Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 276 – Rama verbannt und im Exil

Yudhishthira sprach:
Oh Ehrenwerter, du hast mir ausführlich über Herkunft und Geburt von Rama und den anderen erzählt. Nun möchte ich den Grund ihres Exils erfahren. Oh Brahmane, erzähl mir, warum Rama und Lakshmana, die Söhne Dasarathas, mit der berühmten Prinzessin von Mithila in den Wald gingen.

Markandeya sprach:
Der fromme König Dasaratha, welcher immer die Alten achtete und aufmerksam die religiösen Zeremonien ausführte, war höchst erfreut über die Geburt seiner Söhne. Sie alle wuchsen heran und wurden mit den Veden und ihren Geheimnissen nebst den Waffenkünsten vertraut gemacht. Nachdem sie durch das Brahmacharya Gelübde gegangen waren, wurden die Prinzen verheiratet und Dasaratha war glücklich und zufrieden. Der kluge Rama, der älteste seiner Söhne, wurde sein Liebling. Und auch das Volk liebte den Prinzen mit der zauberhaften Art ganz besonders. So beratschlagte sich der nun gealterte König mit seinen tugendhaften Ministern und spirituellen Begleitern und beschloß, Rama die Regentschaft über das Königreich zu übergeben.

Der alte Vater und seine Mutter Kausalya waren ganz vernarrt in ihren Sohn, dessen Augen rot und dessen Arme sehnig waren. Ramas Schritte glichen denen des wilden Elefanten. Er hatte lange Arme, breite Schultern und schwarzes, lockiges Haar. Er war tapfer und strahlte in seinem eigenen Glanze. Im Kampf war er dem Indra gleich, und im heiligen Wissen dem Vrihaspati. Ihn liebten alle Menschen, und er war geschickt in allen Künsten. Selbst seine Feinde schauten ihn gern, denn er hatte seine Sinne unter vollkommener Kontrolle. Er war der Terror aller Übeltäter und der Beschützer aller Tugendhaften. Er war klug, unaufhaltbar und siegreich und erlitt niemals eine Niederlage. Ja, wenn König Dasaratha seinen Sohn anschaute, war er überglücklich. Und angesichts all dieser Tugenden Ramas, sprach der mächtige König frohgemut zu seinen Familienpriestern:
Seid gesegnet, ihr Brahmanen. Diese Nacht beschert uns die glücksverheißende Pushya Konstellation bis zum nächsten Morgen. Schafft alles Nötige herbei und ladet Rama ein. Denn er soll von mir und meinen Ministern als Prinzregent über mein Volk benannt werden.

Doch als Manthara diesen Befehl des Königs vernahm, ging sie zu ihrer Herrin und sprach zu ihr:
Oh weh, welch großes Unglück hat der König heute für dich beschlossen, oh Kaikeyi! Du Bedauernswerte wurdest von einer schrecklichen und erzürnten Giftschlange gebissen! Kausalya allerdings ist glücklich, denn ihr Sohn wird auf den Thron gesetzt. Doch wo ist dein Glück, wenn dein Sohn nicht das Königreich erhält?

Die schöne und schlankhüftige Kaikeyi hörte auf ihre bucklige Dienerin, legte allen ihren Schmuck an und suchte ihren Ehemann an einem abgelegenen Ort auf. Lächelnd und mit freudigem Herzen sprach sie zu ihm liebevoll schmeichelnd:
Oh König, in deinen Versprechen warst du immer wahrhaft. Einst versprachst du, mir einen Wunsch zu erfüllen. Es ist nun soweit. Folge meinem Begehren und rette dich vor der Sünde eines gebrochenen Wortes.

Darauf antwortete ihr der König:
Gern erfülle ich dir deine Wünsche. Bitte, wonach es dich verlangt. Welcher Mann, der den Tod nicht verdient, soll sterben? Und welcher soll freigelassen werden, der zum Tode verurteilt wurde? Wen soll ich mit Schätzen überhäufen, und wessen Reichtum soll ich einziehen? Alle Schätze dieser Welt, außer die der Brahmanen, sind mein. Ich bin der König der Könige in dieser Welt und der Beschützer der vier Kasten. Sag mir schnell, oh schöne Dame, welcher Wunsch in deinem Herzen wohnt.

Auf diese Weise hatte sie ihn fest an sein Versprechen gebunden. Auch wußte Kaikeyi um ihre Macht über den König und sprach:
Ich wünsche, daß mein Sohn Bharata der Empfänger des Ritus wird, den du für Rama hast vorbereiten lassen. Und Rama soll für vierzehn Jahre im Exil im Dandaka Wald leben, als Asket mit verfilzten Locken und gehüllt in Lumpen und Hirschfelle.

