Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 39 – Arjuna begegnet dem Mann aus den Bergen

Vaisampayana fuhr fort:
Nachdem all die ruhmreichen Rishis gegangen waren, nahm der Erlöser von allen Sünden, der berühmte Hara, die Gestalt eines baumlangen und sonnengleich strahlenden Kiratas (ein Jäger der Wälder; Die Kiratas bildeten eine spezielle Kaste, welche in der damaligen Hindu- Gesellschaft fast als Ausgestoßene galten.) an, ergriff einen schönen Bogen und eine Vielzahl an Pfeilen, die giftigen Schlangen glichen, und wie die Verkörperung des Feuers stieg er schnell hinab zur Flanke des Himavat. Der wohlgestalte Gott der Götter wurde von Uma in Gestalt einer Kirata Frau begleitet, von einem Schwarm fröhlicher Geister in allen Formen und Erscheinungen und von tausenden Apsaras, die sich alle als Kirata Frauen gaben. So erstrahlte die Gegend plötzlich in glänzender Schönheit, als der Gott der Götter in dieser Begleitung zur Erde herabkam. Sogleich legte sich eine feierliche Stille über den Ort. Die gewöhnlichen Geräusche des Frühlings, der Wasserläufe und Vögel verschwanden. Und als der Gott der Götter sich Arjuna näherte, offenbarte sich diesem ein außergewöhnlicher Anblick. Doch im gleichen Moment stürzte sich der Danava Muka in Gestalt eines rasenden Keilers auf Arjuna. Und Arjuna griff sofort nach seinem Bogen Gandiva und einer Handvoll schlangengleicher Pfeile, spannte den Bogen und erfüllte die Luft mit dem Sirren seiner Bogensehne.

Arjuna rief dem Keiler zu:
Ich kam hierher und tat dir kein Leid an. Wenn du nun versuchst, mich zu töten, werde ich dich zu Yama senden.

In dem Augenblick erschien Mahadeva, der Gott der Götter, als Kirata, und gebot Arjuna Einhalt:
Auf diesen Keiler, der so groß und dunkel wie der Berg von Indrakila ist, habe ich zuerst gezielt.

Doch Arjuna ignorierte seine Mahnung und schoß auf den Keiler. Auch der feurig strahlende Kirata entließ auf dasselbe Ziel einen donnergleichen und flammenden Pfeil. Beide Pfeile trafen im selben Moment den riesigen und eisenharten Körper von Muka, und erzeugten dabei ein Geräusch, als ob mit lautem Knall Blitz und Donner zugleich in einen Berg einschlügen. Die beiden Pfeile vervielfachten sich in zahllose Schlangen mit feurigem Schlund, und Muka gab sein Leben auf, während er ein letztes Mal seine gräßliche Rakshasa Gestalt zeigte. Danach gewahrte Arjuna vor sich diesen golden strahlenden Mann, der wie ein Kirata gekleidet war, in Begleitung vieler Frauen.

Mit heiterem Herzen und lächelnd sprach Arjuna zu ihm:
Wer bist du, der du in diesen einsamen Wäldern wanderst mit so vielen Frauen an deiner Seite? Oh du mit dem Glanze von Gold, fürchtest du diesen gräßlichen Wald denn nicht? Und warum hast du auf den Keiler geschossen, obwohl ich zuerst auf ihn angelegt hatte? Dieser Rakshasa kam aus irgendeinem Grund hierher, wohl um mich zu töten, und ich zielte als Erster auf ihn. Deshalb sollst du mir nicht lebendig davonkommen. Dein Verhalten mir gegenüber widerspricht den Traditionen der Jagd, und das wirst du, oh Mann aus den Bergen, mit deinem Leben bezahlen.

Doch der Kirata lächelte ebenfalls und antwortete Arjuna sanft:
Oh Held, sei nicht besorgt wegen mir. Dieser Wald ist mir vertraut, denn wir leben immer hier. Doch ich möchte fragen, warum du dir hier deine Heimstatt aufschlugst inmitten so vieler Gefahren. Wir sind es gewohnt, mit vielen Tieren im Wald zu leben, oh Asket. Doch warum lebst du hier in dieser einsamen Gegend, der du so zärtlich und in Luxus aufgezogen wurdest und dem strahlenden Feuer gleichst?

Arjuna sprach:
Zusammen mit Gandiva und seinen feuergleichen Pfeile lebe ich in diesem großen Wald wie ein zweiter Pavaki (der Sohn von Pavaka, Gott Kartikeya). Du hast gesehen, wie dieser furchtbare Rakshasa als tierisches Monster mich angriff und von mir getötet wurde.

