Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 30 – Draupadis Zweifel

Draupadi erwiderte:
Ich verneige mich vor Dhatri und Vidhatri (Gott und die Verkörperung der Taten), die unsere Sinne umwölken. Du bewertest die Last, die du trägst, ganz anders als deine Väter und Großväter. Taten bewirken, daß Menschen in die verschiedensten Situationen im Leben geraten. Taten bewirken unvermeidliche Wirkungen; und man wünscht sich Befreiung von reiner Narrheit. Es scheint, daß Menschen in dieser Welt niemals Wohlstand erlangen durch Tugend, Sanftmut, Vergebung, Geradlinigkeit und Tadellosigkeit. Denn wenn es so wäre, oh Bharata, wäre diese unerträgliche Katastrophe niemals über dich und deine energetischen Brüder gekommen, denn ihr verdient dieses Elend nicht. Sowohl in guten als auch in schlechten Tagen war dir niemals etwas lieber als die Tugend. Du hast sie immer höher geschätzt als dein Leben. Und alle Brahmanen, Höhergestellten und Himmlischen wissen, daß dein Königreich und dein Leben der Tugend gehören. Ich denke, du kannst Bhima und Arjuna verlassen, auch die Zwillinge und mich. Doch du kannst niemals die Tugend verbannen. Ich habe gehört, daß ein König die Tugend beschützt und die Tugend wiederum den König. Doch dich beschützt die Tugend ganz und gar nicht! Wie der Schatten einen Menschen verfolgt, so sucht dein Herz einzig und allein die Tugend, oh Tiger unter den Männern. Du hast niemals Ebenbürtige, Untertanen oder Höhergestellte mißachtet. Du hast die ganze Welt erobert, doch dein Stolz ist nicht größer geworden. Du ehrst die Brahmanen, Götter und Pitris mit Swahas und Swadhas und vielem mehr. Oh Sohn der Pritha, du hast den Brahmanen jeden Wunsch erfüllt und sie immer zufriedengestellt. Yatis, Sannyasins (Asketen) und andere Bittsteller mit einem häuslichen Leben sind in deinem Haus von goldenen Tellern bedient worden. Ich selbst habe ihnen ihr Essen gereicht. Den Vanaprasthas hast du immer Gold und Essen gegeben. Es gibt nichts in deinem Haus, was du den Brahmanen vorenthalten würdest.

Für deinen Frieden wurde das Viswadeva Opfer durchgeführt, und alle geweihten Dinge wurden erst den Gästen und allen anderen Wesen angeboten, während du immer nur von den Resten lebtest. In deinem Haus wurden ständig die wünscherfüllenden Ishti und Pashubandha Riten abgehalten, alle regulären Riten eines guten Haushalts, das Paka Opfer und viele mehr. Selbst hier im Exil, in diesem großen und einsamen Wald voller Räuber, und ohne dein Königreich hat deine Tugend nicht abgenommen. Du hast selbst die großen Opfer durchgeführt, wie das Asvamedha (Pferdeopfer), das Rajasuya, das Pundrika (Elefantenopfer) und das Gosava (Kuhopfer), die immense Mengen an Opfergaben erfordern. Doch ein eigenartiger Sinn überkam dich in dieser gräßlichen Stunde des Würfelspiels, als du gesetzt und alles verloren hast: dein Reich, deine Schätze, deine Waffen, deine Brüder und sogar mich. Du bist geradlinig, sanft, aufgeschlossen, ehrlich und wahrhaftig. Wie konnte es geschehen, daß sich dein Geist zu den Übeln des Würfelspiels hingezogen fühlte? Ich verliere fast den Verstand, und mein Herz ist voller Trauer, wenn ich dich in diesem Elend sehe.

