Pushpak Mahabharata Buch 14Zurück WeiterNews

Kapitel 58 – Utanka bekommt die Ohrringe

Vaisampayana fuhr fort:
So kehrte Utanka zum König Saudasa zurück, der seinen Freunden immer wohlgesonnen war, und bat ihn um ein Zeichen. Was der Nachfahre des Ikshvaku mit folgenden Worten tat:
Mein gegenwärtiger Zustand ist unerträglich. Nirgends sehe ich Rettung. Erkenne meinen Wunsch und gib die Juwelenohrringe fort.

Utanka ging zur Königin, überbrachte ihr die Nachricht ihres Herrn, und sie händigte ihm sofort den Schmuck aus. Mit den Ohrringen ging Utanka noch einmal zum König und fragte ihn:
Ich möchte erfahren, oh Monarch, was die Bedeutung dieser geheimnisvollen Worte an deine Gattin war.

Und Saudasa antwortete ihm:
Von Anbeginn der Schöpfung ehren Kshatriyas die Brahmanen, auch wenn sie ihnen manche Beleidigung antun. Ich für meinen Teil neige immer demütig das Haupt vor ihnen. Dennoch überkam mich dieses Elend durch einen Brahmanen. Nun habe ich nur noch Madayanti und keinen anderen Beistand. Und ich sehe keine andere Möglichkeit (als mit dieser Gabe hohen Verdienst anzusammeln), um entweder weiterzuleben oder die Tore des Himmels zu erreichen, oh bester Brahmane. Denn es ist nicht möglich für einen König in dieser Welt zu leben oder die nächste in Glück zu erreichen, wenn er Feindschaft zu den Brahmanen hegt. Darum habe ich dir die Ohrringe zukommen lassen, die du begehrtest. So halte dich nun an das Versprechen, welches du mir heute gabst.

Utanka erwiderte:
Ich werde ganz sicher nach meinen Worten handeln, oh König. Ich werde zurückkommen und mich dir übergeben. Doch ich möchte dir noch eine Frage stellen, du Geißel deiner Feinde.

Saudasa ermunterte ihn und sprach:
Sprich, oh gelehrter Brahmane. Ich werde dir antworten und ohne zu zögern den Zweifel in deinem Geist zerstreuen.

Utanka fragte:
Es ist bekannt, daß Brahmanen wahrhaft sprechen. Wer sich zu Freunden falsch verhält, wird als hinterhältig wie ein Dieb erachtet. Du, oh König, wurdest heute mein Freund. So rate mir, wie es die Weisen loben würden. Ich habe meinen Wunsch erfüllt bekommen. Du bist ein Kannibale. Ist es angemessen für mich, zu dir zurückzukommen oder nicht?

Und Saudasa antwortete:
Es ist richtig, du Bester der vorzüglichen Brahmanen, dir zu antworten. Und ich rate dir, komm niemals zu mir zurück. Damit wirst du dir Gutes tun, du Erhalter des Bhrigu Geschlechts. Denn wenn du mich wiedertriffst, wirst du sicher sterben.

So nahm Utanka Abschied vom klugen König und kehrte zu Ahalya zurück. Mit großer Eile wanderte er mit den Ohrringen los, um so schnell wie möglich die Einsiedelei von Gautama zu erreichen. Nach dem Rat von Madayanti hatte er die Ohrringe in den Falten seines schwarzen Hirschfells verborgen und beschützte sie auf jede Weise. Nach einiger Zeit spürte er Hunger und sah einen Bilva Baum, dessen Zweige sich unter der Last seiner reifen Früchte bogen. Sein Hirschfell hängte er an einen Ast, erklomm den Baum und pflückte sich einige Früchte. Doch einige der Früchte fielen hinab, streiften das Hirschfell und der Knoten löste sich. Utanka hatte nur Augen für die Früchte und bemerkte es erst, als das Hirschfell zu Boden fiel und die Ohrringe auf die Erde purzelten. Eine Schlange aus dem Geschlecht von Airavata hatte die Juwelen sogleich bemerkt, nahm sie prompt in den Mund und verschwand damit in einem Ameisenhügel. In Utanka erhoben sich Zorn und große Sorge, und schnell kletterte er vom Baum herab. Mit seinem Stab stocherte er im Ameisenhügel und nach und nach kamen zum Zorn noch Rachegefühle dazu. Für fünfunddreißig Tage durchbohrte er den Hügel und grub in der Erde, bis die Göttin Erde seine Gewalt nicht mehr ertragen konnte. Mit zerrissenem Körper wurde sie von Angst gepackt. Doch Utanka war fest entschlossen, sich einen Weg in die unteren Bereiche zu graben, dorthin, wo die Nagas wohnen. Schnell kam da Indra, der Herr der Himmlischen, mit seinem Donnerblitz auf einem Wagen herbei, der von grünen Rossen gezogen wurde. Als er Utanka in seine Arbeit vertieft sah, nahm er selbst die Gestalt eines Brahmanen an und zeigte seine Sorge um Utanka.

