Pushpak Mahabharata Buch 9Zurück WeiterNews

Kapitel 60 - Balaramas Zorn

Dhritarashtra sprach:
Oh Suta, was sprach der mächtige Balarama, dieser Erste der Yadus, als er sah, wie der Kuru König unfair niedergeschlagen wurde? Berichte mir, oh Sanjaya, wie der Sohn von Rohini, der im Keulenkampf höchst erfahren war und alle Regeln kannte, in dieser Situation reagierte!

Und Sanjaya sprach:
Als er den Schlag gegen die Schenkel deines Sohnes sah, wurde der mächtige Balarama, dieser Erste der Kämpfer, äußerst zornig. Dieser Held, der den Pflug als Waffe trug, wirbelte seine Arme in die Luft und sprach mit empörter Stimme inmitten all der Könige:
Oh Schande auf Bhima, Schande auf Bhima! Welche Schande, daß in so einem fairen Kampf ein Schlag unter die Gürtellinie geschah! Niemals zuvor habe ich so eine Tat, wie sie Bhima vollbracht hat, in einem Keulenkampf gesehen. Unter der Gürtellinie sollte niemals ein Schlag gelandet werden. Das ist das moralische Gesetz dieses Kampfes. Bhima ist wohl ein unwissender Schuft, der die gerechten Regeln nicht kennt. Deshalb kämpft er, wie er will!

Während er diese Worte sprach, brachte Balarama seinen großen Zorn zum Ausdruck. Dann erhob der Mächtige seinen Pflug und eilte auf Bhimasena zu. Mit seiner erhobenen Waffe erschien dieser hochbeseelte Krieger wie der riesige Berg Kailash, der mit verschiedensten Arten von Metallen bunt geschmückt ist. Der mächtige Krishna jedoch, der stets der Menschlichkeit geneigt ist, ergriff den dahineilenden Balarama und hielt ihn mit seinen muskulösen und wohlgerundeten Armen zurück. In diesem Moment erschienen diese zwei ersten Helden der Yadus, der eine mit dunklem Teint und der andere mit hellem, so schön wie der Mond und die Sonne am Abendhimmel, oh König. Und um den zornigen Balarama zu beruhigen, sprach Kesava:
Es gibt sechs Arten des Wohlstandes, den eine Person haben kann: das eigene Gedeihen, das Gedeihen seiner Freunde, das Gedeihen der Freunde jener Freunde, der Untergang seiner Feinde, der Untergang der Freunde seiner Feinde und der Untergang der Freunde jener Freunde seiner Feinde. Wenn dir selbst oder deinen Freunden das Gegenteil geschieht, dann sollte man erkennen, daß der eigene Untergang droht, und deshalb muß man in solchen Zeiten bestrebt sein, ein entsprechendes Mittel zur Heilung anzuwenden. Die Pandavas mit der reinen Heldenkraft sind unsere natürlichen Freunde. Sie sind die Söhne der Schwester unseres Vaters (der Pritha) und wurden von ihren Feinden außerordentlich gequält. Außerdem ist es Pflicht, einen geleisteten Schwur zu vollbringen. Und Bhima hatte damals inmitten der Versammlung geschworen, daß er im großen Kampf mit seiner Keule die Schenkel von Duryodhana zerbrechen würde. Auch der große Rishi Maitreya, oh Feindevernichter, hatte früher Duryodhana verflucht und sprach: „Bhima wird mit seiner Keule deine Schenkel zerschlagen!“ Deshalb sehe ich keine Schuld in Bhima. So gib auch du, oh Feindevernichter, dem Zorn nicht nach! Unsere Beziehung zu den Pandavas gründet sich auf Geburt und Blut, wie auch auf unsere Herzensverwandtschaft. Ihr Wachstum ist unser Wachstum. So gib dem Zorn nicht nach, oh Bulle unter den Männern!

Als der Träger des Pflugs, der in den Regeln der Tugend wohlerfahren war, diese Worte von Vasudeva hörte, da antwortete er:
Die Tugend (bzw. Gerechtigkeit oder Dharma) wird von den Guten stets bewahrt. Sie wird jedoch beständig von zwei Kräften bedrängt, vom Wunsch nach Gewinn von den Strebsamen, und vom Wunsch nach Vergnügen von den Anhaftenden. Wer weder Tugend und Gewinn, oder Tugend und Vergnügen, oder Vergnügen und Gewinn mißachtet, und der ganzen Dreiheit von Tugend, Gewinn und Vergnügen (Dharma, Artha und Kama) folgt, der wird stets großes Glück erhalten. Weil jedoch die Tugend durch Bhimasena mißachtet wurde, ist diese Harmonie zerstört worden, von der ich gesprochen habe, egal, was du mir erzählen magst, oh Govinda!

Darauf sprach Krishna:
Man kennt dich als selbstgezügelt, wohlwollend und der Gerechtigkeit ergeben. So beruhige dich und gib deinem Zorn nicht nach! Bedenke, daß das Kali Zeitalter vor der Tür steht! Und bedenke auch den Schwur, den der Pandu Sohn getan hatte! Betrachte deshalb Bhima als einen, der seine Schuld bezahlt hat, die er seinen Feinden schuldete, und damit sein Gelübde erfüllte.

