(Sauti sprach:
Nun höre zum Schluß auch das, was Vaisampayana damals über die Riten beim Lesen des Mahabharata und deren Früchte verkündet hatte.)
Janamejaya fragte:
Oh Heiliger, mit welchen Riten sollte der Gelehrte das Bharata hören? Welche Früchte gewinnt er sich? Welche Götter sollten während der verschiedenen Paranas (Anhörung des mehr oder weniger ganzen Werkes, von anderen vorgetragen oder selbst gelesen) geehrt werden? Welche Geschenke sollte man nach jedem Parva wie auch an den heiligen Tagen des Monats machen? Und welche Eigenschaften sollte der Erzähler haben? Oh Heiliger, erzähl mir das alles.
Vaisampayana antwortete:
So höre, oh König, über die Riten und Früchte, nach denen du mich gefragt hast. Die Götter kommen aus dem Himmel in diese Welt aus Freude am Handeln. Haben sie ihr Ziel erreicht, kehren sie in den Himmel zurück. Höre, was ich dir in Kürze erkläre. Im Mahabharata wird über die Geburt von Rishis und Göttern auf Erden gesprochen. In dieser Dichtung hört man von den unsterblichen Rudras, Sadhyas, Viswadevas, Adityas, den Aswin Zwillingen, den Regenten der Welt, großen Rishis, Guhyakas, Gandharvas, Nagas, Vidyadharas, Siddhas, den Göttern und ihren Verkörperungen, vielen Asketen, Bergen und Gebirgen, Meeren, Seen und Flüssen, den vielen Stämmen der Apsaras, Planeten, Jahren, Halbjahren und Jahreszeiten und dem ganzen Universum mit allen belebten und unbelebten Geschöpfen nebst den Dämonen. Wer ihre Namen und Taten hört und damit ihrer Verehrung beiwohnt, der wird sogar von gräßlichen Sünden reingewaschen. Wer die Dichtung mit gereinigtem Körper und konzentrierter Seele von Anfang bis Ende gehört hat, der sollte ein Sraddha zu Ehren der im Bharata genannten Wesen durchführen. Nach besten Kräften und mit Ehrfurcht sollten dabei die Brahmanen beschenkt werden. Ein König sollte sie mit Edelsteinen, Kühen, Kesseln aus hellem Messing zum Melken der Kühe, hübschen, geschickten und geschmückten Dienerinnen, diversen Fuhrwerken, schönen Häusern, Land und Kleidern beschenken. Auch andere Tiere sollte ein König geben, wie Pferde, brünstige Elefanten, und auch Möbel, Sänften und schöne Wagen. Was man Kostbares im Hause hat, das sollte man den Brahmanen geben, sogar sich selbst, Ehefrau und Kinder. Wer im Herzen ein Sehnen nach dem Bharata verspürt, sollte es frei von Zweifel dafür mit Liebe und Freude hören, und während des Hörens viele demütige Geschenke gemäß seiner Mittel machen.
Vernimm nun, wie ein solcher Zuhörer zu Erfolg gelangt, wenn er der Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit ergeben und gezügelten Geistes ist, den Gelübden folgt, die zur Reinheit führen, Vertrauen hegt und seinen Zorn besiegt hat. Zuerst sollte er einen Erzähler auswählen, der rein ist, ein gutes und tugendhaftes Betragen zeigt, weiße Kleidung trägt, seine Leidenschaften gezügelt und sich von allen Beleidigungen gereinigt hat, der alle Zweige des Wissens beherrscht, Vertrauen besitzt, frei von Boshaftigkeit ist und eine angenehme Ausstrahlung hat, der gesegnet, beherrscht, wahrhaft, würdevoll und angesehen ist, für die Gaben, die er austeilt. Der Erzähler sollte sich entspannt und bequem niedersetzen, und den Text voller Achtsamkeit weder zu langsam noch zu schnell rezitieren, mit klarer und sanfter Stimme, ruhig und mit genügend Energie. Dabei sollte er sich nicht versprechen, den Inhalt angemessen betonen und dabei jeden Buchstabe und jedes Wort verständlich mittels Brust, Kehle, Kopf, Zunge, Zähnen, Nase, Lippen und Gaumen intonieren (die acht Orte der Aussprache im Sanskrit). Sich vor Nara und Narayana verbeugend, diesen höchsten, männlichen Wesen, und auch vor der Göttin Sarasvati, sollte das Wort Jaya erklingen. Wer ebenso tugendhaft, gelübdetreu und gereinigt einem solchen Erzähler lauscht, wird herrliche Früchte erlangen.