Der Kirata erwiderte:
Der Rakshasa wurde zuerst von meinem Pfeil getroffen. Ich habe ihn getötet und zu Yama gesandt. Mein Schuß hat ihm das Leben genommen. Es ist nicht angemessen, daß du aus Stolz auf deine Kraft deine Mangelhaftigkeit anderen unterstellst. Oh, du Falscher, du wirst mir wohl nicht mit dem Leben davonkommen. Stell dich! Ich werde Pfeile wie Donnerschläge auf dich senden. Kämpfe und wehre dich mit den mächtigsten Pfeilen, die du hast!

Kampf mit Mahadeva

Nach diesen Worten des Kirata erhob sich in Arjuna der Zorn, und er eröffnete den Kampf. Mit frohem Herzen empfing der Kirata alle Pfeile und wiederholte dabei immer wieder: „Du Lump, schieß nur deine besten Pfeile ab! Durchbohre nur die innersten Organe, wenn du kannst!“ So ließ Arjuna viele Pfeile auf den Kirata regnen, und eine schreckliche Schlacht begann, welche in beiden die Kampfeswut entfachte. Arjuna entließ einen perfekten Pfeileschauer mit Geschossen, so gefährlich wie giftige Schlangen. Doch Shiva ertrug diesen bohrenden Regen mit freudigem Herzen, und stand unverwundet und unbeweglich wie ein Berg.

Dies verwunderte Dhananjaya sehr, und er rief entzückt:
Vorzüglich! Hervorragend! Dieser Jäger aus den Bergen mit den schöngeformten Gliedern erträgt die Pfeile von Gandiva ohne zu beben. Wer ist er? Ist dies ein Gott, Yaksha, Dämon oder Shiva selbst? Manchmal steigen die Götter auf die Höhen des Himavat herab. Doch nur der Gott, welcher den Bogen Pinaka trägt, könnte den Sturm der tausend Pfeile, die ich mit Gandiva abschieße, ertragen. Doch wer es auch ist, jeden außer Shiva, werde ich zu Yama senden.

So dachte Arjuna bei sich und schoß mit leichtem Herzen hunderte, sonnengleich strahlende Pfeile ab. Auch diesen glänzenden Sturm ertrug der Schöpfer der Welten, dieser Träger des Dreizacks mit frohem Herzen, wie ein Berg eine Felslawine erträgt. Doch dann erschöpften sich plötzlich Arjunas Pfeile, und das alarmierte Arjuna sehr. Er erinnerte sich an den ruhmreichen Gott Agni, der ihm nach dem Brand im Khandava Wald zwei unerschöpfliche Köcher gegeben hatte.

So dachte er:
Weh, meine Pfeile sind ausgegangen. Womit soll ich jetzt meinen Bogen bestücken? Wer ist dieses Wesen, der meine Pfeile schluckt? Ich werde ihn mit der Spitze meines Bogens schlagen, wie man einen Elefanten mit der Lanze tötet, und ihn so in die Bereiche des keulentragenden Yamas senden.

So stürmte Arjuna mit dem Bogen gegen Kirata, würgte ihn mit der Bogensehne und landete furchtbare Schläge, die wie Blitze einschlugen. Doch im nächsten Moment schlug ihm der Mann aus den Bergen den himmlischen Bogen aus der Hand. Da nahm Arjuna sein Schwert und griff erneut an, um den Zweikampf für sich zu entscheiden. Mit der ganzen Kraft seines Armes schwang er die scharfe Klinge, der sonst nicht einmal festes Gestein widerstehen konnte, und traf den Feind am Kopf. Doch bei der kleinsten Berührung mit dem Haupt des Kirata zerbrach dieses Beste aller Schwerter in viele Teile. So griff sich Arjuna Felsen und Bäume, und führte den Kampf fort. Doch auch diesen Geschoßhagel ertrug der ruhmreiche Gott in Gestalt eines hochgewachsenen Kirata mit Geduld. Mit vor Zorn rauchendem Atem ging Arjuna zum Zweikampf mit der Faust über. Er landete schreckliche Treffer, doch der Gott schlug mit geballter Faust nicht minder heftig zurück. Der Ort des Kampfes hallte wider von den gräßlichen Geräuschen der zuschlagenden Fäuste. Doch nur für einem Moment dauerte dieser Faustkampf an, der dem alten Kampf zwischen Vritra und Vasava glich. Dann umschlang der starke Arjuna die Brust des Kirata und quetschte ihn gewaltig. Doch auch der mächtige Kirata preßte den Sohn des Pandu mit Brust und Armen, bis aus beiden Körpern schwarzer Rauch aufstieg. Dann schlug der große Gott den bereits geschlagenen Sohn des Pandu mit ganzer Macht, so daß jenem die Sinne schwanden. Seine Glieder waren verletzt und erschlafft, und er konnte sich nicht mehr bewegen. Vom großen Gott umschlungen und fast zerdrückt stockte ihm der Atem, er fiel bewußtlos zur Erde und sah wie tot aus.

