Pushpak Mahanirvana-TantraZurück WeiterNews

Kapitel 7 - Die Hymne der Göttin und das Schutzgebet

Parvati war höchst erfreut über die Offenbarung des vorzüglichen Mantras der Urgöttin Kalika (der höchsten Natur), das umfassenden Segen gewährt und der vorzüglichste Weg zu Brahman-Erkenntnis, Wohlergehen und Befreiung ist, wie auch die Offenbarung über die Morgenriten, die Regeln des Reinigungsbades, die Wandlung der Göttin (Sandhya), die innere Reinigung des Bewußtseins, das Berühren und Verbinden (Nyasa), die Verehrungsriten, das Tieropfer, das Feueropfer (Homa), das Bewußtsein über die Kreise der Verehrung und die heiligen Speise- und Trinkriten. Daraufhin verneigte sich die höchste Göttin voller Demut und sprach zu Shankara:
Oh ewiggütiger Shiva, oh Herr und Wohltäter des Universums, du sprachst in deiner Güte über die Verehrungsriten der höchsten Natur, die zum Wohle aller Wesen wirken, dem vorzüglichsten Weg für sowohl höchste Freude als auch höchste Befreiung, der vor allem in diesem dunklen Kali-Zeitalter absehbaren Erfolg gewähren kann. Mein Geist badet im Ozean des Nektars deiner Worte, begehrt nichts anderes und wünscht sich noch mehr davon. Oh Gottheit, du erwähntest in deinen Worten die Hymne zum Lob der Göttin und das Schutzmantra. Ich bitte dich, offenbare mir Beides.

Und der ewiggütige Shiva sprach:
Oh Göttin, die in allen Welten verehrt wird, höre diese unvergleichliche Hymne, die durch Rezitieren oder Hören alle höheren Mächte gewähren kann (die acht Siddhis: Körperlosigkeit, schwebende Leichtigkeit, unendliche Größe, Alldurchdringung, Willensfreiheit, Allbeherrschung, Schöpferkraft und Wunscherfüllung). Diese Hymne währt jedes Unglück ab und fördert Glück und Wohlstand. Sie verhindert vorzeitigen Tod und alle Arten von Leiden. Oh Göttin, diese Hymne der Urgöttin Kalika ist die Quelle aller Glückseligkeit. Durch ihren Segen wurde ich zum Sieger über die dreifache Dämonenstadt Tripura (und habe Erde, Unterwelt und Himmel gewonnen). Oh ewige Göttin, der Rishi dieser Hymne bin ich selbst, der ewiggütige Shiva, ihr Metrum ist Anushtubh, das Versmaß der Veden, ihre Göttin ist die ursprüngliche Kalika, und ihr Ziel ist die Einheit von Dharma, Artha, Kama und Moksha (der vier Lebensziele von Tugend, Reichtum, Liebe und Befreiung). So höre nun diese Hymne, die man „Das wahre Wesen der ganzen Natur“ nennt (Adya-Kali-Svarupa):

