Pushpak Mahabharata Buch 4Zurück WeiterNews

Kapitel 16 - Die Beleidigung Draupadis durch Kichaka

Kichaka sprach:
Oh du mit den schönen Löckchen, sei herzlich willkommen. Wahrlich, die Nacht, welche nun vergangen ist, hat mir einen verheißungsvollen Tag gebracht, da ich dich heute als die Herrin meines Hauses begrüßen darf. Tue, was für mich angenehm ist. Laß dir wertvolle Ketten, Muscheln und glänzende Ohrringe bringen, die alle aus Gold gemacht sind und aus verschiedensten Ländern stammen, oder auch schöne Rubine und Juwelen, oder seidene Roben und Hirschfelle. Ich habe auch ein ausgezeichnetes Ruhebett, das für dich bereitet ist. Komm, setzt dich und trink mit mir den honigsüßen Wein.

Diese Worte hörend, antwortet Draupadi: „Ich wurde von der Königin zu dir gesandt, um Wein zu holen. Bringe bitte schnell den Wein, denn sie sagte, daß sie äußerst durstig sei.“

Darauf sprach Kichaka: „Oh du sanfte Dame, andere werden der Königin ihr Gewünschtes bringen.“ Mit diesen Worten ergriff der Sohn des Suta den rechten Arm von Draupadi. Sofort schrie sie auf: „Wenn ich noch nie mit verblendeten Sinnen meinen Männern untreu war, selbst im innersten Herzen nicht, dann möge ich durch die Kraft dieser Wahrheit sehen, wie du, oh Schuft, noch heute fällst und kraftlos am Boden liegst!“

Kichaka und Draupadi

Vaisampayana fuhr fort:
Als Kichaka erkannte, wie ihn die großäugige Dame solcherart verfluchte, da griff er nach ihrer Oberbekleidung um die Fliehende festzuhalten. Und als die schöne Prinzessin mit Gewalt von Kichaka ergriffen wurde, war all ihre Geduld zu Ende. Vor Zorn zitternd und hastig atmend, stieß sie ihn zu Boden. Und der Sündige fiel, wie ein Baum dessen Wurzeln ausgerissen wurden. Als der gewaltsame Kichaka am Boden lag, lief sie zitternd zum Hof des Königs zu Yudhishthira, damit er sie beschützen konnte. Mit all ihrer Kraft rannte sie zum Palast. Doch Kichaka holte sie ein, ergriff sie an den Haaren, warf sie zu Boden und trat sie vor den Augen des Königs mit den Füßen. Daraufhin, oh Bharata, versetzte ihm der Rakshasa, der durch Surya zum Schutz von Draupadi bestimmt wurde, einen harten Schlag mit der mächtigen Kraft des Windes. Und überwältigt von der Macht des Rakshasa taumelte Kichaka und fiel bewußtlos um, wie ein gefällter Baum.

Yudhishthira und Bhimasena, die beide an der Seite des Königs saßen, erblickten diese Gewalttat von Kichaka an Draupadi mit erschrockenen Augen. Und begierig nach dem Tod des übelgesinnten Kichaka, biß der berühmte Bhima voller Wut seine Zähne knirschend aufeinander. Auf seine Stirn trat der Schweiß, und schreckliche Runzeln erschienen. Aus seinen Augen loderte das Feuer, und die Augenbrauen blieben erhoben. Und dieser Bezwinger aller feindlichen Helden preßte sich die Hände gegen die Stirn. Von unbändiger Wut getrieben, war er im Begriff unverzüglich aufzuspringen. Doch Yudhishthira, der wegen ihrer Entdeckung besorgt war, senkte seinen Daumen und gebot Bhima ruhig zu bleiben. So wurde Bhima, der wie ein rasender Elefant aussah, der einen großen Baum ins Auge gefaßt hatte, von seinem älteren Bruder zurückgehalten. Und Yudhishthira sprach zu ihm: „Suchst du, oh Koch, nach Holz zum Verbrennen? Wenn du nach Feuerholz begehrst, dann wäre es besser, draußen im Wald den Baum zu fällen.“

Als die weinende Draupadi mit den schönen Hüften, sich weiter dem König näherte, da sah sie ihre schwer betroffenen Männer, die sich alle Mühe gaben, ihre Verkleidung weiterhin aufrechtzuerhalten, zu der sie sich verpflichtet hatten. So sprach sie mit feurigen Augen zum König der Matsyas:

Oh Weh! Dieser Sohn eines Suta hat heute die stolze und geliebte Frau von denen getreten, deren Feind niemals mehr in Frieden schlafen kann, selbst wenn zwischen ihm und ihnen vier Königreiche liegen würden. Oh Weh! Der Sohn eines Suta hat heute die stolze und geliebte Frau jener ehrlichen Männer getreten, die den Brahmanen hingegeben und immer freigiebig sind, ohne mit ihren Geschenken etwas zu erwarten. Ach! Der Sohn eines Suta hat heute die stolze und geliebte Frau von denen getreten, deren Trommeln und Bogensirren ununterbrochen erklingen können. Ach! Der Sohn eines Suta hat heute die stolze und geliebte Frau von denen getreten, die mit gewaltiger Energie begabt sind, die Kraft der Selbstkontrolle besitzen, freigiebig und voller Würde sind. Ach! Der Sohn eines Suta hat heute die stolze und geliebte Frau von denen getreten, welche die ganze Welt zerstören könnten, wenn sie nicht mit den Banden ihrer Pflicht gefesselt wären.