Als der König diese grausamen und unpassenden Worte hörte, da erfüllte ihn große Trauer, und ihm fehlten zunächst die Worte. Doch als der mächtige und tugendhafte Rama von der Bitte an seinen Vater hörte, begab er sich sogleich in den Wald, damit die Wahrhaftigkeit des Königs unangetastet blieb. Ihm folgten sein Bruder Lakshmana, dieser Glückverheißende und vorzügliche Bogenschütze, und auch Sita, seine Ehefrau, die Prinzessin von Videha und Tochter des Janak. Kurz nachdem Rama ins Exil gegangen war, verließ König Dasaratha (vor Kummer) seinen Körper und folgte dem ewigen Gesetz der Zeit. Da der König tot und Rama weit weg war, ließ Königin Kaikeyi ihren Sohn Bharata holen und sprach zu ihm:
Dasaratha ging in den Himmel ein, und Rama und Lakshmana sind im Wald. Nimm du dieses weite Königreich an dich, dessen Frieden kein Feind stören kann.

Doch der tugendhafte Bharata erwiderte ihr:
Du hast schlecht gehandelt, als du aus Habgier nach Reichtum und Macht deinen Ehemann ins Grab brachtest und sein Geschlecht verwüstet hast. Du hast, oh Mutter, dein Ziel erreicht, doch als verfluchte Frau unserer Familie Schande auf mein Haupt gebracht.

Bei diesen Worten weinte der Prinz laut, was seine Unschuld vor allen Bürgern des Reiches bewies. Dann marschierte er (mit einer großen Armee) auf den Spuren Ramas los, um ihn zurückzuholen. Kausalya, Sumitra und Kaikeyi folgten in seinem Zug in schönen Wagen, und Shatrughna ritt neben Bharata mit dem schweren Herzen. Auch Vasishta, Vamadeva und all die anderen Brahmanen sowie viele Bürger aus Stadt und Land schlossen sich an, denn alle wollten Rama zurückbringen. Sie fanden Rama und Lakshmana auf dem Berg Chitrakuta mit dem Bogen in der Hand und dem Zeichen der Askese geschmückt. Doch Rama sandte seinen Bruder zurück, denn er war entschlossen, das Versprechen seines Vaters zu erfüllen. So kehrte Bharata zwar nach Nandigrama zurück, doch er regierte nur, indem er stets Ramas Schuhe vor sich hertrug.

Da Rama weitere Abwanderungen der Bürger aus Ayodhya befürchtete, begab er sich in den großen Wald zur Einsiedelei von Sarabhanga. Ihm zollte er seinen Respekt, und wanderte dann weiter nach Dandaka, um dort am schönen Ufer der Godavari sein Lager aufzuschlagen. Dort wurde er durch Shurpanakha in Feindseligkeiten mit Khara verstrickt, welcher damals in Janasthan lebte. Um die Asketen zu beschützen schlug der tugendhafte und weise Rama vierzehntausend auf Erden lebende Rakshasas nebst Khara und Dushana, so daß der heilige Wald danach wieder frei von allen Gefahren war. Nur Shurpanakha entkam und eilte mit verstümmelten Lippen und Nase nach Lanka zu ihrem Bruder Ravana. Dort fiel die Dämonin mit getrockneten Blutflecken im Gesicht und völlig außer sich vor Kummer Ravana zu Füßen, welcher bei ihrem schrecklichen Anblick mit zornig knirschenden Zähnen unbeherrscht von seinem Sitz aufsprang. Er schickte seine Minister fort und sprach unter vier Augen zu ihr:
Gesegnete Schwester, wer hat dir das angetan und mich damit ignoriert und mißachtet? Wer hat sich selbst mit einem scharfkantigen Speer den Körper malträtiert? Wer ist es, der noch glücklich und friedlich schläft, nachdem er neben seinem Kopf ein loderndes Feuer angefacht hat? Wer hat der giftigen und zornvollen Schlange auf den Schwanz getreten? Wer hat seine Hand ins Maul des Löwen mit der gewaltigen Mähne gesteckt?

Dabei schossen feurige Flammen des Zorns aus seinem Körper, als ob des Nachts Funken aus einem hohlen, brennenden Baum stieben. So erzählte ihm seine Schwester alles vom Heldenmut Ramas und seinem Sieg über die Rakshasas Khara und Dushana und ihres Heeres. Da erinnerte sich Ravana, vom Schicksal getrieben, an Maricha, und wollte mit seiner Hilfe Rache an Rama nehmen. Er überlegte sich einen Plan, sicherte die Regierung seiner Stadt, beruhigte seine Schwester und begab sich auf eine Reise durch die Lüfte. Er überquerte die Berge Trikuta und Kala und sah den weiten Ozean mit seinen tiefen Wassern, der Heimstatt vieler Makaras (riesige Fabelwesen der Meere). Er überquerte das Meer und gelangte nach Gokarna, dem Lieblingsplatz des ruhmreichen Gottes mit dem Dreizack. Dort traf sich der zehnköpfige Ravana mit seinem alten Freund Maricha, der aus Angst vor Rama ein asketisches Leben führte.


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