hrīṁ kālī - Oh Shakti der Schöpfung, Verkörperung der Illusion und Vernichterin der Dunkelheit
śrīṁ karālī - Oh Shakti der Erhaltung, die alle Wesen mit Furcht erfüllt
krīṁ kalyāṇī - Oh Shakti der Auflösung, die höchstes Wohlergehen gewährt
kalāvatī - Du verkörperst und beherrschst alle Künste
kamalā - Du bist Lakshmi, die Lotusgöttin des Wohlstandes
kalidarpaghnī - Du vernichtest den Stolz im dunklen Kali-Zeitalter
kapardīśakr̥pānvitā - Du bist die Liebe vom Träger der verfilzten Locken
kālikā - Du verschlingst die allesverschlingende Dunkelheit
kālamātā - Du bist die Mutter der Zeit
kālānalasamadyutiḥ- Du bist so strahlend wie das Feuer der Auflösung
kapardinī - Du selbst trägst verfilzte Locken
karālāsyā - Du mit dem ehrfurchtgebietenden Angesicht
karuṇāmr̥tasāgarā - Du bist der Ozean des Mitgefühls
kr̥pāmayī - Du bist die Verkörperung der Güte
kr̥pādhārā - Du bist die Trägerin der Güte
kr̥pāpārā - Deine Güte ist grenzenlos
kr̥pāgamā - Du bist nur durch deine Güte zu gewinnen
kr̥śānuḥ - Du stehst über aller Güte
kapilā - Du gewährst jede Nahrung
kr̥ṣṇā - Du bist die Dunkle, die überall wirkt
kr̥ṣṇānandavivarddhinī - Du bist die Freude des Schöpfers
kālarātriḥ - Du bist die Dunkelheit der egoistischen Illusion
kāmarūpā - Du bist die Verkörperung der Begierde
kāmapāśavimōcanī - Du bist die Befreierin von den Fesseln der Begierde

kādambinī - Du bist wie eine dunkle Regenwolke
kalādhārā - Du bist die Trägerin aller Künste und Eigenschaften
kalikalmaṣanāśinī - Du vernichtest die Sünde im Kali-Zeitalter
kumārīpūjanaprītā - Du liebst die Verehrung mit reinem Geist
kumārīpūjakālayā - Du bist die Zuflucht der reinen Verehrer
kumārībhōjanānandā - Du erfreust dich an der reinen Entsagung
kumārīrūpadhāriṇī - Du selbst bist die Verkörperung der Reinheit
kadambavanasañcārā - Du wanderst im Kadamba-Wald
kadambavanavāsinī - Du wohnst in den Kadamba-Bäumen
kadambapuṣpasantōṣā - Dich erfreuen die Kadamba-Blüten
kadambapuṣpamālinī - Du trägst eine Girlande aus Kadamba-Blüten
kiśōrī - Du bist ewig jung
kalakaṇṭhā - Dein Hals ist dunkel
kalanādaninādinī - Deine Stimme ist widerhallend
kādambarīpānaratā - Du trinkst Kadamba-Wein
kādambarīpriyā - Du erfreust dich am Kadamba-Wein
kapālapātraniratā - Dein geliebtes Trinkgefäß ist die Schädelschale
kaṅkālamālyadhāriṇī - Du trägste eine Girlande aus Köpfen
kamalāsanasantuṣṭā - Du erfreust dich am Lotus der Schöpfung
kamalāsanavāsinī - Du sitzt auf dem Lotusthron
kamalālayamadhyasthā - Du wohnst in der Mitte des Lotus
kamalāmōdamōdinī - Du wirst vom Lotusduft berauscht
kalahaṁsagatiḥ - Du läufst schwankend wie ein Schwan
klaivyanāśinī - Du bekämpfst die Ungerechtigkeit
kāmarūpiṇī - Du bist das innerste Wesen der Begierde
kāmarūpakr̥tāvāsā - Du wohnst in jeder Form der Liebe
kāmapīṭhavilāsinī - Du bist die Trägerin der Liebe
kamanīyā - Du bist die sinnliche Liebe selbst
kalpalatā - Du verkörperst jegliche Wünsche
kamanīyavibhūṣaṇā - Du bist die verkörperte Schönheit
kamanīyaguṇārādhyā - Du bist die Empfindsame und Verletzliche
kōmalāṅgī - Dein Körper ist zart
kr̥śōdarī - Deine Taille ist wohlgeformt
kāraṇāmr̥tasantōṣā - Du gibst den Nektar der Erfüllung
kāraṇānandasiddhidā - Du führst uns zur Glückseligkeit
kāraṇānandajāpēṣṭā - Du erlöst deine reinen Verehrer
kāraṇārcanaharṣitā - Du erfreust dich an jedem Opfer
kāraṇārṇavasammagnā - Du verursachst das Kreisen der Natur
kāraṇavratapālinī - Du beschützt die Gelübdetreuen
kastūrīsaurabhāmōdā - Du gibst den Hirschen den Moschus-Duft
kastūrītilakōjjvalā - Dein Tilaka-Zeichen ist der Moschus-Duft
kastūrīpūjanaratā - Du erfreust dich hingebungsvoll am Moschus
kastūrīpūjakapriyā - Du wirst gern mit Moschus verehrt
kastūrīdāhajananī - Du bist die Mutter des Moschus-Duftes
kastūrīmr̥gatōṣiṇī - Du segnest die Hirsche mit Moschus
kastūrībhōjanaprītā - Du liebst die Speise mit Moschus
karpūrāmōdamōditā - Dich erfreut der Kampfer-Duft im Opfer
karpūramālābharaṇā - Du trägste eine Girlande mit Kampfer-Duft
karpūracandanōkṣitā - Dein Körper duftet von Kampfer und Sandelpaste