Ach! Wo sind jene mächtigen Krieger heute, die trotz ihres verborgenen Lebens, immer ihren Schutz denjenigen gewährt haben, die sie darum bitten? Oh, warum bleiben jene Helden, die mit Kraft und unermeßlicher Energie begabt sind, heute still wie Eunuchen, wenn ihre liebe und reine Frau auf diese Weise von einem Suta Sohn geschändet wird? Oh, wo ist ihr Zorn, ihr Heldenmut und ihre Energie, wenn sie ruhig ertragen, wie ihre Frau von einem übelgesinnten Schuft erniedrigt wird? Was kann ich als schwache Frau nur tun, wenn selbst König Virata die Tugend verstößt, und unbeteiligt zuschaut, wie dieser Übeltäter eine Unschuldige beleidigt? Oh Virata, du begegnest diesem Kichaka nicht wie ein edler König. Dein Verhalten ähnelt dem eines Räubers und ist dieses Hofes unwürdig. Daß ich in deinem Beisein so erniedrigt werden konnte, oh Matsya, ist höchst beschämend.

Oh, mögen alle Höflinge hier diese Gewalttat von Kichaka sehen. Kichaka ist blind für Pflicht und Moral, und Matsya geht es ähnlich. So sind wohl auch diese Höflinge, die einem solchen König aufwarten, nur mit wenig Tugend begabt.

Vaisampayana fuhrt fort:
Mit diesen und ähnlichen Worten rügte die schöne Draupadi mit tränenreichen Augen den König der Matsyas. Und nachdem er sie angehört hatte, sprach Virata: „Ich kenne nicht den Grund eures Streites, der zu dieser Tat geführt hat, die wir hier gesehen haben. Ohne die wahre Ursache zu kennen, wie sollte ich da ein Urteil fällen?“

Dann begannen Höflinge, die alles mit angehört hatten, Kichaka zu tadeln und Draupadi zu preisen. Sie riefen: „Gut getan! Gut getan!“ und sprachen: „Der Mann, der diese großäugige Dame mit der makellosen Schönheit als Ehefrau hat, ist mit größtem Reichtum begabt und hat wohl keinen Grund mehr für irgendeinen Kummer. Wahrlich, so eine junge Dame mit alldurchdringender Schönheit und vollkommen geformten Gliedern, ist unter Menschen schwer zu finden. Tatsächlich scheint sie uns eine Göttin zu sein.“

Vaisampayana fuhr fort:
Und während die Höflinge, die schöne Draupadi unverwandt anstarrten und lobten, da trat vor Zorn der Schweiß auf die Stirn von Yudhishthira. Und dieser Stier der Kurus sprach die Prinzessin, seine geliebte Gattin, mit den Worten an:

Oh Sairindhri, verweile nicht weiter hier. Ziehe dich in die Gemächer von Sudeshna zurück. Die Frauen von Helden ertragen tapfer allen Kummer bezüglicher ihrer Männer. Selbst im Elend sorgen sie sich um ihre Herren und gelangen schließlich in jene hohen Bereich, die ihre Männer erreichen können. Ich denke, deine sonnengleich strahlenden Gandharva Männer wollen diese Situation hier nicht als Gelegenheit nutzen, um ihren Zorn zu manifestieren, und deshalb eilen sie dir nicht zur Hilfe. Oh Sairindhri, du willst nicht erkennen, daß jedes Ding seine Zeit hat, und deshalb weinst du jetzt und bist verzweifelt in deiner Rolle. Doch störe nun nicht weiter dieses Spiel hier am Hofe von Matsya. Oh Sairindhri, ziehe dich wieder zurück. Die Gandharvas werden alles tun, was für dich nützlich ist. Und sie werden sicher dein Elend erkennen und den Untergang von dem besiegeln, der dich erniedrigt hat.

Diese Worte hörend, antwortete die Sairindhri: „Ich hoffe, daß jene, deren untrennbare Ehefrau ich bin, wirklich vollkommen gutmütig sind. Denn weil der Älteste von ihnen dem Spiel verbunden ist, sind die anderen verdammt, allen Kummer zu ertragen.“

Vaisampayana fuhr fort:
So sprach die schönhüftige Draupadi mit ihren zerzausten Haaren und mit vor Zorn roten Augen, und begab sich in die Gemächer von Sudeshna zurück. Durch das lange Weinen, glänzte ihr Gesicht so schön wie die Mondscheibe am Firmament, wenn sie durch die Wolken scheint. Als Sudeshna sie in diesem Zustand sah, da fragte sie: „Wer, oh wunderschöne Dame, hat dich so beleidigt? Warum, oh reizende Dame, weinst du? Wer, oh Sanfte, hat dir solches Leid angetan? Woher kommt dieser Kummer?“

So angesprochen antwortete Draupadi: „Als ich ging, um den Wein für dich zu holen, da schlug mich Kichaka am Hofe in der Anwesenheit des Königs, als befände er sich in der Mitte eines einsamen Waldes.“

Als Sudeshna diese Worte hörte, da sprach sie: „Oh du mit den schönen Locken! Wenn Kichaka von Begierde besessen dich so erniedrigt hat, wird er damit nicht länger leben können. Wenn du es wünscht, werde ich ihn verurteilen lassen.“

Daraufhin antwortete Draupadi: „Auch die anderen, die er auf diese Weise beleidigt hat, werden seinen Untergang suchen. Ich denke, daß er bestimmt noch am heutigen Tag in das Reich von Yama eingehen muß!“


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