Pushpak Mahabharata Buch 2Zurück WeiterNews

Kapitel 49 – Duryodhana klagt Dhritarashtra sein Leid

Vaisampayana fuhr fort:
So traten die beiden, Shakuni und Duryodhana, vor Dhritarashtra hin. Gandharis Sohn war noch ganz erfüllt vom großen Rajasuya Opfer König Yudhishthiras. Und Shakuni, welcher nun die Absichten Duryodhanas kannte und ihm wohl tun wollte, wandte sich an den thronenden Monarchen, dessen Auge seine Klugheit war.

Shakuni sprach:
Wisse, oh großer König, daß Duryodhana, dieser Bulle der Bharatas, seine Gesichtsfarbe verloren hat, bleich, ausgemergelt und ein Opfer von Depression und Kummer ist. Warum fragst du deinen ältesten Sohn nicht nach der Quelle seiner Qualen und welches Leid ihm der Feind im Herzen verursacht?

Da fragte Dhritarashtra seinen Sohn:
Duryodhana, was ist der Grund für deine Sorgen, oh Sohn der Kurus? Wenn es angemessen ist, daß ich davon erfahre, so sprich. Shakuni sagt, du bist bleich und traurig. Doch ich weiß nicht, warum. Meine großen Schätze gehören dir. Deine Brüder und alle unsere Verwandten tun nie etwas, was dir mißfällt. Du trägst die besten Kleider und genießt köstliche und reiche Nahrung. Die vorzüglichsten Pferde tragen dich. Was hat dich bleich und schwach gemacht? Kostbare Möbel, schöne Damen, herrliche Paläste mit allem Zierrat und die entzückendsten Vergnügungen warten nur auf dein Wort, wie es bei Göttern selbst der Fall ist. Warum also, oh du Stolzer, sorgst du dich, als ob du arm wärst?

Duryodhana antwortete:
Ich esse, kleide mich und verbringe meine Zeit wie ein armer Wicht, denn ich bin ein Opfer von schneidendem Neid geworden. Nur der ist ein Mann, der den Stolz seines Feindes nicht erträgt und seine Untertanen kämpfend von der Tyrannei dieses Feindes erlöst. Genügsamkeit und Überheblichkeit gehen nicht mit Wohlstand Hand in Hand, oh Bharata. Und wer unter den Einfluß von Mitleid und Angst gerät, erreicht niemals etwas Hohes. Seit ich Yudhishthiras Wohlstand geschaut habe, stellt mich nichts mehr zufrieden. Der strahlende Glanz seiner Schätze läßt mich erbleichen. Auch wenn ich den Überfluß des Feindes gar nicht vor Augen habe, so sehe ich ihn doch in meiner Armut. Deswegen bin ich blaß, melancholisch und abgezehrt. Yudhishthira bewirtete achtundachtzigtausend Snataka Brahmanen, welche ein häusliches Leben führen, und gab jedem von ihnen dreißig Dienerinnen. Außerdem essen täglich tausende Brahmanen in seinem Palast die köstlichsten Speisen von goldenen Tellern. Der König von Kamboja sandte ihm zahllose Felle in schwarz, dunkelbraun und rot vom Kadali Hirsch und Berge von hervorragenden Decken. Abertausende Elefanten- und Kamelkühe wandern innerhalb der Palasthöfe umher, denn die Könige der Erde brachten sie alle als Tribut in die Hauptstadt der Pandavas. Und, oh Herr der Erde, die Könige schenkten dem Sohn der Kunti zu seinem Opfer auch Berge von Juwelen, Edelsteinen und Perlen. Niemals zuvor ward solch enormer Reichtum gesehen, wie er dem klugen Sohn des Pandu in diesem Opfer zuteil wurde. Nachdem ich diese Ansammlung von Schätzen gesehen habe, finde ich keinen Frieden mehr in meinem Geist, oh König. Hunderte Brahmanen, welche Yudhishthira mit Land und Kühen reich gemacht hatte, warteten mit ihren unzählbaren Gaben am Palasttor und konnten von den Wächtern nicht eingelassen werden. Auch als sie geklärte Butter in hübschen, goldenen Kamandalus brachten, wurde ihnen der Eintritt in den Palast verwehrt. Der Ozean selbst brachte ihm Krüge aus weißem Kupfer mit dem Nektar, der in seinen Wassern zu finden und so viel kostbarer ist, als der Saft, den die Blumen und Kräuter für Shakra geben.

Am Ende des Opfers brachte Vasudeva eine makellose Muschel, und badete Yudhishthira in Meereswasser, welches in tausenden, juwelenverzierten Goldkrügen herangeschafft worden war. Als ich das sah, fieberte ich vor Neid. Diese Gefäße waren am östlichen und südlichen Meeresufer gefüllt worden. Auch vom Ufer im Westen waren sie von starken Männerschultern herbeigetragen worden. Und niemand, oh Vater, außer den Vögeln kann in den Norden vordringen, doch Arjuna war dort und brachte reiche Beute heim. So höre denn, wie ich dir noch etwas Wunderbares berichte. Es war vereinbart, daß ein Chor von Muschelhörnern geblasen wird, wenn wieder hunderttausend Brahmanen bewirtet wurden. Doch ich habe die Muschelhörner jeden Tag ununterbrochen gehört! Bei diesem Klang standen mir die Haare zu Berge. Die Palastanlage sah mit all den Monarchen als Zuschauern außerordentlich schön aus wie der wolkenlose Nachthimmel mit seinen strahlenden Sternen. Die Könige, die zum Opfer mit all ihren Geschenken gekommen waren, kümmerten sich wie Vaisyas um die Bewirtung der Brahmanen. Den prunkvollen Überfluß, den ich bei Yudhishthira sah, den findet man nicht beim Anführer der Himmlischen, noch bei Yama oder Varuna oder dem Gott des Reichtums. Seitdem brennt mein Herz, und ich kann mich keines Friedens erfreuen.