Nach dem ersten Parana (Anhörung des mehr oder weniger ganzen Werkes, von anderen vorgetragen oder selbst gelesen) sollte der Hörer die Brahmanen mit wertvollen Geschenken erfreuen. Dabei gewinnt er den Verdienst eines Agnistoma Opfers und einen großen, himmlischen Wagen mit vielen Apsaras. Mit frohem Herzen und in Gesellschaft der Götter steigt er in den Himmel auf. Ist das zweite Parana vorüber, gewinnt der Hörer die Frucht eines Atiratra Gelübdes (über Nacht). Sein Wagen ist nun ganz aus kostbaren Juwelen. Er selbst empfängt hohe Ehren im Himmel, trägt himmlische Girlanden, Roben und Salben und verbreitet einen himmlischen Duft ringsumher. Das dritte Parana bringt den Verdienst eines Dwadashaha Gelübdes (über 12 Tage). Wie ein Gott lebt er für Myriaden von Jahren im Himmel. Beim vierten Parana erlangt er die Früchte eines Vajapeya Opfers. Beim fünften Parana gibt es doppelt so viel Verdienst. In einem himmlischen Wagen, welcher der aufgehenden Sonne gleicht oder dem lodernden Feuer vergnügt er sich für Myriaden von Jahren mit den Göttern im Bereich Indras. Beim sechsten Parana sind die Verdienste zweifach und beim siebten Parana dreifach so hoch. Der himmlische Wagen, der einen dann erwartet, ist ebenso schön wie der Kailash, hat einen Altar aus Lapislazuli und anderen kostbaren Edelsteinen, hegt viele prachtvolle Sachen, Perlen und Korallen, bewegt sich nach dem Willen des Fahrers und ist mit Apsaras angefüllt. Und wie ein zweiter Sonnengott bewegt sich der Hörer durch die Bereiche der Glückseligkeit. Beim achten Parana erntet man die Früchte eines Rajasuya Opfers. Der Hörer besteigt im Himmel einen herrlichen Wagen, der so sanft strahlt wie der aufgehende Mond. Ihn ziehen Pferde so weiß wie die Strahlen des Mondes und so schnell wie der Gedanke. Die schönsten Apsaras dienen ihm, deren Gesichter noch zauberhafter sind als der Mond. Er hört die entzückende Musik der Kettchen und Glöckchen, welche die schönen Frauen um ihre Hüften oder Fußgelenke tragen. Und wenn er schläft, ruht sein Haupt auf dem weichen Schoß der Schönsten, damit er erfrischt erwacht. Beim neunten Parana erlangt er die Früchte eines Pferdeopfers, dieses Besten aller Opfer. Sein himmlischer Wagen trägt nun eine Kammer auf goldenen Säulen, in welcher ein Lapislazuli Thron für ihn bereitsteht. Ringsum sind goldene Fenster, es wimmelt von Apsaras, Gandharvas und anderen Himmlischen, die ihm aufwarten, so daß er in großem Glanze erstrahlt. Er trägt himmlische Kleider, Düfte und Girlanden und vergnügt sich in Seligkeit mit anderen Göttern wie ein zweiter Gott. Hat er das zehnte Parana erreicht und die Brahmanen geehrt, erlangt er einen himmlischen Wagen mit klingenden Glöckchen, Flaggen und Bannern, einem Thron aus kostbaren Edelsteinen, einem Bogen aus Lapislazuli und einen goldenen Netzwerk ringsherum, Ecktürmchen aus Korallen und bezaubernd singenden Apsaras und Gandharvas, wie sie der Gerechte verdient. Er selbst trägt ein Diadem, das wie Feuer funkelt, ist mit den schönsten, goldenen Ornamenten und himmlischen Girlanden geschmückt, erfreut sich an himmlischen Dingen und strahlt durch die Gnade der Götter für viele, ehrenvolle Zeiten. In Gesellschaft der Gandharvas wandert er mit Indra durch seinen Bereich für volle einundzwanzigtausend Jahre. Täglich bewegt er sich, wie es ihm beliebt durch die verschiedenen Bereiche der Götter auf den prachtvollsten Wagen und in Begleitung der schönsten Damen. Er kann in die Sphäre des Sonnengottes eintauchen, auch in die des Mondgottes und die von Shiva. Ja, er kann sogar im Bereich von Vishnu mit Vishnu selbst leben. Daran gibt es keinen Zweifel. Das alles geschieht einem Menschen, der mit Vertrauen seinem Lehrer zuhört. Dabei sollte man dem Erzähler alles geben, was er wünscht. Ein König sollte Elefanten geben sowie Pferde, Fuhrwerke und die zugehörigen Zugtiere, goldene Armreifen, Ohrringe, heilige Schnüre, schöne Kleider und besonders Parfüme. Ehrt man den Erzähler wie die Gottheit, erlangt man die Region Vishnus.