Indra sprach:
Du kannst das unmöglich erreichen. Die Welten der Nagas sind tausend Yojanas entfernt von hier. Das schaffst du nicht mit deinem Wanderstab.

Utanka entgegnete:
Wenn ich die Ohrringe nicht von den Nagas zurückhole, dann werde ich meinen Lebensatem vor deinen Augen aufgeben, oh Bester der Zweifachgeborenen.

Als Indra erkannte, daß Utanka nicht so leicht von seinem Vorhaben abzubringen war, vereinte er die Kraft seines Blitzes mit Utankas Wanderstab. Und die Erde öffnete sich durch den gewaltigen Einschlag und gab eine Passage zu den Bereichen der Nagas frei. Utanka beschritt den Weg und erblickte eine Welt, die sich tausende Yojanas nach allen Richtungen erstreckte. Es gab da viele, goldene Mauern mit Perlen, Edelsteinen und Juwelen, feine Wasserstellen mit Treppen aus reinem Kristall und Flüsse mit klarem und durchsichtigem Wasser. In den schönen Bäumen hockten alle Arten von Vögeln und zwitscherten lieblich. Schon bald sah Utanka ein Tor, welches volle fünf Yojanas hoch und hundert Yojanas breit war. Es war das Tor zu diesem Land, und Utanka verlor verzweifelt die Hoffnung, die Ohrringe wiederzufinden. Doch plötzlich stand vor ihm ein schwarzes Pferd mit einem weißen Schweif. Gesicht und Augen hatten eine kupferne Tönung, und es schien vor Energie zu strahlen.

Das Pferd sprach zu Utanka:
Blas du in meinen Apana Kanal hinein. Dann wirst du die Ohrringe wiederbekommen, welche die Schlange entführt hat. Und verabscheue meinen Rat heute nicht, mein Sohn, denn du hast dies schon oft in der Einsiedelei des Gautama getan.

Verwundert fragte da Utanka:
Wie sind wir uns damals in der Einsiedelei meines Lehrers begegnet? Oh sage mir, was ich damals tat, und was dies mit deiner Bitte jetzt zu tun hat.

Das Pferd antwortete:
Wisse, oh gelehrter Brahmane, ich bin der Lehrer deines Lehrers, denn ich bin der lodernde Jatavedas (die Gottheit des Feuers). Zum Wohle deines Lehrers hast du mich oft verehrt, auf rechte Weise und mit reinem Herzen und Körper. Darum helfe ich dir heute. Warte nicht länger und folge meiner Bitte.

Utanka tat, wie ihm geheißen, und mit freudigem Herzen loderte die Gottheit auf, als ob sie alles verschlingen wollte. Aus jeder Pore trat gemäß der Natur des Feuers dichter Rauch aus, der die Nagas mit Terror erfüllte. Alles wurde in Rauch und Dunkelheit eingehüllt, und nichts war mehr zu sehen. Überall hörte man die klagenden Schreie der Airavatas Nagas, welche Vasuki zum Anführer hatten. Durch den dichten Rauch schien alles wie von Reif überzogen zu sein. Mit roten, gereizten Augen und schwer geplagt kamen die Schlangen aus ihren Häusern und eilten zum hochbeseelten Utanka, um den Grund für den Rauch herauszubekommen. Als Utanka ihnen alles erzählt hatte, ehrten ihn die Nagas mit Furcht in den Augen. Sie stellten sich nach Alter auf, beugten ihre Häupter vor dem Brahmanen, falteten ihre Hände und baten:
Sei uns gnädig, oh Heiliger.

Dann boten sie ihm Wasser zum Waschen der Füße an, auch Arghya und endlich auch die Ohrringe. Hoch geehrt und zufrieden umrundete Utanka die Gottheit des Feuers, und machte sich auf den Weg zu seinem Lehrer. Dort übergab er dessen Frau Ahalya die Ohrringe, und erzählte seinem Lehrer alles über Vasuki und die anderen Nagas, und was sonst noch geschehen war. Ja, oh Janamejaya, so wanderte Utanka einst über die Erde und bekam die Ohrringe für die Ehefrau seines Lehrers. So groß waren sein Heldenmut und seine Buße, oh Anführer der Bharatas. Nun habe ich dir alles erzählt, was du gefragt hast.


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