Viele alte Geschichten werden erzählt, um die Wahrheit zu verdeutlichen, daß der Mensch dem Willen Gottes unterworfen ist, und nicht sein eigener Herr ist. Der hohe Gott und Lenker bestimmt alles Wohl und Wehe dieser Welt. Noch vor ihrer Geburt, wird alles Glück und Leid der Wesen gemäß ihrer Taten bestimmt. Die Taten sind dann wie Samen (aus denen der Baum des Lebens sprießt). Oh heldenhafter Mann, wie eine hölzerne Puppe mit Fäden an ihren Gliedern bewegt wird, so bewegt der allumfassende Herr die Wesen. Gott durchdringt alle Wesen wie der Raum ein jedes Objekt, und bestimmt ihr Wohl und Wehe. Und wie ein Vogel an der Leine, so hängt jede Kreatur von Gott ab. Jedes Wesen ist ein Diener Gottes und von niemandem sonst. Niemand kann sich selbst lenken. Wie ein Perle auf der Schnur, wie ein Bulle durch den Nasenring oder wie ein Baumstamm, der in der Mitte eines Stroms schwimmt, so folgen wir den Befehlen des Schöpfers, sind erfüllt von Seinem Geist und in Ihm gegründet. Der Mensch hängt von der Universalen Seele ab und kann nicht einen Moment unabhängig sein. In Dunkelheit gehüllt sind die Wesen nicht Meister ihres Glücks oder Leids. Sie gehen zur Hölle oder in den Himmel ein, wie Gott sie eben führt. Wie ein Strohhalm dem starken Wind ausgeliefert ist, so hängen alle Wesen an Gott. Und Gott selbst, der alles durchdringt und alle Arten von Taten vollführt, bewegt sich durchs Universum auf eine Weise, daß niemand sagen kann: „Das ist Gott.“

Dieser Körper mit seinen Eigenschaften ist nur dazu da, daß der Höchste Herr die Wesen die Früchte ihrer Taten ernten lassen kann, seien sie angenehm oder schmerzhaft. Erkenne die Macht der Illusion, die Gott verbreitet, und welche die in ihr gefangenen Wesen sogar ihre Kameraden töten läßt. Nur die in Wahrheit gegründeten Munis erkennen es anders. Ihnen erscheinen die Dinge in einem wahrhaften Licht. Gewöhnliche Menschen sehen die irdischen Dinge nicht wie sie. Gott bestimmt, welches Wesen welchen Weg während Schöpfung und Auflösung nimmt. Und, oh Yudhishthira, der Allmächtige verbreitet Illusion und vernichtet die Kreaturen, indem er sie als Werkzeuge benutzt, so wie man Holz mit Holz bearbeiten kann, Stein mit Stein oder Metall mit Metall. Wie es ihm beliebt, verfährt der Höchste Gott mit seinen Kreaturen. Er erschafft oder vernichtet sie wie ein Kind mit Spielzeug spielt. Mir scheint es, oh König, daß sich Gott manchmal liebvoll wie Mutter oder Vater zu seinen Kreaturen verhält, und manchmal scheint er ihnen mit Zorn zu begegnen wie eine grausame Person. Wenn ich sehe, wie edle und aufrechte Menschen leiden müssen, während die Sünder fröhlich sind, bin ich völlig verstört. Im Angesicht deines Leidens und Duryodhanas Freude, kann ich nicht mehr hoch vom Großen Lenker sprechen, der solche Mißverhältnisse zuläßt. Oh Herr, welche Früchte erntet der Große Lenker, indem er Duryodhana Wohlstand gewährt, wo jener die Gesetze übertritt, betrügerisch und habgierig ist, und Tugend und Religion verletzt. Wenn eine Tat dem Täter anhaftet und niemandem sonst, dann wäre Gott selbst befleckt mit der Sünde jeder Tat. Doch wenn ihm die Sünde einer Tat nicht anhaftet, dann wäre die Macht (des Individuums und nicht Gottes) die wahre Ursache von Taten, und so traure ich um jene, die ihre Macht nicht ausüben.


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