Pushpak Mahabharata Buch 7Zurück WeiterNews

Kapitel 54 – Der Tod wird ernannt

Narada fuhr fort:
Die hilflos und kummervoll weinende Dame faltete ihre Hände, verbeugte sich demütig vor dem Herrn der Schöpfung und sprach:
Ob Bester der Gebietenden, zwar wurde ich von dir geschaffen, doch wie kann ich zarte Frau wissentlich solch grausames und zerstörerisches Werk vollbringen? Ich fürchte mich sehr vor Ungerechtigkeit. Oh himmlischer Herr, sei mir gnädig. Kinder, Freunde, Brüder, Väter und Ehemänner sind einem immer lieb und teuer. (Wenn ich sie töte), werden die um ihren Verlust Trauernden sich an mir rächen und mich verletzen wollen. Und davor fürchte ich mich. Auch die Tränen der leidenden und weinenden Personen erfüllen mich mit Angst. Oh Herr, ich suche deinen Schutz. Oh göttliches Wesen, bester Gott, ich möchte nicht ins Reich Yamas gehen. Oh Segenspendender, ich flehe dich um Gnade an, beuge meinen Kopf vor dir und falte meine Hände. Oh Großer Vater aller Welten, ich bitte dich sehr um die Erfüllung eines Wunsches. Mit deiner Erlaubnis möchte ich asketische Buße tun, oh Herr der geschaffenen Wesen. Gewähre mir diesen Segen, großer Meister. Mit deiner Erlaubnis werde ich zur vorzüglichen Einsiedelei von Dhenuka gehen, dich verehren und die strengste Enthaltsamkeit üben. Oh Herr der Götter, ich bin nicht in der Lage, den geliebten Lebensatem der Kreaturen zu nehmen, die leiden und trauern. Beschütze mich vor Unaufrichtigkeit (bzw. Sünde).

Brahma antwortete ihr:
Oh Tod, du wurdest für die Vernichtung der Wesen geschaffen. So geh, und erfülle deine Pflicht. Und habe keine Zweifel, denn es muß so sein und nicht anders. Befolge mein Geheiß. Und niemand in der Welt wird an dir einen Makel (bzw. Sünde) finden.

Narada erzählte weiter:
Doch die Dame fürchtete sich noch mehr bei diesen Worten. Sie starrte mit gefalteten Händen auf Brahmas Antlitz und konnte ihr Herz nicht zur Vernichtung neigen, denn sie wünschte sich nur Gutes. Der göttliche Brahma schwieg jedoch. Seine Blicke schweiften über die Schöpfung, und er lächelte. Seinen Zorn hatte er zerstreut, und die Wesen lebten weiter wie zuvor, denn die Dame stimmte ihrer Aufgabe nicht zu. Sie verließ die weise Gottheit, begab sich eilends zur Einsiedelei Dhenuka und übte dort hohe und vorzügliche Enthaltsamkeit nach strengen Gelübden. Für sechzehn mal zehn Millionen Jahre stand sie auf einem Bein, denn sie wollte den lebenden Wesen Gutes tun. Die ganze Zeit hielt sie ihre Sinne von geliebten Vergnügungen fern, und stand gleich noch einmal für einundzwanzig mal zehn Millionen Jahre auf einem Bein. Für weitere hunderttausend Millionen Jahre wanderte sie mit den Kreaturen über die Erde, bis sie zur heiligen Nanda kam, die mit kühlem und reinem Wasser angefüllt war. In diesem Wasser verbrachte sie die nächsten achttausend Jahre. Den strengsten Eiden folgend reinigte sie sich in der Nanda von allen Sünden. Dann pilgerte sie zur heiligen Kausiki und lebte dort nur von Wasser und Luft. Weiter ging die reine Dame nach Panchaganga und Vetasa und magerte nach ganz besonderer Enthaltsamkeit deutlich ab. Dann wanderte sie zur Ganga und zum großen Meru und blieb dort so still wie ein Stein, ihren Lebensatem anhaltend. Als nächstes pilgerte die bewundernswerte und liebliche Dame zum Gipfel des Himavat, wo die Götter einst ihre Opfer durchführten, und stand für eine Million Jahre nur auf den Zehenspitzen. Es ging weiter nach Pushkara, Gokarna, Naimisha und Malaya, wo sie immer mehr abmagerte, wie es ihr Herz begehrte. Mit stetiger Hingabe an den Großen Vater hatte sie keinen Gedanken an einen anderen Gott. Und so lebte sie in jeder Hinsicht zur Zufriedenheit von Brahma.

Da sprach der unveränderliche Schöpfer der Welten mit sanftem und entzücktem Herzen zur Dame:
Oh Tod, warum übst du so harte asketische Enthaltsamkeit?

Der Tod antwortete dem göttlichen Vater:
Die Kreaturen leben in bester Gesundheit, oh Herr. Sie verletzen sich nicht einmal durch Worte. Ich kann sie nicht schlachten. Oh Herr, großer Meister, dies ist der Segen, den ich von dir erbitte. Ich fürchte die Sünde und übe deshalb Buße. Oh Gesegneter, nimm für immer alle Furcht von mir. Ich bin eine Frau in Not und ohne Makel. Ich flehe dich an, sei du meine Zuflucht.