karpūrakāraṇāhlādā - Du gewährst Freude am Kampfer
karpūrāmr̥tapāyinī - Du trinkst den reinen Nektar mit Kampfer-Duft
karpūrasāgarasnātā - Du reinigst dich in einem Ozan aus Kampfer
karpūrasāgarālayā - Du wohnst in einem Ozean voll Kampfer-Duft
kūrcabījajapaprītā - Du liebst das Japa mit der Keimsilbe „huṁ“
kūrcajāpaparāyaṇā - Du wirst mit der Keimsilbe „huṁ“ beschützt
kulīnā - Du bist die Vielfalt in der Einheit
kaulikārādhyā - Du wirst von den Kulikas als Einheit verehrt
kaulikapriyakāriṇī - Du führst die Kulikas zum Wohlergehen
kulācārā - Du bist der Kula-Weg der Verbundenheit
kautukinī - Du bist die natürliche Freude
kulamārgapradarśinī - Du verkündest den Kula-Weg
kāśīśvarī - Du bist die Königin von Kashi (Varanasi)
kaṣṭahartrī - Du heilst uns von allen Leiden
kāśīśavaradāyinī - Du bist der Segen von Shiva, dem Herrn von Kashi
kāśīśvarakr̥tāmōdā - Du bist die Seligkeit des Herrn von Kashi
kāśīśvaramanōramā - Du bist die Liebe des Herrn von Kashi
kalamañjīracaraṇā - Du bewegst dich, um die Dunkelheit zu vernichten
kvaṇatkāñcīvibhūṣaṇā - Du trägst einen Gürtel aus klingenden Glöckchen
kāñcanādrikr̥tāgārā - Du wohnst im Meru, dem goldenen Berg
kāñcanācalakaumudī - Du bist das Mondlicht über dem goldenen Berg
kāmabījajapānandā - Du erfreust dich an der Kama-Keimsilbe „klīṁ“
kāmabījasvarūpiṇī - Du bist das Wesen der Kama-Keimsilbe „klīṁ“
kumatighnī - Du bekämpfst alle übelgesinnten Neigungen
kulīnārtināśinī - Du vernichtest die Leiden der Kulikas
kulakāminī - Du bist die Göttin der Kula-Verehrer
krīṁ hrīṁ śrīṁ - Du befreist uns als Einheit von Vernichtung, Schöpfung und Bewahrung von der Angst des Todes.

