Pushpak Mahabharata Buch 15Zurück WeiterNews

Putradarshana Parva – Die Schau der Söhne

Kapitel 29 – Gandharis Bitte an Vyasa

Da bat Janamejaya:
Oh erzähle mir, gelehrter Brahmane, was diese wunderbare Tat war, die der Rishi Vyasa für den alten König vollbrachte. Er versprach sie ihm, dort im Walde, nachdem Vidura seinen Körper verlassen und in Yudhishthira eingetreten war, und alle Pandavas in der Einsiedelei verweilten. Für wie viele Tage blieb der glorreiche Yudhishthira mit seinen Leuten im Wald zu Besuch? Von welcher Nahrung ernährten sie sich in dieser Zeit? Oh Sündenloser, erzähl mir alles.

Vaisampayana antwortete:
Für ungefähr einen Monat blieben die Pandavas und ihr Gefolge im Wald, ernährten sich von dies und jenem und waren sehr glücklich. Am Ende dieser Zeit kam Vyasa noch einmal in die Einsiedelei, wobei die Prinzen und anderen Asketen sich sogleich um ihn scharten und miteinander erzählten. Der himmlische Rishi Narada war da, auch die Heiligen Parvata und Devala sowie die Gandharvas Viswavasu, Tumburu und Chitrasena – sie alle von größter Enthaltsamkeit. Yudhishthira grüßte sie alle und wurde ehrenvoll wiedergegrüßt. Alle saßen auf trefflichen Lagern aus Kusha Gras oder Pfauenfedern, und auch die Damen des Pandava Haushaltes nahmen ihre Plätze ein. Für eine Weile wurden tugendhafte Gespräche geführt über die alten Rishis, Götter und Dämonen.

Und dann ergriff Vyasa höchst zufrieden das Wort, dieser Beste aller Vedengelehrten, und sprach gewandt zum blinden Monarchen:
Du brennst im Kummer wegen des Verlusts deiner Söhne, oh König der Könige. Welchen Wunsch hegst du in deinem Herzen? Ich kenne all diese Trauer, die in Gandharis Herz, und auch in Kunti, Draupadi und Subhadra ist, denn ihr habt alle eure Söhne verloren. Als ich hörte, daß sich alle Prinzen und Prinzessinnen hier bei dir versammelt haben, kam ich her, um deine Zweifel zu zerstreuen. Mögen die Götter, Gandharvas und großen Rishis heute die Macht sehen, welche ich durch lange Jahre der Buße erlangte. So sage mir, oh König, welchen Segen ich dir heute gewähren soll. Ich bin fromm genug, dir einen Wunsch zu erfüllen, und du wirst die Frucht meiner Buße erfahren.

Dhritarashtra überlegte eine Weile und sprach dann:
Ich bin so glücklich, da ich deine Gunst genieße. Mein Leben ist heute mit Erfolg gekrönt, denn ihr Frommen habt euch hier versammelt. Ihr seid alle Brahma ebenbürtig mit eurem Reichtum an Askese, und ich werde sicher das höchste Ziel erlangen, da ihr mir Gesellschaft leistet. Ich zweifle nicht daran, daß eure Gegenwart alle meine Sünden bereinigt. Ihr Sündenlosen, ich habe keine Furcht mehr vor meinem Ende in dieser Welt. Ich bin voller Liebe für meine Kinder und trage die Erinnerung an sie immer in mir. Doch mein Geist ist gequält, wenn ich an die üblen Taten denke, die mein unverständiger Sohn begangen hat. Immer hat er die unschuldigen Pandavas verfolgt. Die Erde wurde von ihm verwüstet, und so viele Pferde, Elefanten und Männer starben. Zahllose hochbeseelte Könige aus aller Herren Länder standen ihm zur Seite und fanden den Tod. Die Helden verließen ihre geliebten Väter, Ehefrauen und ihren Lebensatem und sind nun Gäste des Königs der Toten. Welches Ende ist ihnen bestimmt, da sie zum Wohle ihres Freundes in der Schlacht fielen? Und welches Ende erlangten meine Söhne und Enkelsöhne, die im Kampf starben? Mein Herz schmerzt immerzu bei dem Gedanken, daß ich den Tod vom mächtigen Bhishma, dem Sohn des Shantanu, und auch von Drona, diesem vorzüglichen Brahmanen, herbeiführte, denn mein Sohn war ein närrischer und sündiger Sohn, der seine Wohltäter verletzte. Für die Herrschaft über die Erde verwüstete er das blühende Kuru Geschlecht. Denke ich daran, brenne ich Tag und Nacht im Kummer, und kein Frieden des Geistes stellt sich ein, oh Vater.

Als sie den klagenden Worten ihres Gatten zuhörte, lebte auch der Kummer in Gandhari wieder neu und brennend auf. Den anderen Anwesenden erging es ebenso. Und mit verbundenen Augen faltete Königin Gandhari ihre Hände und sprach in Trauer um ihre Söhne zu Vyasa:
Oh bester Asket, sechzehn Jahre sind nun vergangen, da sich der König im Kummer um seine Söhne verzehrt, und er keinen Frieden findet. Immer atmete er schwer und schläft nie des Nachts. Dank der Kraft deiner Buße kannst du, oh großer Rishi, neue Welten erschaffen. Und sicher ist es ein Leichtes für dich, dem König seine Kinder zu zeigen, die nun in einer anderen Welt sind. Auch Draupadi hat all ihre Kinder verloren, und meine liebste Schwiegertochter ist darum zutiefst verzweifelt. Subhadra mit der süßen Rede brennt im Verlust ihres Sohnes. Und diese geachtete Dame, die Gattin Bhurisravas, verzweifelt ob des Schicksals ihres Gemahls und klagt ununterbrochen herzzerreißend. Ihr Schwiegervater und dessen Vater fielen beide in der Schlacht. Dort starben auch unsere hundert heldenhaften Söhne, und ihre hundert Ehefrauen vermehren weinend unseren Kummer. Sie alle scharen sich um uns – doch zu welchem Ende gelangten all die gefallenen Verwandten, oh Frommer? Oh Heiliger, mögen dieser alte Monarch der Erde, ich selbst, Kunti und unsere Schwiegertöchter durch deine Gnade von ihrem Kummer befreit werden.

Nach diesen Worten Gandharis mußte Kunti, deren Antlitz von den vielen, harten Gelübden ganz abgezehrt war, an ihren heimlich geborenen Sohn Karna denken. Vyasa wußte sehr wohl, was im Nahen und Fernen geschah, und bemerkte ihre traurigen Gedanken. So bat er sie:
Sage mir, oh gesegnete Dame, was in deinem Geist ist. Was möchtest du mir sagen?

So beugte Kunti ihr Haupt und sprach voller Scham errötend über das, was damals geschah.


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