Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 208 – Der Vogelfänger über das Töten

Dann fuhr der Vogelfänger fort:
Unzweifelhaft, oh Brahmane, sind meine Taten im Beruf sehr grausam. Doch das Schicksal ist bestimmend, und es ist sehr schwer, den Folgen unserer früheren Taten zu entgehen. Dies alles ist karmisches Leiden, welches sich aus Sünden eines früheren Lebens erhebt. Doch, werter Brahmane, ich bin immer bestrebt, das Leiden auszulöschen. Es ist die Gottheit, die das Leben nimmt, während der Ausführende nur als zweitrangig Handelnder fungiert. Denn was unser Karma anbelangt, sind wir lediglich zweitrangige Werkzeuge, guter Brahmane. Die Tiere, die ich töte und deren Fleisch ich verkaufe, haben auch ihr Karma angesammelt. Mit ihrem köstlichen Fleisch werden Götter, Gäste und Diener fürstlich bewirtet und die Geister unserer verstorbenen Ahnen zufriedengestellt. Es wurde uns gelehrt, daß Kräuter, Gemüse, Hirsche, Vögel und wilde Tiere die Nahrung aller Kreaturen bilden. König Sivi, der Sohn Usinaras, gelangte in den Himmel, was sehr schwer ist, weil er aus großem Mitgefühl sein eigen Fleisch gab. Und in alter Zeit wurden in der Küche von König Rantideva täglich zweitausend Tiere und sogar zweitausend Kühe geschlachtet. Dabei gewann sich König Rantideva unermeßlichen Ruhm, weil er all dies zubereitete Fleisch unter das Volk verteilte. Für ein viermonatiges Ritual werden täglich Tiere geopfert. Und es gibt den Ausspruch: „Das heilige Feuer mag tierische Nahrung.“ Nach wie vor werden Opfertiere von Brahmanen getötet. Dabei werden die Tiere von allen Sünden gereinigt und gehen beim Gesang der Hymnen in den Himmel ein. Wenn vor langer Zeit nicht das heilige Feuer so gerne Tiere genossen hätte, so wären sie nie die Nahrung für andere geworden. Und so haben die Munis folgende Regel aufgestellt: Wer erst seine Nahrung den Göttern und Ahnen anbietet, kann das Fleisch von Tieren zu sich nehmen und wird davon nicht verunreinigt. Solch ein Mensch gilt nicht als Fleischesser, ganz wie ein Brahmacharin dennoch als guter Brahmane bezeichnet wird, wenn er mit seiner Frau während ihrer fruchtbaren Phase schläft. Diese Regel wurde aufgestellt, nachdem alle Vor- und Nachteile abgewogen waren. Und was war damals, als König Saudasa unter einem Fluch sogar Menschen jagte? Was ist deine Meinung dazu?

Nun, guter Brahmane, dies ist die mir zugemessene Beschäftigung, und ich gebe sie nicht auf. Denn sie ist das Ergebnis meiner eigenen Taten, und ich lebe von diesem Beruf. Außerdem wird es als Sünde betrachtet, wenn man seine Berufung aufgibt. So wie es verdienstvoll ist, wenn man seine Pflichten ausübt. Das Karma früherer Existenzen verläßt kein Wesen. Dies hat der Schöpfer immer bedacht, als er die Konsequenzen für karmische Taten festlegte. Weiß sich jemand unter dem Einfluß von schlechtem Karma, so muß er immer bedenken, wie er dafür sühnen und sich vom üblen Geschick lösen kann. Übles Karma kann auf viele Weisen abgebüßt werden. Daher, oh guter Brahmane, bin ich wohltätig, wahrhaft, meinen Vorgesetzten eifrig dienstbar, voller Respekt zu Brahmanen, der Tugend hingegeben und ohne Hochmut oder übermäßige Rede. Die Landwirtschaft wird zwar als eine lobenswerte Art der Arbeit angesehen, doch näher betrachtet wird auch hier den Tieren großes Leid zugefügt. Wenn der Pflug seine Furche durch den Boden zieht, werden zahllose Tiere, die in der Erde leben, und auch andere Wesen getötet. Was meinst du dazu? Oh guter Brahmane, auch Vrihi und die anderen Reissamen sind lebende Organismen, oder was denkst du? Menschen jagen wilde Tiere, töten sie und essen von ihrem Fleisch. Auch fällen sie Bäume und reißen Pflanzen aus, und dabei leben so viele Wesen darin und auch im Wasser, nicht wahr? Die ganze Schöpfung wimmelt nur so von Leben, oh Brahmane, welches sich selbst erhält, indem es sich von anderem Leben ernährt. Hast du nicht bemerkt, daß Fische sich von anderen Fischen ernähren, die eine Art von Tieren von der anderen oder sogar von denen der eigenen Art? Schon beim Hin- und Herlaufen töten wir Menschen zahllose Organismen, weil wir sie zertrampeln. Auf diese Weise töten auch weise und erleuchtete Menschen tierisches Leben, sogar wenn sie schlafen oder ruhen. Nun, was meinst du dazu? Erde und Luft werden von lebenden Organismen durchschwärmt, die wir Menschen beständig und auf viele Arten töten, ohne es im allgemeinen zu bemerken. Wußten das die Weisen nicht, die schon vor langer Zeit das Gebot „Du sollst nicht töten!“ aufgestellt hatten? Wenn man nämlich all dies durchdenkt, kommt man zu dem Schluß, daß kein Mensch auf Erden wandelt, der frei von dieser Sünde des Tötens wäre. Selbst die Heiligen, oh guter Brahmane, deren Gelübde das Wohl aller Wesen sind, verletzen tierisches Leben. Mit viel Aufmerksamkeit kann man den Schaden nur begrenzen.

Oh Brahmane, Männer von edler Geburt und großen Qualitäten begehen gewaltsame Taten zum Schutze anderer, für welche sie ganz und gar nicht beschuldigt werden. Es kann geschehen, daß gute Menschen nicht das Lob anderer guter Menschen ernten, oder gemeine Menschen nicht immer nach üblen Richtlinien handeln. Freunde sind nicht mit Freunden zufrieden, auch wenn sie einen hohen Charakter haben, und närrische Pedanten zerreden die Tugenden ihrer Lehrer. Diese Widersprüche in der natürlichen Ordnung der Dinge kann man überall sehen, oh Brahmane. Was ist deine Meinung dazu? Oh, vieles noch könnte man über das Gute oder Schlechte unserer Handlungen sagen. Doch schließlich gilt, wer seinen angemessenen Beruf ausübt, erlangt einen guten Ruf.


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