Diese gelten als die hundert Namen von Kalika. Sie beginnen alle mit „k“ und preisen das wahre Wesen der Mutter Natur. Wer diese Namen im Ritus mit Verehrung rezitiert und seinen Geist auf das Wesen der Natur richtet, der erlangt schnell die Kraft der Mantras, und die Göttin ist mit ihm zufrieden. Wie es sein geistiger Lehrer wünscht, empfängt er Intelligenz und Erkenntnis und wird mit Reichtum, Ruhm, Freigebigkeit und Mitgefühl gesegnet. So erfreut er sich lebendig mit seinen Kindern und Enkelkindern an Wohlstand und Herrschaft in dieser Welt. Wer am Neumond (Amavasya, die dunkelste Nacht), wenn er auf einen Dienstag fällt, die große Kali, die Königin der drei Welten, mit den fünf Prinzipien der Bindung (Wein, Fleisch, Fisch, Samen und Vereinigung) verehrt und ihre hundert Namen rezitiert, wird vom Bewußtsein der Göttin erfüllt, wird Eins mit ihr, und es gibt nichts mehr in den drei Welten, das für ihn unerreichbar wäre. An Wissen wird er wie Vrihaspati, der Lehrer der Götter, an Reichtum wie Kuvera, der Gott des Reichtums, an Tiefgründigkeit wie der Ozean und an Stärke wie der Wind. Er strahlt so herrlich wie die Sonne und so liebevoll wie der Mond. An Schönheit gleicht er dem Liebesgott Kama und erreicht die Herzen aller Frauen. Durch die Kraft dieser Hymne wird er überall siegreich sein, und alle seine Wünsche werden sich durch die Gunst der Göttin erfüllen, sei es im Kampf, vor Königen, in Spiel oder Redestreit, in Lebensgefahren, unter Räubern oder wilden Tieren, in Feuersbrünsten, tiefen Wäldern oder einsamen Wüsten, im Gefängnis, bedrängt von Tyrannen oder unheilvollen Planeten, in brennendem Fieber, langer Schwäche oder schlimmster Krankheit, in quälenden Träumen, auf weitesten Gewässern oder in schrecklichsten Stürmen. Oh Göttin, wer mit ganzer Hingabe über die allumfassende Illusion meditiert und das göttlich-geistige Wesen der ganzen Natur erkennt, wird zweifellos von allen Gefahren befreit. Für ihn gibt es keine Angst mehr, weder vor Unglück noch vor Krankheit. Er geht von Sieg zu Sieg und muß keine Niederlage mehr fürchten. Schon bei seinem Anblick fliehen alle Gefahren. Er versteht die Schriften, erfreut sich eines guten Schicksals, wird zum tugendhaften Vorbild seiner Kaste und von seinen Mitmenschen geachtet. Die Göttin der Rede wohnt stets auf seiner Zunge und die Göttin des Wohlstandes in seinem Haus. Die Menschen hören respektvoll seinen Namen, und die acht großen Siddhis wie Körperlosigkeit usw. erkennt er wie einfache Grashalme.

Damit habe ich dir die Hymne der hundert Namen erklärt, die auch „Das wahre Wesen der ganzen Natur“ genannt wird. Wer in den vorbereitenden Riten diese Namen 108mal rezitiert, wird jedes gewünschte Ziel erreichen. Wer diese Lobeshymne der hundert Namen rezitiert oder von anderen rezitieren läßt, hört oder anderen vorträgt, bereinigt alle Sünden und geht den Kula-Weg zur Einheit des Brahmans.

Der ewiggütige Shiva fuhr fort:
Oh Göttin, damit habe ich die große Hymne der Mutter Natur offenbart, die mit dem Brahman eins ist. Höre nun das Schutzgebet der heiligen Mutter. Das Gebet nennt man „Sieg der drei Welten“ (Trailokya-Vijaya), sein Rishi ist Shiva, sein Metrum ist Anushtubh (das Versmaß der Veden), und seine Göttin ist die große Kali. Seine Wurzel ist die Maya-Keimsilbe „hrīṁ“, seine Energie ist die Shakti „śrīṁ“, und sein Ende ist „krīṁ“. Dieses Schutzgebet sollte benutzt werden, um alle Wünsche zu erfüllen:

Möge „hrīṁ“, die Shakti der Schöpfung, meinen Kopf beschützen.
Möge „śrīṁ“, die Shakti der Erhaltung, mein Gesicht beschützen.
Möge „krīṁ“, die große Shakti der Auflösung, mein Herz beschützen.
Möge Paratpara, die höchste Shakti, meine Kehle beschützen.
Möge Jagaddhatri, die Mutter des Universums, meine beiden Augen beschützen.
Möge Shankari, die Segensreiche, meine beiden Ohren beschützen.
Möge Mahamaya, die Illusion der Schöpfung, meine Nase beschützen.
Möge Sarvamangala, die Allvorzügliche, meine Haut beschützen.
Möge Kaumari, die Göttin des Kampfes, meine Zähne beschützen.
Möge Kamalalaya, die im Lotus wohnt, meine Wangen beschützen.
Möge Kshama, die Vergebende, meine Lippen beschützen.
Möge Charuhasini, die Süßlächelnde, mein Kinn beschützen.
Möge Kuleshani, die Göttin der Kulikas, meinen Nacken beschützen.
Möge Kripamayi, die Mitfühlende, meinen Buckel beschützen.
Möge Bahuda, die Stärkende, meine Arme beschützen.
Möge Kaivalyadayini, die Befreiende, meine Hände beschützen.
Möge Kapardini, die verfilzte Locken trägt, meine Schultern beschützen.
Möge Trailokyatarini, die Retterin der drei Welten, meinen Rücken beschützen.
Möge Aparna, die Asketin, meine beiden Seiten beschützen.
Möge Kamathasana, die geduldig Tragende, meine Hüften beschützen.
Möge Vishalakshi, die Großäugige, meinen Nabel beschützen.
Möge Prabhavati, die Strahlende, mein Geschlechtsorgan beschützen.
Möge Kalyani, die Erlösende, meine Schenkel beschützen.
Möge Parvati, die Tochter des Himalaya, meine Füße beschützen.
Möge Jayadurga, die Siegreiche, meinen Lebensatem beschützen.
Möge Sarvasiddhida, die Allgewährende, alle meine Gelenke und Glieder beschützen.
So möge die ewige und ursprüngliche Mutter Natur meinen ganzen Körper beschützen mit allen Teilen, die Schutz bedürfen.

Damit habe ich dir das wundervolle und himmlische Schutzgebet der großen Göttin Kalika offenbart, das man „Sieg der drei Welten“ nennt. Wer es in seinen Verehrungen mit einem Geist, der auf das Große gerichtet ist, wiederholt, der erreicht all seine Ziele, und die Göttin wird mit ihm freundlich sein. Schon bald wird er die Früchte der Mantras gewinnen, und alle natürlichen Mächte werden ihm dienen. Der Kinderlose wird mit einem Sohn gesegnet, der Arme mit Reichtum, der Lernende mit Wissen und der Wünschende mit Erfüllung. Das Mantra-Yoga (Purascharana) mit diesem Schutzgebet ist die 1008fache Wiederholung, um das große Ziel zu erreichen. Wer es mit Sandel, Aloe, Moschus, Safran oder rotem Sandel auf Birkenrinde schreibt, in ein goldenes Gefäß einschließt und am rechten Arm, im Haar oder um Hals oder Hüfte trägt, dem wird die große Göttin gnädig sein und alle Wünsche erfüllen. Nirgends braucht er sich noch zu fürchten, und er wird von Sieg zu Sieg gehen. Er wird redegewandt, gesund, langlebig, stark, ausdauernd und gelehrt sein. Ihm werden sich alle Schriften offenbaren und selbst Könige beugen. Beides, Glück und Erlösung, hält er damit in seinen Händen. Für Menschen, die vom Makel des Kali-Zeitalters gequält werden, ist es ein höchst vorzügliches Gebet auf dem Weg der großen Befreiung.

7.1. Mantra-Yoga - Purascharana

Da sprach die vorzügliche Göttin:
Oh Herr, du hast aus Mitgefühl meine Hymne und das Schutzgebet verkündet. Bitte erkläre nun auch das Mantra-Yoga.