Nun erkläre ich dir, was bei jedem Parva des Bharata während des Erzählens den Brahmanen geschenkt werden sollte, je nach ihrer Geburt, Herkunft, Wahrhaftigkeit, Größe und ihrer Neigung zur Tugend. Erst sollten die Brahmanen Segen spenden und dann mit dem Erzählen begonnen werden. Ist ein Parva beendet, sollten die Brahmanen nach besten Kräften geehrt werden. Als erstes sollte der Erzähler in gute Kleider gehüllt und mit duftender Salbe eingeschmiert mit Honig und dem besten Frumenty bewirtet werden. Ist das Astika Parva beendet, sollten die Brahmanen Früchte, Wurzeln, Frumenty, Honig, geklärte Butter und mit Rohzucker gekochten Reis bekommen. Ist das Sabha Parva erzählt, gibt man den Brahmanen Habishya (Reis, Milch und Zucker), Apupas (Kuchen aus Weizenmehl), Pupas (Kuchen aus Reismehl) und Modakas (Süßigkeiten) zu essen. Ist das Aranyaka Parva beendet, sollten die hohen Brahmanen mit Früchten und Wurzeln bewirtet werden. Nach dem Arani (bzw. Vana) Parva verschenkt man viele Töpfe mit Wasser und gibt den Brahmanen köstliches Essen, wie Reis, Früchte und Wurzeln. Während des Virata Parva sollte man Kleidung verschenken. Während des Udyoga Parva gibt man den Brahmanen erst schöne Parfüme und Girlanden und bewirtete sie alsdann mit wohlschmeckendem Essen. Beim Bhishma Parva gibt man vorzügliche Fuhrwerke und reines, wohlgekochtes und abwechslungsreiches Essen. Beim Drona Parva sollte das Essen für die Brahmanen von sehr delikatem Geschmack sein, auch gibt man Bögen, Pfeile und gute Schwerter. Beim Erzählen des Karna Parvas gibt der Hausvater mit gezügeltem Geist vorzügliches Essen, welches rein und gut gekocht ist. Beim Shalya Parva reicht man Essen mit Konfekt, mit Rohzucker gekochten Reis, Weizenkuchen und nahrhafte Getränke. Beim Gada (bzw. Sauptika) Parva bewirtet man die Brahmanen mit Essen, welches mit Mudga (Phaseolus Mungo, Urdbohne) gemischt ist. Im Stree Parva schenkt man den hohen Brahmanen Juwelen und kostbare Steine, beim Aisika Parva reicht man zuerst in geklärter Butter gekochten Reis, dann anderes, reines und gut gekochtes Essen verschiedenster Art. Beim Shanti Parva bekommen die Brahmanen Habishya, beim Asvamedha Parva gutes Essen bester Qualität, beim Ashramavasika Parva wieder Habishya. Ist das Mausala Parva erreicht, gibt man Düfte und Blumengirlanden, wie auch beim Mahaprasthanika Parva. Beim Swargarohana Parva bewirtet man die Brahmanen mit Habishya, und nach dem Harivamsha sollte man tausend Brahmanen speisen. Jedem sollte man auch eine Kuh und ein Stück Gold anbieten. Und die Hälfte davon sollte man armen Menschen geben.
