Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Jayadratha Vimokshana Parva – Jayadrathas Segnung

Kapitel 271 – Jayadratha begnadigt

Vaisampayana fuhr fort:
Als Jayadratha von den beiden Brüdern mit ihren erhobenen Waffen weg und tief verzweifelt um sein Leben rannte, sprang Bhima vom Wagen ab und packte ihn beim Schopfe. Erst hob er ihn hoch und dann stieß er ihn heftig zu Boden. Noch einmal packte er ihn am Kopf und schlug auf ihn ein. Als Jayadratha die Sinne wiederkamen, stöhnte er laut und versuchte, auf die Beine zu kommen. Doch Bhima schlug ihm mit mächtigen Hieben auf den Kopf. Auch preßte er ihm Knie und Fäuste auf die Brust, so daß der König schon bald wieder das Bewußtsein verlor. Doch nun schritt Arjuna ein und besänftigte den zornvollen Bhimasena, nicht weiter zu strafen, sondern an Yudhishthiras Worte bezüglich Dushala zu denken. Darauf antwortete Bhima:
Dieser sündige Lump hat Draupadi so grausam gedemütigt. Sie kann solche Behandlung niemals ertragen. Oh, er verdient es hier und jetzt von meiner Hand zu sterben. Doch was kann ich tun? Der König ist immer voller Gnade, und auch du hinderst mich immer aus kindisch tugendhaften Motiven!

Nach diesen Worten nahm Bhima einen scharfen, sichelförmigen Pfeil und schor Jayadratha den Kopf bis auf fünf einzelne Haarbüschel. Jayadratha blieb dabei ganz still. Dann sprach Bhima zu ihm:
Wenn dir dein Leben lieb ist, dann höre mir zu, du Narr. Ich werde dir sagen, wie du dein Leben retten kannst. In öffentlichen Versammlungen und Plätzen mußt du sagen: Ich bin ein Sklave der Pandavas! Nur dann lasse ich dir dein Leben. Dies ist alter Brauch bei Siegern in der Schlacht.

Und Jayadratha, zitternd, schwach und mit Schmutz verschmiert, antwortete dem grimmig und kriegerisch aussehenden Bhima:
So sei es.

Arjuna und Bhima fesselten ihn mit Ketten, warfen ihn auf den Wagen und kehrten in die Einsiedelei zurück. Dort traten sie vor Yudhishthira und stellten Jayadratha in diesem Zustand vor den sitzenden König. Dieser lächelte und gebot ihnen, den König der Sindhus freizulassen.

Doch Bhima begehrte auf:
Sag du Draupadi, daß dieser Lump zum Sklaven der Pandavas geworden ist.

Voller Liebe bat da sein älterer Bruder:
Wenn du Achtung für uns hast, dann gib den Narren frei.

Und auch Draupadi, welche des Königs Gedanken nur zu gut kannte, sprach:
Laß ihn gehen. Er wurde eben zum Sklaven des Königs Yudhishthira, und du hast ihn verunstaltet, indem du nur fünf Haarbüschel auf seinem Kopf übriggelassen hast.

So wurde der niedergeschlagene Jayadratha aus seinen Ketten befreit, trat vor König Yudhishthira und verbeugte sich vor ihm. Auch grüßte er die Munis. Und beim Anblick des von Arjuna Gestützten, sprach der freundliche Yudhishthira zu ihm voller Mitgefühl:
Du bist nun ein freier Mann. Ich lasse dich gehen. Doch sorge dafür, daß du niemals wieder so etwas tust. Schäm dich! Du warst entschlossen, einer Dame Gewalt anzutun, obwohl du feige und schwach bist. Wie konntest du nur an so etwas denken?

Mit Mitleid blickte Yudhishthira auf den Übeltäter und Beschmutzer seines Geschlechts und glaubte, daß jener seinen Verstand verloren haben mußte. So ermahnte er ihn:
Möge dein Herz in Tugend wachsen. Neige dich nicht noch einmal zu unmoralischen Taten. So geh nun mit deinem Wagenlenker, deiner Kavallerie und Infanterie.

Überwältigt von Scham beugte Jayadratha sein Haupt und ging schweigend und kummervoll zu dem Ort, an dem die Ganga sich in die Ebene ergießt. Dort übte er strengste Askese und rief den Schutz des Gottes mit den drei Augen an, den Gemahl der Göttin Uma. Zufrieden mit seiner Enthaltsamkeit erschien Shiva und war geneigt, seine Opfergaben anzunehmen und ihm einen Segen zu gewähren. Jayadratha bat den Gott:
Möge ich in der Lage sein, alle fünf Söhne des Pandu auf ihren Streitwagen in der Schlacht zu besiegen.