Und der ewiggütige Shiva antwortete:
Die Regeln für das Mantra-Yoga in der Verehrung der großen Kalika sind die gleichen wie für das Mantra-Yoga mit dem Brahman-Mantra. (Dazu gehören Reinigung, Nyasa, Pranayama, Meditation, Puja, Japa, Feueropfer usw..) Wenn der Übende Japa, Puja und Feueropfer nicht vollständig ausführen kann, dann sollte er sie abkürzen. Denn es ist besser, das Mantra-Yoga gekürzt als gar nicht zu üben. Oh liebste Dame, höre nun, wie ich die gekürzte Form der Verehrung beschreibe. Zuerst sollte der Gelehrte seinen Mund spülen und das Rishi-Nyasa ausführen. Dann reinigt er seine Hände und übt das Hand- und Glieder-Nyasa (Kara & Anga). Nachdem er seine Hände über den ganzen Körper bewegt hat, übt er Pranayama, meditiert, verehrt und murmelt das Mantra. Das ist die abgekürzte Zeremonie der Verehrung.

In dieser Form des Mantra-Yogas sollte man anstatt des Feueropfers und anderer Riten die Mantras viermal mehr murmeln, wie im jeweiligen Ritus vorgeschrieben wird. Eine andere Art des Mantra-Yogas ist folgende: Wenn der vierzehnte Tag der dunklen Monatshälfte auf einen Dienstag oder Samstag fällt, sollte der Schüler die große Göttin mit den fünf Arten der Verehrung verehren, während der Nacht mit konzentriertem Geist das Mantra zehntausendmal murmeln und dieses Yoga mit der Speisung von Brahman-Verehrern abschließen. Alternativ kann man auch von Dienstag bis Dienstag das Mantra täglich tausendmal murmeln, und diese achttausend gelten ebenfalls als Mantra-Yoga.

Oh Göttin, in allen Zeitaltern, aber vor allem im Kali, gelten die heiligen Mantras der großen Kalika als höchst wirksam und führen zum großen Ziel. Oh Parvati, im ganzen Kali-Zeitalter ist Kali in verschiedenen Formen stets wachsam. Doch gerade, wenn das Kali-Zeitalter besonders stark herrscht, wirkt sie auch am Stärksten zum Wohlergehen der Welt. (Die Prinzipien, die uns am meisten binden, werden zum Weg der Befreiung.) Ob der Übende mit höheren Mächten begabt ist oder nicht, ob er freundlich oder feindlich erscheint, ob er die Riten vollkommen oder unvollkommen befolgt, wer die Mantras der Göttin übt, der erfreut sie. Durch ihre Gunst erreicht er die Erkenntnis des Brahman, und wenn ein Sterblicher das Brahman erkennt, dann wird er ohne alle Zweifel noch im Leben befreit. Oh Geliebte, dieses große Ziel kann man nicht mit egoistischer Gewalt erzwingen. Die hingebungsvolle Übung der Verehrung der großen Kali (als Mutter Natur) ist eine ganz einfache Sache. Allein durch die Reinigung des Herzens erreicht der Verehrer das Ziel aller Wünsche. Und solange das Herz nicht rein ist, solange sollte der Verehrer voller Hingabe die Riten auf dem Kula-Weg üben. Daher erkennt man die richtige Ausführung der Übung an der wachsenden Reinheit des Herzens. In gleicher Weise wie beim Brahman-Mantra sollte der Schüler das Mantra aus dem Mund seines Lehrers empfangen. Nachdem man die Morgen- und anderen Tagesriten vollbracht hat, sollte man das Mantra-Yoga üben. Dann wird im gereinigten Herzen die Erkenntnis des Brahman erwachen. Und wenn die Brahman-Erkenntnis erreicht ist, gibt es nichts, was man in dieser Welt noch erreichen oder vermeiden müßte.

