, die fünf vitalen Winde, die Sinnesorgane und die Sinnesobjekte rein sind, wird Prasada genannt.

Höre, oh König, ich werde jetzt die Eigenschaften von Pranayama und den Körperhaltungen (Asanas) beschreiben, die für jene überliefert wurden, die den Yoga-Weg gehen möchten: In verschiedenen Körperhaltungen, wie zum Beispiel Padmasana (Lotussitz), Ardhasana (Halblotussitz) und Swastikasana (einfacher Sitz), sollte man im Geist die mystische Silbe OM rezitieren und sich im Yoga üben. Aufrecht sitzend, mit geradem Rücken, die Beine verschränkt, den Mund geschlossen und die Schenkel stabil gelagert, sollte man seinen Geist kontrollieren und so sitzen, dass die Fersen den After oder das Geschlechtsorgan nicht berühren. Der Kopf möge leicht geneigt sein, so dass die Zähne nicht aufeinander liegen. Der Blick sei entspannt auf die Nasenspitze gerichtet und von jeder Ablenkung zurückgezogen. Das Absinken in die Dumpfheit (Tamas) zügele man durch Leidenschaft (Rajas) und die Leidenschaft durch liebende Güte (Sattwa). In der liebenden Güte verweilend sollte der Yogi den Yoga üben.

Die Sinne beständig von ihren Sinnesobjekten zurückziehend und die Geistes- und Lebenskräfte zügelnd, möge man Pratyahara (Enthaltsamkeit) praktizieren. Wie eine Schildkröte ihre Glieder in sich zurückzieht, so mag er seine Wünsche von den Objekten zurückziehen, seinen Geist auf das Selbst konzentrieren und das Göttliche im Menschlichen erkennen.

Dieser weise Mensch sollte, nachdem er sich äußerlich und innerlich vom Hals bis zum Bauchnabel abwärts gereinigt hat, seinen Körper mit Lebensenergie füllen, um die Übung von Dharana (Konzentration) zu beginnen. Die zwölf Formen von Pranayama werden ebenfalls Dharana genannt. Und diese zwei Dharanas werden von den Wahrheit schauenden Yogis auch als Yoga bezeichnet. Wenn ein Yogi, sich unablässig selbst zügelnd, den Yoga übt, werden alle seine Hindernisse aufgelöst, und er gelangt zu einem friedlichen Zustand und schaut das Brahman jenseits der Grundeigenschaften der Natur (Gunas), jenseits der kleinsten Teilchen, des größten Raumes und der reinsten Seele.

So sollte sich ein Yogi durch Pranayama in maßvoller Zurückhaltung üben. Mit Achtsamkeit möge er kleine Schritte vorangehen, wie jemand, der das dünne Dach eines Hauses besteigt. Denn bis der Mensch den brüchigen Boden seiner Körperlichkeit nicht überwunden hat, vermehren sich unaufhörlich all die Leidenschaften, Krankheiten und die Unwissenheit. Man sollte sich auf solch brüchigem Boden niemals sicher fühlen.

Die Zurückhaltung (bzw. Zügelung) wird hinsichtlich der Lebensenergie Pranayama genannt. Hinsichtlich des umherwandernden Geistes heißt sie Dharana und bezüglich der Sinne, die von den Sinnesobjekten zurückgezogen werden, Pratyahara. Diese Mittel wurden von den großen Yogis und Rishis aufgezeigt, um die allgemeinen Hindernisse auf dem Yoga-Weg aufzulösen.

So, wie ein durstiger Mensch langsam das Wasser aus einem Krug trinkt, so sollte der Yogi ohne jede Anstrengung die Luft einatmen. Dharana oder Konzentration sollte zuerst auf den Bauchnabel, dann auf Herz, Brust, Kehle, Mund, Nasenspitze, Augen, den Raum zwischen den Augenbrauen, den Scheitel und zum Schluss auf den höchsten Geist gerichtet werden. Diese Konzentration wird als die Beste genannt. Das sind die zehn Formen der Konzentrationsübung von Dharana, die zur Vereinigung mit der Ewigen Seele gereichen.

