Pushpak Mahabharata Buch 3Zurück WeiterNews

Aranyaka Parva – Die Lehren des Waldes

Kapitel 1 – Das Exil beginnt

OM. Sich vor Nara und Narayana verbeugend, diesen Höchsten der männlichen Wesen, und auch vor Sarasvati, der Göttin des Lernens, möge das Wort Jaya (Sieg) erklingen.

Janamejaya sprach:
Oh du Bester der Zweifachgeborenen, was taten die Söhne der Pritha, diese Kuru Prinzen und meine Vorfahren, nachdem sie von den Söhnen Dhritarashtras und ihren Ratgebern so hinterhältig betrogen worden waren? Sie wurden von diesen Übeltätern erzürnt, und dies mußte eine gräßliche Feindschaft heraufbeschwören, zumal solch grausame Worte fielen. Wie verbrachten die heldenhaften Söhne der Pritha ohne allen Reichtum und von Gram überwältigt ihre Zeit im Wald? Wer folgte den Spuren dieser vom Elend verfolgten? Wie verhielten sich die Hochbeseelten, wovon lebten und wo wohnten sie? Oh du ruhmreicher Asket und vorzüglichster Brahmane, wie vergingen diese zwölf Jahre des Exils für die feindebezwingenden Krieger? Wie erging es dieser Besten aller Frauen im Walde, der unverdient leidenden Prinzessin, die immer ihren Gatten ergeben, tugendhaft und wahrheitsliebend war? Oh, sprich mir von allen Einzelheiten, du an Askese reicher Brahmane, denn ich möchte hören, wie du die Geschichte dieser mächtigen und glanzvollen Helden erzählst. Meine Neugier ist wahrlich groß.

Und Vaisampayana erzählte:
Die Pandavas trugen ihre Waffen und wurden von Draupadi begleitet, als sie in nördliche Richtung durch das Vardhamana Stadttor davonzogen. Indrasena (der Wagenlenker von Yudhishthira) und vierzehn andere Diener folgten ihnen mit ihren Ehefrauen in schnellen Wagen. Als die Bürger erfuhren, daß die Pandavas abgereist waren, wurden sie von Trauer überwältigt und begannen, Bhishma, Drona, Vidura und Gautama zu tadeln. Sie kamen zusammen und sprachen furchtlos zueinander:
Weh! Unsere Familien, wir selbst und unsere Heimat sind verloren, wenn der gemeine Duryodhana nach dem Königreich trachtet und dabei von Shakuni, Karna und Dushasana unterstützt wird. Ach, all unsere alten Traditionen, unsere Tugend und unser Wohlstand sind verdammt, wenn sich dieser sündige Übeltäter mit all den anderen ebenso sündigen Übeltätern an das Reich heranmacht. Wie kann es ohne die Pandavas Glück geben? Duryodhana trägt die Abneigung zu allem Höheren in sich. Er hat sich von gutem Betragen losgesagt und streitet mit denen, die ihm nahe Blutsverwandte sind. Er ist habgierig, niedrig, gemein und von grausamer Natur. Die Erde ist verdammt, wenn er ihr Herrscher wird. Oh, laßt uns lieber mit denen gehen, die voller Mitgefühl sind, die ihre Leidenschaften beherrschen und hochbeseelt sind, die den Feind an Tugend überstrahlen und bescheiden, ruhmreich und fromm sind. Laßt uns mit den Söhnen des Pandu gehen.

