Pushpak Mahabharata Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 44 - Sanatsujata über den Weg der Entsagung

Dhritarashtra fragte:
Ausgezeichnet, oh Sanatsujata, ist dieses Gespräch mit dir über das Erreichen des Brahman und den Ursprung des Weltalls. Ich bete zu dir, oh berühmter Rishi, sprich weiter solche Worte zu mir, die frei von weltlichen Zielen sind und deshalb höchst selten unter den Menschen.

Sanatsujata sprach:
Das Brahman, über das du mich mit solcher Freude befragst, kann nicht so schnell gewonnen werden. Erst nachdem die Sinne gezügelt wurden, kann der eigene Wille mit dem Höchsten Wesen eins werden und ein Zustand völliger Abwesenheit weltlicher (selbstsüchtiger) Gedanken entstehen. Eben das ist die Erkenntnis, welche nur auf dem Weg der Entsagung (Brahmacharya) erreichbar ist.

Dhritarashtra fragte:
Du sagst, daß die Erkenntnis des Brahman im eigenen Geist wohnt und nur durch Entsagung enthüllt werden kann. Du sagst, daß die Enthüllung von dem, was im eigenen Geist wohnt, kein schöpferisches Streben erfordert, sondern den Weg der Entsagung. Was ist dieser Weg, der zur Erkenntnis des Brahman führt und schließlich zur Unsterblichkeit?

Sanatsujata sprach:
Obwohl innewohnend im Geist, ist die Erkenntnis des Brahman noch ungeboren. Es geschieht durch die Gnade des Höchsten Wesens und aufgrund von Entsagung, daß sich diese Erkenntnis entfaltet. Wahrlich, zu dieser Erkenntnis gelangt, verlassen die Yogis diese Welt. Den Weg dahin weisen die heiligen Lehrer. Davon werde ich dir im Folgenden berichten.

Dhritarashtra fragte:
Oh Heiliger, sag mir, durch welchen Weg der Entsagung kann man die Erkenntnis des Brahman mit den wenigstens Schwierigkeiten erreichen?

Sanatsujata sprach:
Die unter dem Dach ihrer Lehrer wohnen, ihr Wohlwollen und ihre Freundschaft gewinnen und Entsagung (Brahmacharya) üben, die können noch in dieser Welt zur Wohnstätte Brahmas werden, und, vom Körper erlöst, werden sie Eins mit dem Höchsten Wesen. Die in dieser Welt das Brahman suchen, die zügeln jegliches Begehren, und durch Wahrhaftigkeit löst sich ihre Seele vom Körperlichen, wie sich die Lotusblüte aus dem Schlamm erhebt.

Oh Bharata, für die körperliche Geburt sorgen Vater und Mutter. Doch für die geistige Geburt (des „Zweifachgeborenen“) sorgt die Führung durch den geistigen Lehrer. Dies ist eine heilige Geburt, frei von Alter und Tod. Der Lehrer spricht vom Brahman und öffnet damit den Weg zur Unsterblichkeit. Er gibt dem Schüler einen geistigen Körper und sollte ebenfalls wie Vater und Mutter betrachtet werden. Seine Wohltat bedenkend, möge man den Lehrer niemals beleidigen. Ein Schüler sollte ihn stets mit Respekt verehren.

Mit gereinigtem Körper und Geist und wohlgerichteter Achtsamkeit möge der Schüler um Belehrung bitten. Er sollte jeden Dienst mit Hingabe erfüllen, ohne dabei ärgerlich zu werden. So sammelt der Schüler Erfahrungen bezüglich seiner Aufgaben in diesem Leben. Dies ist der erste Schritt auf dem Weg der Entsagung.

Der Schüler sollte lernen, sein ganzes Leben und allen Besitz in Gedanken, Worten und Taten zuerst dem Wohle des Lehrers zu widmen, und danach der Ehefrau des Lehrers und ihren Kindern. Dies ist der zweite Schritt auf dem Weg der Entsagung.

Von Dankbarkeit für seinen Lehrer durchdrungen und sein Ziel erkennend, sollte der Schüler mit heiterem Herzen denken: „Von ihm wurde ich belehrt und geformt.“ Dies ist der dritte Schritt auf dem Weg der Entsagung.