Shakuni meinte dazu:
Oh höre, Duryodhana, wie du dir diesen unvergleichlichen Reichtum, den du bei Yudhishthira geschaut hast, zu eigen machen kannst. Oh du, welcher die Wahrheit als Kraft besitzest, ich bin ein Meister im Würfeln und darin allen auf Erden überlegen. Ich weiß, wann ein Wurf erfolgreich ist oder auch nicht, und wann man setzen kann und wann nicht, denn ich habe besondere Kenntnisse in diesem Spiel. Der Sohn der Kunti hat darin wenig Erfahrung. Und wenn man ihn bittet, ob zum Spiel oder zur Schlacht, wird er sicher vortreten. Dann werde ich ihn besiegen und bei jedem Wurf täuschen. Ich verspreche, all seinen Reichtum zu gewinnen, und du, Duryodhana, mögest dich am selbigen erfreuen.

Ohne einen Augenblick verstreichen zu lassen sprach Duryodhana zu seinem Vater Dhritarashtra:
Shakuni ist wahrlich ein Experte im Würfelspiel und bereit, die Reichtümer der Pandavas zu gewinnen. Oh König, gewähre ihm die Erlaubnis, es zu tun.

Doch Dhritarashtra entgegnete:
Ich folge immer den Ratschlägen meines weisen Beraters Vidura. Ich werde mich mit ihm beraten und dich dann wissen lassen, wie ich mich entschieden habe. Er ist mit weiser Voraussicht gesegnet, hat immer die Moral vor Augen und wird raten, was gut und angemessen für beide Seiten ist und was in dieser Angelegenheit getan werden sollte.

Da widersprach Duryodhana heftig:
Wenn du dich mit Vidura berätst, wird er dich davon abbringen. Doch wenn du mir meine Wünsche verwehrst, oh König, werde ich mich sicher töten. Und wenn ich tot bin, dann sei glücklich mit Vidura. Dann kannst du dich an der ganzen Erde erfreuen. Welche Verwendung hast du schon für mich?

Dhritarashtra hörte die bewegenden Worte seines Sohnes mit gemischten Gefühlen, und entschloß sich dann, ihm Genüge zu tun. Er befahl seinen Dienern:
Laßt sogleich von Handwerkern und Künstlern eine schöne, angenehme und weiträumige Halle erbauen mit hundert Eingängen und tausend Säulen. Schafft Zimmerleute und Schreiner herbei, und laßt sie die Wände mit kostbaren Steinen bedecken. Macht alles schön und einfach für den Gebrauch. Und berichtet mir, wenn alles fertig ist.

Bereits entschlossen, Duryodhana zu Genüge zu tun, sandte der König dennoch Boten zu Vidura und ließ ihn rufen. Denn niemals wollte er eine Entscheidung treffen, ohne Vidura zu befragen. Obwohl er von den bösen Seiten des Würfelspiels wußte, lag es doch auf der Hand, daß er von dem Plan angezogen war. Als der kluge Vidura von allem erfuhr, wußte er sofort, daß die Ankunft Kalis bevorstand. Er sah, wie sich die Pforte der Zerstörung zu öffnen begann, und eilte unverzüglich zu Dhritarashtra. Er trat vor seinen älteren Bruder, verneigte sich zu dessen Füßen und sprach folgende Worte:
Hoher König, ich billige keinesfalls den Entschluß, den du bereits geformt hast. Für dich, oh König, ziemt es sich so zu handeln, daß sich zwischen deinen Kindern kein Streit erhebt wegen eines Würfelspiels.

Dhritarashtra antwortete:
Oh Khatta, wenn uns die Götter gewogen sind, wird sich niemals Streit unter meinen Söhnen erheben. Daher, ob nun glücksverheißend, wohltuend oder auch nicht, laß die freundschaftliche Herausforderung zum Würfeln zu. Denn das Schicksal hat es uns ohne Zweifel so bestimmt. Außerdem, wenn ich in der Nähe bin, nebst Drona, Bhishma und du, wird nichts Böses geschehen, auch wenn es uns das Schicksal zugedacht hätte. Laß die windesschnellen Pferde anspannen, besteige deinen Wagen, eile noch heute nach Indraprastha und bring Yudhishthira her. Ja, Vidura, das ist mein Entschluß. Sag nichts dazu. Ich erachte das Schicksal als Höchstes, welches uns dies alles bringt.

Vidura lauschte den Worten des Königs, war nun sicher, daß der Untergang seines Geschlechts bevorstand und begab sich traurig zum weisen Bhishma.


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