Mit diesen Worten folgten nun auch die Bürger den Pandavas, holten sie ein und sprachen zu ihnen mit gefalteten Händen:
Seid gesegnet! Wohin geht ihr und laßt uns kummervoll zurück? Wir werden euch überallhin folgen. Wir waren über alle Maßen traurig, als wir vernahmen, wie ihr von unnachgiebigen Gegnern so betrügerisch besiegt worden seid. Und nun ziemt es sich nicht für euch, uns liebende Untertanen und teuren Freunde zu verlassen, die wir immer euer Wohlergehen gesucht und euch angenehme Dienste geleistet haben. Wir möchten nicht von sicherer Vernichtung heimgesucht werden, wenn wir im Reich des Kurus Königs bleiben. Ihr Bullen unter den Männern, vernehmt, wie wir die Vor- und Nachteile aufzählen, welche entstehen, wenn man sich selbst mit Gutem oder Ungutem verbindet. So wie der Boden, das Wasser, Sesamsamen und Kleider den Duft von Blumen annehmen, so sind alle Erscheinungen ein Ergebnis ihrer Verbindungen. Wer sich deshalb mit Narren umgibt, versinkt in Illusion, welche den Geist verstrickt. Die tägliche Verbindung mit Guten und Weisen führt jedoch zur Ausübung von Tugend. Wer sich also nach Befreiung sehnt, sollte sich mit Weisen, Erfahrenen, Wahrhaften und Reinen verbinden, denn sie besitzen asketischen Verdienst. Man sollte denen dienen, welche über reines, dreifaches Gut verfügen, nämlich Wissen, edle Herkunft und gute Taten. Die Verbindung mit solch reinen Menschen ist sogar dem Studium der Schriften vorzuziehen. Ohne eigenen, religiösen Verdienst ernten wir denselben, wenn wir uns mit Gerechten verbinden; so wie wir uns mit Sünde beladen, wenn wir den Sündhaften dienen. Schon Anblick und Berührung von Unehrenhaftigkeit, so wie der Austausch und das Leben mit Sündigen verringern die Tugend, und kein Mensch gelangt so zur Reinheit der Seele. Der Umgang mit Unedlem beeinträchtigt die Vernunft. Der Umgang mit Mittelmäßigkeit macht mittelmäßig. Doch die Verbindung mit dem Guten erhöht die Vernunft. Alle Eigenschaften dieser Welt, welche die Menschen achten, die Veden betonen, die Aufrechten loben und von denen gesagt wird, daß sie die Quelle von religiösem Verdienst, weltlichem Wohlstand und Liebe sind, leben in euch, sowohl einzeln als auch vereint. Und so sehnen wir uns nach Wohlstand und möchten mit euch leben, denn ihr seid gut und edel.

Yudhishthira antwortete:
Gesegnet sind wir, wenn das Volk unter Führung der Brahmanen uns aus Zuneigung und Mitgefühl Verdienste zuschreibt, welche wir gar nicht besitzen. Doch ich nebst meinen Brüdern möchte euch um Eines bitten. Wenn ihr wirklich Liebe und Mitgefühl für uns empfindet, dann solltet ihr unserer Bitte Folge leisten.
Unser Großvater Bhishma, König Dhritarashtra, Vidura, unsere Mutter und fast all unsere guten Freunde, die uns Gutes wünschen, sind in Hastinapura geblieben. Wenn ihr wohl an uns handeln wollt, dann versorgt ihr alle zusammen jene, die von Gram und Kummer überwältigt zurückgeblieben sind. Aus Trauer um unsere Abreise seid ihr weit mit uns gegangen. Doch nun geht wieder zurück, und richtet eure Herzen mit zärtlicher Sorge auf unsere Verwandten, die ich euch hiermit anvertraue. Das ist die einzige Wohltat, nach der mein Herz verlangt. Wenn ihr meiner Bitte folgt, dient ihr mir am besten und macht mir große Freude.

Vaisampayana fuhr fort:
Nachdem Yudhishthira, der Gerechte, die Menge solcherart ermahnt hatte, stöhnten alle gleichzeitig laut auf und klagten: „Weh, unser König!“. Zutiefst erregt und traurig, doch mit Wissen um die Tugenden von Prithas Sohn nahmen die Bürger unwillig, doch folgsam Abschied von den Pandavas und lenkten ihre Schritte zurück in die Stadt. Nachdem die Menschen den Söhnen Pandus nicht länger folgten, bestiegen jene ihre Wagen und machten sich auf den Weg zum großen Banian Baum namens Pramana am Ufer der Ganga. Noch vor Anbruch der Nacht kamen sie an der rechten Stelle an, reinigten sich, indem sie das heilige Wasser berührten und verbrachten die Nacht unter dem Baum. Vor lauter Trauer nahmen sie die erste Nacht nur Wasser zu sich. Dabei leisteten ihnen einige Brahmanen Gesellschaft, welche beiden Klassen angehörten (die das heilige Feuer hüten oder auch nicht) und mit ihren Schülern und Familien den Pandavas gefolgt und liebevoll ergeben waren. Inmitten jener, welche Brahma sprachen, erstrahlte der König hell und glänzend. In dieser Nacht, welche zugleich schön und schrecklich war, entzündeten die Brahmanen ihre Feuer, sangen einvernehmlich und mit süßen Stimmen wie Schwanengesang die Veden und besänftigten damit diesen Besten der Kurus, König Yudhishthira.


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