Über die Gottheit und ihre verschiedenen Erscheinungen

Doch Maheshvara antwortete ihm:
Das ist nicht möglich. Niemand kann sie im Kampf schlagen oder besiegen. Doch ich gewähre dir, daß du sie, außer Arjuna, einmal auf dem Schlachtfeld aufhalten kannst. Der heldenhafte Arjuna jedoch mit den mächtigen Waffen ist der inkarnierte Gott Nara. Er übte vor langer Zeit Enthaltsamkeit im Vadari Wald, und der Gott Narayana ist sein Freund. Selbst die Götter könnten ihn nicht besiegen. Ich selbst übergab ihm die himmlische Waffe namens Pashupata. Und von den Herrschern der zehn Himmelsrichtungen bekam er den Donnerkeil und andere, gewaltige Waffen. Der große Gott Vishnu ist der grenzenlose Geist, der Herr und Lehrer aller Götter, das Höchste Wesen ohne Eigenschaften und die Seele des Universums. Er durchdringt die ganze Schöpfung. Am Ende eines Zyklus der Zeitalter nahm er die Gestalt des alles vernichtenden Feuers an und verschlang das ganze Universum mit seinen Bergen, Ozeanen, Inseln und Wäldern. Nach der Vernichtung der Naga Welten wurden alle unterirdischen Regionen zerstört, und es erschienen Massen von vielfarbigen laut donnernden Wolken, deren Blitze das ganz Himmelsgewölbe hoch droben durchzuckten. Es ergossen sich Regengüsse in dicken Strömen wie Pfähle und füllten jeden Raum aus, womit sie schließlich das alles vernichtende Feuer wieder löschten. Ja, am Ende der viertausend Yugas wurde die Erde zum weiten Meer, völlig mit Wasser überflutet, und alle beweglichen und unbeweglichen Wesen verstummten im Tod. Sonne, Mond und Winde hörten auf zu existieren, und die Welt war aller Sterne und Planeten beraubt. Und Narayana, dieses Höchste Wesen, das den Sinnen unbekannt und mit tausend Häuptern, Augen und Beinen geschmückt ist, begehrte der Ruhe. Die gewaltig aussehende Schlange Sesha mit ihren tausend Hauben strahlte wie zehntausend Sonnen und war so weiß wie die Kunda Blume, der Mond, der weiße Lotus, eine Perlenschnur oder Milch und diente ihm als Ruhelager. So schlief der verehrungswürdige und allmächtige Gott im tiefsten Grunde und umhüllte allen Raum mit nächtlicher Düsternis. Und als sich seine schöpferischen Kräfte wieder regten, erwachte er und fand das Universum aller Dinge bar. Und hier wird folgender Sloka rezitiert, der die Bedeutung Narayanas beschreibt:
„Das Wasser wurde vom Rishi Nara geschaffen. Es formte seinen Leib, und wir nennen es Nara. Und weil es ihm als Ruhelager (ayana) diente, ist er als Narayana bekannt.“