Und der göttliche Brahma, der die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kennt, antwortete ihr:
Du wirst keine Sünde begehen, oh Tod, wenn du die Kreaturen vernichtest. Meine Worte sind niemals vergebens, oh Ehrenwerte. So geh und töte die vier Arten der Wesen, du glücksverheißende Dame. Ewige Tugend sei dein. Yama, der Herrscher der Welt, und alle Krankheiten werden deine Helfer sein. Ich und alle Götter werden dir Segen gewähren, so daß du vollkommen gereinigt und von aller Sünde befreit Glanz und Herrlichkeit erlangst.

So faltete die Dame ihre Hände und sprach noch einmal zu ihm, seine Gnade suchend und sich vor ihm verbeugend:
Wenn es ohne mich nicht zu vollbringen ist, oh Herr, dann setze ich dein Wort auf mein Haupt. Doch höre, was ich dir sage: Mögen Habgier, Zorn, Bosheit, Neid, Streitsucht, Torheit, Schamlosigkeit und andere starke Leidenschaften die Körper der lebenden Wesen von innen her zermalmen.

Brahma sprach:
Es sei so, wie du sagst, oh Tod. Und nun tue deine Pflicht und töte. Niemals wird die Sünde mit dir sein, und ich werde nicht versuchen, dir zu schaden, oh Glücksverheißende. Deine Tränen in meinen Händen sollen die Krankheiten sein, die in den lebenden Wesen entstehen. Sie werden die Menschen töten, und du wirst nicht von Sünde berührt. So fürchte nichts, denn du bist wahrlich ohne Sünde. Du bist die Gerechtigkeit der lebenden Kreaturen und die Göttin der Gerechtigkeit selbst. Der Pflicht ergeben, wirst du sie töten. Wirf Begehren und Zorn ab, und nimm das Leben der Kreaturen. So wird ewige Tugend mit dir sein. Die Sünde tötet jene von unlauterem Betragen. Folge meinem Wort und reinige dich damit. Es ist an dir, daß die Übelgesinnten in ihrer Sünde versinken. So wirf Zorn und Begehren ab, und töte jene mit Leben gesegneten Geschöpfe.

Narada fuhr fort:
Im Erkennen, daß sie immerzu beim Namen Tod gerufen wurde und auch aus Furcht vor Brahmas Fluch, gab die Dame schließlich nach. Sie folgte ihrer Berufung und warf jegliche Zuneigung und Abneigung ab, um das Leben der Wesen zu nehmen, wenn ihre Zeit gekommen ist. So müssen alle lebenden Geschöpfe sterben. Tod und Krankheit kommen zu jedem und wer sich dagegenstellt, der leidet darunter. Drum verliere dich nicht in fruchtlose Trauer über den Tod der Geschöpfe, oh König. Die Sinne der sterbenden Wesen gehen mit ihnen (in die andere Welt). Alle Kreaturen, oh Tiger unter den Wesen, sogar die Götter, müssen wie Sterbliche handeln und wandeln. Der Wind (des Todes) ist schrecklich, laut brüllend, voller Kraft, allmächtig und hat grenzenlose Energie. Es ist dieser Wind, der die Körper der lebenden Geschöpfe zerstört und verweht. Dabei bringt er keine neue Energie hervor, noch wird er seine Wirkung je aufgeben (sondern wirkt wesenhaft). Drum klage nicht um deinen Sohn, oh Löwe unter den Männern. Dein Sohn ist im Himmel und verbringt seine Tage in anhaltender Glückseligkeit, denn er gewann sich die Regionen für Helden. Er hat alles Leid hinter sich gelassen und genießt die Gesellschaft der Gerechten. Der Tod wurde vom Schöpfer selbst für alle Kreaturen beschlossen. Und wenn ihre Stunde kommt, werden sie zerstört. Der Tod erhebt sich aus ihnen selbst. Ja, die Kreaturen töten sich sozusagen selbst. Nicht der Tod mit seinem Stab kommt, sie zu schlachten. Darum wissen die Weisen, daß der von Brahma bestimmte Tod unvermeidlich ist, und weinen niemals um die Toten. So erkenne, oh König, daß der Tod vom Höchsten Gott befohlen wurde, und wirf den Kummer um den Tod deines Sohnes ab, ohne dich weiter darin zu verlieren.

Und Vyasa fuhr fort:
Nach diesen bedeutenden Worten Naradas wandte sich König Akampana an seinen Freund und sprach:
Oh Ruhmreicher, du Bester der Rishis, mein Kummer ist vergangen, und ich bin in Frieden. Ich danke dir und verehre dich zutiefst.

Danach begab sich der himmlische Asket mit der unermeßlichen Seele wieder in die Wälder von Nandana. Das Hören oder Erzählen dieser Geschichte wird als reinigend, ruhmbringend und würdig erachtet, und es verlängert die Lebensspanne. Nun, oh Yudhishthira, nachdem du sie auch vernommen hast, wirf deinen Kummer ab, bedenke die Pflichten eines Kshatriya und den hohen Status von Helden. Abhimanyu, dieser gewaltige Wagenkrieger mit der großen Energie, hat zahllose Feinde vor aller Augen geschlagen, bevor er in den Himmel einging. Er fiel kämpfend in der Schlacht durch Schwert, Keule, Pfeil und Bogen. Von Soma, dem Mond, abstammend, ging er, von allen Makeln gereinigt, wieder in der lunare Essenz ein. So sammelt all eure inneren Kräfte, ihr Söhne des Pandu. Erlaubt euch nicht das Absinken in Dumpfheit, sondern eilt eifrig zur Schlacht.


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