Sanjaya fuhr fort:
Diese Worte von Kesava über den Verfall der Tugend, oh König, konnten Balarama weder erheitern noch seinen Zorn zerstreuen. So sprach er in dieser Versammlung:
Nachdem Bhima auf unfaire Weise den gerechten König Duryodhana geschlagen hat, soll dieser Sohn des Pandu in der Welt als ein ungerechter Krieger gelten, und der rechtschaffene Duryodhana soll ewige Glückseligkeit erhalten! Dieser königliche Sohn von Dhritarashtra, dieser Herrscher der Menschen, der hier niedergeschlagen wurde, war ein fair kämpfender Krieger. Nachdem er jede Vorbereitung für das Opfer des Kampfes getroffen und die einleitenden Zeremonien auf dem Feld durchgeführt hatte, goß er schließlich sein Leben als Trankopfer in das Opferfeuer, das durch seine Feinde repräsentiert wurde. So hat Duryodhana sein Opfer auf rechte Weise durch die abschließende Reinigung vollendet, die durch den Ruhm repräsentiert wird, den er erreichte.

Nachdem der tapfere Sohn der Rohini, der (nach seiner Pilgerfahrt so rein) wie der Kamm einer weißen Wolke erschien, diese Worte gesprochen hatte, bestieg er seinen Wagen und fuhr nach Dwaraka zurück. Und die Panchalas mit den Vrishnis und auch die Pandavas, oh Monarch, waren ziemlich betrübt, nachdem Balarama nach Dwaravati aufgebrochen war. Daraufhin ging Vasudeva zu Yudhishthira, der tief in Melancholie versunken und von Furcht erfüllt war, der seinen Kopf hängenließ und nicht wußte, was er in seinem schweren Kummer tun sollte, und sprach folgende Worte.

Vasudeva sprach:
Oh gerechter Yudhishthira, warum hast du diese ungerechte Tat geduldet, als Bhima seinen Fuß auf das Haupt des ohnmächtigen und gefallenen Duryodhana setzte, dessen Angehörige und Freunde alle besiegt waren? Du kennst die Wege der Tugend wohl, warum sahst du, oh König, dieser Tat gelassen zu?

Und Yudhishthira antwortete:
Diese Tat, oh Krishna, als Bhima mit seinem Fuß das Haupt des Königs berührte, erhob sich aus seinem Zorn und war für mich genauso wenig angenehm, wie diese ganze Verwüstung meines Stammes. Doch wir wurden lange Zeit durch die Hinterlist der Söhne von Dhritarashtra betrogen. Sie sprachen viele grausame und beleidigende Worte zu uns. Wir wurden von ihnen sogar in die Wälder verbannt. So war das Leiden sehr groß, das sich aufgrund all dieser Taten im Herzen von Bhimasena angesammelt hatte. Mit diesen Gedanken, oh Nachkomme des Vrishni, habe ich diese Tat geduldet. Nachdem er den begierdevollen Duryodhana, der ohne Weisheit und ein Sklave seiner Leidenschaften war, besiegt hatte, sollte der Sohn des Pandu auch seinen Zorn befriedigen, war es nun gerecht oder nicht!

Sanjaya fuhr fort:
Auf diese Worte von Yudhishthira sprach Vasudeva, dieser Erhalter des Yadu Stammes, etwas zögernd: „Möge es so sein!“ Wahrlich, nachdem Vasudeva, der immer das Wohl von Bhima suchte, diese Worte von Yudhishthira vernommen hatte, billigte er alle Taten von Bhima in diesem Kampf. Und so stand der zornvolle Bhimasena, der deinen Sohn im Kampf geschlagen hatte, mit freudeerfülltem Herzen und gefalteten Händen vor Yudhishthira und verehrte ihn ordnungsgemäß. Mit großen Augen vor Entzücken und voller Stolz auf seinen Sieg, oh König, sprach daraufhin der energievolle Bhima zu seinem ältesten Bruder:
Die Erde ist jetzt dein, oh König, ohne störende Feindschaften und andere Dornen! Herrsche über sie, oh Monarch, und beachte die Aufgaben deiner Kaste! Er, der die Ursache dieser Feindschaft war, die er voller Hinterlist beständig anfachte, diese übelgesinnte Kreatur voller Unwahrhaftigkeit, liegt nun hingestreckt am Boden, oh Herr der Erde. All die sündhaften Übeltäter, von Dushasana angeführt, die so grausame Worte gegen uns sprachen, sowie alle anderen Feinde, wie Karna und Shakuni, sind geschlagen! Diese Erde voller Juwelen mit ihren Wäldern und Bergen, oh Monarch, kommt nun wieder zu dir zurück, nachdem deine Feinde besiegt wurden.

Darauf sprach Yudhishthira:
Die Feindschaft hat ein Ende gefunden! König Duryodhana ist geschlagen worden! Die Erde wurde von uns zurückerobert, indem wir entsprechend der Führung von Krishna gehandelt haben. Durch ein glückliches Schicksal hast du deine Schuld vor deiner Mutter und deinem Zorn beglichen. Durch ein glückliches Schicksal warst du siegreich, oh unbesiegter Held, und durch ein glückliches Schicksal wurde dein Feind geschlagen.


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