In dem Moment, als das immerwährende Wesen sich in Meditation versenkte, um die Schöpfung erneut zu beginnen, da erschien ein Lotus aus seinem Nabel, in dem der viergesichtige Brahma entstand. Der Große Vater saß im Lotus, und sah, daß das Universum leer war. Da erschuf er in seiner Art und mit seinem Willen die neun großen Rishis, Marichi und andere. Jene wiederum erschufen in derselben Erkenntnis die Yakshas, Rakshasas, Pisachas, Reptilien, Menschen und alle anderen Kreaturen. So hat der Höchste Geist drei Zustände. In Gestalt Brahmas ist er der Schöpfer, in Gestalt Vishnus der Erhalter und in Gestalt Rudras der Vernichter des Universums. Oh König der Sindhus, du hast wohl nicht den wunderbaren Errungenschaften Vishnus gelauscht, wie sie dir die Munis und die in den Veden gelehrten Brahmanen erzählt haben? Als die Welt damals nur aus einem weitreichenden Ozean aus Wasser bestand, über dem einzig der Himmel thronte, da wanderte der Herr wie ein Glühwürmchen in der Regenzeit hin und her. Er suchte einen festen Boden, um die Schöpfung zu erneuern. Und so beschloß er, die Erde aus dem Wasser zu heben. Er überlegte: „Welche Form soll ich annehmen, um die Erde aus der Flut zu retten?“ Mit himmlischer, innerer Sicht wurde ein wilder Eber aus ihm, der sich gern im Wasser tummelte. Dieses Opfertier strahlte, denn es hatte die Veden verinnerlicht, und maß zehn Yojanas in der Länge. Es hatte spitz zulaufende Zähne, das Fell so dunkel wie Gewitterwolken, einen bergesgroßen Körper und brüllte wie lauter Donner. So tauchte der Herr in die Wasser ein, zog mit einem seiner Eckzähne die Erde heraus und setzte sie in ihre rechte Sphäre. Ein andermal nahm der mächtige Herr die wunderbare Gestalt eines Löwenmenschen an. Mit geballten Händen begab er sich zum Hofe des Herrschers der Daityas. Als der Erhalter seines Geschlechts, Hiranyakashipu, Sohn der Diti und Feind der Götter, den Herrn in dieser eigentümlichen Form sah, da explodierte in ihm die Leidenschaft und seine Augen brannten in Rage. Und kriegerisch nahm der dunkle und mit Blumenkränzen geschmückte Hiranyakashipu seinen Dreizack auf, brüllte laut und stürmte gegen dieses Wesen, halb Mensch, halb Löwe, an. Doch der mächtige Herr aller wilden Tiere sprang hoch in die Luft und zerriß den Daitya König zum Wohle aller Wesen mit seinen scharfen Klauen. Als nächstes nahm der ehrenwerte und strahlende Herr mit den Lotusaugen seine Geburt im Leibe Aditis als Sohn von Kasyapa. Nach dieser übermenschlichen Empfängnis und tausend Jahren wurde er geboren mit hellen Augen, Zwergengestalt und einer Haut in der Farbe regenverhangener Wolken. Er trug den Stab der Asketen und einen Wassertopf in der Hand, und hatte das Zeichen der Haarlocke auf der Brust. Das verehrungswürdige Wesen trug verfilzte Haare und Opferschnur, war untersetzt, schön und strahlend vor Glanz. So gelangte er zu Valis Opferplatz, dem König der Danavas, und trat mit Hilfe von Vrihaspati ein. Höchst zufrieden sagte Vali zum Zwerg: „Ich freue mich, dich zu sehen, oh Brahmane. Sag, was möchtest du von mir?“ Und der göttliche Zwerg sagte mit einem Lächeln: „Ich nehme dein Angebot an. Gib mir, oh Herr der Danavas, drei Schritte Land.“ Vali war einverstanden, worum der Brahmane mit der grenzenlosen Macht bat. Und während er die Schritte tat, nahm Hari eine wundervolle und außergewöhnliche Form an. Mit nur drei Schritten durchmaß der ewigwährende Gott Vishnu auf einmal die grenzenlose Welt, um sie dann Indra zu übergeben. Diese Geschichte wurde dir erzählt als die gefeierte Inkarnation als Zwerg. Von ihm nahmen alle Götter ihr Dasein, und nach ihm wird die Welt als „Vaishnava“, von Vishnu durchdrungen, bezeichnet.

Zur Vernichtung der Ungerechten und Erhaltung der Religion nahm er nun seine Geburt unter Menschen im Geschlecht der Yadus und wird Krishna genannt. Dies, oh König der Sindhus, sind die Taten des Herrn, den alle Welten ehren und den die Gelehrten als ungeboren, göttlich und ohne Anfang und Ende beschreiben. Sie nennen ihn den unbesiegbaren und göttlichen Krishna mit Muschelhorn, Diskus und Keule. Er hat das Zeichen der Haarlocke auf der Brust, ist in gelbe Seidengewänder gehüllt und der Beste von denen, die um die Kriegskunst wissen. Arjuna wird von ihm beschützt und fährt zusammen mit dem glorreichen und lotusäugigen Wesen von grenzenloser Macht auf einem Wagen. Deshalb ist Arjuna unbesiegbar, weder Götter noch Menschen können seiner Macht widerstehen und niemand kann ihn im Kampfe unterwerfen. Du mußt ihn ziehen lassen, oh König. Doch du wirst an nur einem Tag dem Rest von Yudhishthiras Armee nebst den anderen vier Söhnen des Pandu, deinen Feinden, Einhalt gebieten können.

Nach diesen Worten verschwand der verehrte Hara mit den drei Augen, Gefährte der Uma, Vernichter aller Sünden, Herr aller wilden Tiere, der Vernichter des (Daksha) Opfers und Sieger über Tripura. Er hatte einst dem Bhaga die Augen herausgerissen und ist immer von seinem kleinwüchsigen und buckligen Gefolge mit gräßlichen Augen, Ohren und verkrümmten Gliedern und seiner Gattin Uma umgeben. Auch Jayadratha kehrte nach Hause zurück, und die Söhne des Pandu lebten weiter im Wald von Kamyaka.

Hier endet mit dem 271.Kapitel das Jayadratha Vimoskhana Parva des Vana Parva im gesegneten Mahabharata.


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