7.2. Kula und der Kula-Weg - Kulachara

Da fragte die heilige Parvati:
Oh großer Gott, was ist Kula und was ist der Kula-Weg (Kulachara)? Ohr Herr, bitte erkläre mir auch die Eigenschaften der fünf großen Prinzipien der Bindung (Tattwas). Ich wünsche darüber die Wahrheit zu erfahren.

Und der ewiggütige Shiva antwortete:
Oh Königin der Kulas, deine Frage ist gut. Du bist wahrlich die Wohltäterin deiner Verehrer. So höre nun, zu deiner Freude werde ich dir alles ausführlich erklären. Die individuelle Seele (Jiva) und die Natur (Prakriti), Räumlichkeit und Zeit sowie die fünf Elemente von Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum - all diese nennt man Kulas (Familien bzw. Verbindungen). Sie zu vereinen und als Einheit des Brahman, dem All-Einen, zu erkennen, das nennt man den Kula-Weg, der zu Dharma, Artha, Kama und Moksha führt (den vier großen Lebenszielen von Tugend, Reichtum, Liebe und Befreiung). Die Verehrer, deren Geist durch die Verdienste aus Entsagung, Wohltätigkeit und Hingabe im Laufe vieler Geburten gereinigt wurde, neigen sich von selbst dem Kula-Weg zu. Wenn die Vernunft das Wesen des Kula-Weges erkennt, wächst sogleich die innere Klarheit zusammen mit der Verehrung zu den Füßen der großen Kali, der Mutter Natur. Der treffliche Schüler, der im Kula-Weg gelehrt ist und dieses höchst vorzügliche Wissen durch den Dienst am geistigen Lehrer empfangen hat, folgt diesem Weg der Einheit und verehrt die große Mutter als Königin der Einheit mittels der fünf großen Prinzipien der Bindung (von Wein, Fleisch, Fisch, Samen und Vereinigung). So kann er sich im Leben aller Segen erfreuen und erreicht befreit von Angst und Leiden die große Erlösung.

Das erste Prinzip hat die Eigenschaft eines Allheilmittels für die Menschen, das ihnen Freude bereitet und hilft, ihre Sorgen zu verdauen (Madya, Wein, sozusagen das Feuerwesen des Wassers). Doch Vorsicht, oh Geliebte, wenn dieses Prinzip nicht gereinigt ist, betäubt und verwirrt es und führt zu Streit und Krankheit. Dies sollte der Kula-Verehrer achtsam vermeiden. Für das zweite Prinzip (Mamsa, Fleisch, das Windwesen des Feuers) stehen Haustiere und wilde Tiere der Luft oder des Waldes, die als Nahrung dienen und das Denkvermögen, die Energie und die Kraft vermehren. Oh schöne Dame, die im Wasser geborenen Tiere, die dem Geschmack gefallen, Freude bringen und die Kraft der Fruchtbarkeit erhöhen, gelten als das dritte Prinzip (Matsya, Fisch, das Wasserwesen der Erde). Das vierte Prinzip hat die Eigenschaft, das es einfach zu finden ist, in der Erde gedeiht und die körperliche Grundlage für das Leben in den drei Welten ist (Mudra, Geste, Gestaltung oder Samen, das Erdwesen als lebendige Gestaltung aller Elemente). Oh Göttin, das fünfte Prinzip hat die Eigenschaft, große Seligkeit zu verursachen, ist der Ursprung aller lebenden Geschöpfe, die Schöpfung der Welt und hat weder Anfang noch Ende (Maithuna, Vereinigung von Männlich und Weiblich sowie aller anderen Gegensätze, das Raumwesen des Windes).

Oh Geliebte, erkenne, daß das erste Prinzip Feuer ist, das zweite Wind, des dritte Wasser, das vierte Erde und das fünfte Prinzip der Raum, der das ganze Universum trägt. Oh höchste Königin des Kula, wer den Kula-Weg, die fünf Kula-Prinzipien und die Kula-Verehrung erkennt, der wird noch im Leben befreit.


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