Wenn ein Yogi, oh König, den Yoga-Weg erfolgreich gehen möchte, dann sollte er sich nicht im Yoga üben, wenn er sehr hungrig, ermüdet oder besonders aufgeregt ist. Noch sollte er in äußerst kalter oder heißer Umgebung oder bei starkem Wind Yoga bzw. Meditation ausführen. Er sollte überhaupt alle Extreme meiden, wie sehr laute Orte in der Nähe von Feuer oder Wasser, verfallene Kuhgatter, Kreuzungen von Straßen, verfaultes Laub, Flüsse mit Krokodilen, Leichenverbrennungsplätze, gefährliche Orte, den Rand von Brunnen, Grabsteine, Ameisenhaufen oder ähnliches. Solange die Qualität der liebenden Güte (Sattwa) nicht ausreichend entwickelt ist, sollten solche extremen Zeiten und Orte vermieden werden. Extreme äußere Bedingungen sind für den Yoga nicht besonders förderlich.

Jene, die in übermäßiger Leidenschaft praktizieren und die Bedingungen von Ort und Zeit missachten, werden auf ihrem Yoga-Weg auf zusätzliche Hindernisse treffen. Höre, ich werde diese beschreiben: Solch ein unwissender Mensch wird durch Schwäche, Taubheit, Stummheit, Blindheit, Gedächtnisverlust und Fieber gequält. Wenn der Yogi durch seine Achtlosigkeit von diesen Übeln heimgesucht wird, dann höre, wie ich die Heilmittel dafür beschreibe. Für die Heilung von Gulmas, das durch eine Störung des Windes verursacht wird, sollte man lang gekochten Yavagu (Reisschleim) essen, nachdem er etwas abgekühlt ist, und auf den gequälten Bereich, den Bauchnabel und den Magen anwenden. Yavagu und Luft wirken gegen alle Erkrankungen aufgrund von Störungen der Winde. Um das Zittern zu überwinden, sollte er sich im Geist einen riesigen und unbeweglichen Berg vorstellen. Von Stummheit gequält, möge er über das Organ der Sprache meditieren, bei Taubheit über das Organ des Hörens, wie ein von Durst Gequälter sich eine saftige Mangofrucht auf der Zunge vorstellt. Was auch immer für ein Körperteil erkrankt ist, dort sollte das Heilmittel angewendet werden (geistig & körperlich) - Hitze gegen Kälte, Kälte gegen Hitze. Sein verlorenes Gedächtnis kann ein Yogi sofort wiedergewinnen, wenn er ein Stück Holz auf seinen Kopf legt und es mit einem anderen Stück Holz beklopft. Er möge sich auch vorstellen, dass der riesige Raum zwischen Erde und Himmel mit (reinigendem) Gewitter, Sturm und Feuer gefüllt ist. Folgendes wird als heilsames Mittel für übermenschliche Hindernisse empfohlen. Wenn irgendein übermenschliches Wesen in den Geist des Yogis eintritt, sollte er es in seinem Körper durch die Visualisierung von Feuer und Wind auflösen.

So, oh König, sollte ein Yogi achtsam seinen Körper schützen, weil dieser die Basis für das Erreichen von Tugend, Wohlstand, Liebe und Erlösung (Dharma, Artha, Kama und Moksha) ist. Durch die Beschreibung seiner subtileren Erfahrungen, der Neigungen und Wunderlichkeiten schwindet dem Yogi seine Weisheit. Deshalb sollten diese möglichst ein Geheimnis bleiben.

Ein zunehmend ruhiger Geist, weniger Kranksein und Sorgen, angenehmer Geruch, gesunde Verdauung und wenig Nahrungsbedarf, zunehmendes Mitgefühl, geistiges Entzücken und eine wohlklingende Stimme - dies sind die allgemeinen Tendenzen auf dem Yoga-Weg. Aber die vorzüglichste Eigenschaft auf diesem hohen Pfad besteht darin, dass er allen lieb ist und kein Wesen ihn fürchtet. Nur ein Yogi erlangt Vollkommenheit, der frei von Hindernissen ist, frei von den Extremen wie Kälte und Hitze, und jegliche Furcht überwunden hat.


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