Sind alle Parvas erzählt, gibt der weise Hausvater dem Erzähler ein Stück Gold in Form eines Buches. Während des Harivamsha sollte man den Brahmanen bei jedem Parana Frumenty geben. Und nach dem Hören aller Parvas sollte sich der Hausvater reinigen und in weiße Kleider hüllen, mit Girlanden und Ornamenten schmücken, dann eine Abschrift des Mahabharatas an einen glücksverheißenden Ort legen, diese mit einem weißen Seidentuch verhüllen und mit Düften und Blumen verehren. Wahrlich, die einzelnen Bände des Werkes sollten nacheinander mit Hingabe und konzentriertem Geist verehrt werden. Dazu opfere man diverse Nahrung, Blumen, Getränke und glücksbringende Dinge. Gold und Edelmetalle sollte man als Dakshina geben. Dabei sollte man die Namen von Nara und Narayana und all der Götter nennen. Dann ehrt man die Besten der Brahmanen mit Düften und Girlanden und gibt ihnen kostbare Geschenke. Dabei erlangt man den Verdienst eines Atiratra Opfers. Ja, bei jedem Parva gewinnt man sich auf diese Weise den Verdienst eines Opfers. Der Erzähler sollte gelehrt sein, eine gute Stimme und klare Aussprache haben. Genau solch ein Mensch sollte das Bharata zu Gehör bringen. Und immer, wenn man die Brahmanen gespeist hat, sollte man sie auch reichlich und nach der Tradition beschenken. Auch den Erzähler sollte man mit Ornamenten schmücken und gutem Essen versorgen. Ist der Erzähler zufrieden, gelangt auch der Hausvater zu vorzüglicher und glückbringender Zufriedenheit. Sind die Brahmanen zufrieden, sind es auch die Götter. Daher erfreue immer die Brahmanen mit allen schönen Dingen.
So habe ich dir die Regeln erklärt, die man während des Hörens der Geschichte mit Vertrauen befolgen sollte. Wünschst du dir das höchste Ziel, dann lausche mit größter Achtsamkeit einem jedem Parva. Höre es täglich und erinnere dich an die Verdienste der Geschichte. Wer das Bharata in seinem Hause bewahrt, der hat alle Schriften, die man mit Jaya (Sieg) bezeichnet, in seiner Hand. Das Bharata reinigt und heiligt. Du findest in ihm alle Arten von Themen. Selbst die Götter ehren diese Geschichte. Sie verkörpert das höchste Ziel und ist die Beste aller Schriften, denn du kannst durch sie Erlösung erreichen. Und damit sage ich dir die Wahrheit. Wer die Verdienste des Mahabharatas, der Erde, Kühe, Sarasvati, Brahmanen und von Krishna im Geiste trägt, wird niemals ermatten. Hari wird in den Veden, im Ramayana und im heiligen Bharata von Anfang über die Mitte bis zum Ende besungen. Solche heiligen Schriften, welche durch vorzügliche Symbole die ewige Gottheit aufzeigen, sollte ein Mensch studieren, der das Höchste erreichen möchte. Die Geschichte ist heiligend, zeigt die hohen Pflichten an und gewährt jeden Verdienst. Wer sich wahren Wohlstand wünscht, sollte sie hören. Alle Sünden, die man durch Worte, Gedanken und Taten ansammelt, können durch das hingebungsvolle Zuhören bereinigt werden, wie die aufgehende Sonne die Dunkelheit vertreibt. Wer diese achtzehn Puranas hört, gewinnt den Verdienst der Hingabe an Vishnu. Daran gibt es keinen Zweifel. Sowohl Männer als auch Frauen gelangen zu Vishnu, wenn sie aufmerksam lauschen. Und wer sich diesen Verdienst wünscht, der mit dem Mahabharata verbunden ist, sollte dem Erzähler gemäß seinen Möglichkeiten ein gutes Dakshina geben und sogar Gold oder eine Kapila Kuh mit vergoldeten Hörnern mitsamt ihrem Kalb und einem Stück Tuch bedeckt. Man sollte ebenso Schmuck für Arme und Ohren und jeglichen anderen Reichtum freigebig verschenken. Auch Land kann man dem Erzähler übergeben, denn diese Gabe wird von keiner anderen übertroffen. Der Mensch, der das Bharata hört oder es anderen erzählt, wird von allen Sünden gereinigt und gelangt in das Reich von Vishnu. Er rettet seine Ahnen bis zum elften Grad, sich selbst, seine Ehefrauen und Söhne. Und ist das Erzählen des Bharatas beendet, sollte man ein Homa mit all seinen zehn Teilen durchführen.
So habe ich dir nun alles erzählt. Wer dieser Geschichte hingebungsvoll lauscht, wird sogar von Sünden wie der eines Brahmanenmordes oder der Beschmutzung des Bettes seines Lehrers gereinigt. Sei er ein Trinker, ein Räuber oder als Chandala geboren – seine Sünden werden abgewaschen wie die Sonne die Dunkelheit vertreibt. Und zweifellos wird solch ein Mensch in den Regionen Vishnus jene Glückseligkeit erreichen wie Vishnu selbst. OM.
Hier enden mit dem 6.Kapitel das Swargarohana Parva und damit das ganze gesegnete Mahabharata.
Finis