Bevor der Lehrer nicht nach dem Abschiedsgeschenk verlangt, sollte der kluge Schüler keine andere Lebensweise wünschen, noch sollte er sprechen oder denken: „Ich gebe dieses Geschenk.“ Dies ist der vierte Schritt auf dem Weg der Entsagung.

Den ersten Schritt auf diesem Weg erreicht er mithilfe der Zeit. Den zweiten Schritt durch die Belehrung des Lehrers. Den dritten durch die wachsende Kraft seines Erkenntnisvermögens, und den vierten schließlich durch Erkenntnis. Die Gelehrten sagen, daß der Weg der Entsagung aus den zwölf Tugenden gebildet wird, aus Gerechtigkeit (Dharma), den Zweigen des Yogas (Angas) und der Beharrlichkeit in der Meditation (Valam). Den Erfolg erreicht der Schüler durch die Güte des Lehrers und der Veden. Was auch immer der Schüler an Reichtum verdient, sollte er alles dem Lehrer widmen. Auf diese Weise erhält der Lehrer einen höchst lobenswerten Lebensunterhalt. Und so möge sich der Schüler auch zum Sohn des Lehrers verhalten. Auf diesem Weg gedeiht der Schüler in jeder Hinsicht, und wird zahlreiche Nachkommen und Berühmtheit haben. Er wird von allen Seiten mit Reichtum beschenkt, und viele weitere Schüler werden zu ihm kommen, um den Weg der Entsagung zu gehen.

Es ist dieser Weg der Entsagung, wodurch die Devas ihre Göttlichkeit erlangten, und die Heiligen, höchst gesegnet und voller Weisheit, den Bereich des Brahman erreichten. Auf diesem Weg konnten die Gandharvas und Apsaras ihre persönliche Schönheit erwerben, und nur deshalb erhebt sich Surya und schenkt der Welt den Tag. Wie die Philosophen große Freude erlangen, wenn sie den Stein der Weisen finden („Rasaveda“, ein mystischer Edelstein, der alles wahr macht, was sein Eigentümer möchte), so erreichen die Himmlischen großes Glück und die Erfüllung ihrer Wünsche, nachdem sie den Weg der Entsagung gegangen sind.

Oh König, wer sich diesem Weg der Entsagung widmet, neigt sich von selbst zur reinen Askese und reinigt dadurch seinen Körper. Er ist wahrlich weise, weil er damit die kindliche Reinheit wiederfindet und schließlich den Tod überwindet. Oh Kshatriya, durch Arbeit, auch wenn sie rein ist, erlangt der Mensch immer nur vergängliche Welten. Aber durch Selbsterkenntnis erreicht er das Brahman, das immerwährend ist. Und das ist der Weg zur Befreiung.

Dhritarashtra fragte:
Du sagst, daß ein Weiser die Existenz des Brahman in seiner Seele erkennen kann. Erscheint dort das Brahman weiß, rot, schwarz, blau oder purpurrot? Beschreibe mir bitte die wahre Form und Farbe des Allgegenwärtigen und Ewigen Brahman.

Sanatsujata sprach:
Wahrlich, das Brahman kann weiß, rot, schwarz, braun oder hell erscheinen. Aber weder auf der Erde, noch im Himmel, noch im Wasser des Ozeans gibt es etwas Vergleichbares. Weder in den Sternen, noch im Blitz, in den Wolken, in der Atmosphäre, in den Göttern, im Mond, noch in der Sonne ist seine wahre Form sichtbar. Oh König, weder im Rig, Yajur, Atharva oder im reinen Samaveda kann es ergriffen werden, noch in anderen Büchern, noch in besonderen Gelübden oder Opfern. Unerreichbar liegt es außerhalb der Reichweite unserer beschränkten Wahrnehmung. Selbst der universale Zerstörer geht nach der Auflösung darin verloren. Unfaßbar ist es, feiner als die Schneide eines Rasiermessers und größer als alle Berge. Es ist die Basis, in der alles gegründet ist. Es ist unveränderlich. Es ist dieses ganze sichtbare Weltall. Es ist endlos ausgedehnt. Es ist wunderbar. Alle Wesen sind daraus entsprungen und werden dahin zurückkehren. Es ist frei von jeglicher Dualität. Es erscheint als Welt. Es ist alldurchdringend. Die Gelehrten sagen, daß es ohne jegliche Änderung ist, nur die Ansichten darüber ändern sich ständig. Erlösung erreicht, wer erkennt, worin dieses ganze Weltall gegründet ist.


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