Doch im gleichen Moment erwachte er wieder, erhob sich blutüberströmt, und wurde von großer Verzweiflung erfüllt. So verbeugte er sich im Geiste vor dem gnädigen Gott der Götter, formte eine Lehmfigur der Gottheit und ehrte sie mit Blumenkränzen. Doch dann sah er vor seinem geistigen Auge, daß der Blumenkranz für die Lehmgottheit das Haupt des Kirata bedeckte. Dies erfüllte Arjuna wieder mit großer Freude, und er war erleichtert. Diesmal verbeugte er sich vor den Füßen Shivas, und der Gott war sehr zufrieden mit ihm. Und Hara sprach zum staunenden Arjuna, dessen Körper von der Askese ganz ausgemergelt war, mit tiefer, dröhnender Stimme:
Oh Arjuna, ich bin mit deinen unvergleichlichen Taten höchst zufrieden. Es gibt keinen Kshatriya, der dir in Mut und Geduld gleicht. Oh Sündenloser, deine Stärke und dein Heldenmut sind dem meinen fast ebenbürtig. Oh Starkarmiger, ich bin wahrlich zufrieden mit dir. So schaue mich, oh Bulle der Bharatas! Oh Großäugiger, ich werde dich mit dem Auge segnen (um mein wahres Wesen zu erkennen). Du warst einst ein mächtiger Rishi! Du wirst alle deine Feinde besiegen, selbst die Bewohner des Himmels. Und weil ich mit dir zufrieden bin, werde ich dir unwiderstehliche Waffen gewähren. Schon bald wirst du sogar meine Waffe beherrschen.

Vaisampayana fuhr fort:
Und da erblickte Arjuna Mahadeva, den strahlenden Gott, den Träger von Pinaka, der seine Heimstatt auf dem Berg Kailash hat, mit Uma an seiner Seite. Arjuna beugte Knie und Haupt, ehrte Hara und bat ihn um Gnade.

Arjuna ehrt Mahadeva

Arjuna sprach:
Oh Kapardin, Herr über alle Götter, Zerstörer der Augen von Bhaga, Gott der Götter, oh Mahadeva, du mit der blauen Kehle und den verfilzten Locken, ich kenne dich als die Ursache aller Ursachen, du mit den drei Augen und Herr über alles. Du bist die Zuflucht aller Götter. Aus dir kam das Universum. Du kannst niemals von den drei Welten, den Himmlischen, Dämonen oder Menschen besiegt werden. Du bist Shiva in Gestalt Vishnus und Vishnu in Gestalt Shivas. Du hast vor langer Zeit das große Opfer des Daksha zerstört. Oh Hari, oh Rudra, ich verneige mich vor dir. Du hast ein Auge auf deiner Stirn. Oh Sharva, du läßt die Erfüllung von Wünschen regnen, du Träger von Dreizack und Pinaka. Oh Surya mit dem reinen Körper, du Schöpfer von allem, ich verbeuge mich vor dir. Du Herr aller geschaffenen Dinge, ich verehre dich, um dein Wohlwollen zu gewinnen. Du bist der Herr der Ganas, die Quelle allen universalen Segens und die Ursache der Ursachen im Universum. Du bist sogar jenseits des Höchsten aller männlichen Wesen. Du bist das Größte und das Kleinste. Oh Hara, oh ruhmreicher Shankara, bitte gewähre mir Vergebung für meinen Fehler. Um dich zu schauen, kam ich zu diesem großen Berg, der dir lieb und den Asketen eine vorzügliche Bleibe ist. Du wirst von allen Welten verehrt. Oh Herr, auch ich ehre dich und bitte um deine Gnade. Erachte mein vorschnelles Handeln nicht als Makel, als ich mich aus Unwissenheit in diesen Kampf mit dir stürzte. Oh Shankara, ich flehe um deinen Schutz. Vergib mir alles, was ich getan habe.

Da nahm der große und mächtige Gott, dessen Zeichen der Bulle ist, Arjunas Hand in seine eigene schöne Hand und sprach lächelnd:
Ich habe dir vergeben.

Dann umarmte er Arjuna voller Freude und besänftigte ihn mit weiteren Worten.


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