Pushpak Mahabharata Buch 14Zurück WeiterNews

Kapitel 35 – Das Gespräch zwischen Lehrer und Schüler

Arjuna sprach:
Oh bitte enthülle das Brahman für mich, dieses höchste Ziel des Wissens. Durch deine Gnade entzückt sich mein Geist an diesen subtilen Abhandlungen.

Krishna sprach:
Es gibt da diese alte Geschichte von einem Gespräch über Brahman zwischen Lehrer und Schüler. Eines Tages fragte ein kluger Schüler seinen Lehrer, einen Brahmanen der strengen Gelübde, als jener entspannt saß:
Was ist das höchste Gut? Ich werfe mich zu deinen Füßen nieder, oh Heiliger, denn ich wünsche dorthin zu gelangen. Oh gelehrter Brahmane, ich flehe dich an, beuge mein Haupt und bitte dich, beantworte mir meine Frage.

Der Lehrer antwortete seinem Schüler:
Oh Zweifachgeborener, ich werde dir alles erklären, worüber du Zweifel haben magst.

Hingebungsvoll bat da der Schüler mit gefalteten Händen seinen Lehrer um Belehrung. Höre, was er sprach, oh Kluger.

Der Schüler fragte:
Woher komme ich? Woher kommst du? Erkläre mir die höchste Wahrheit. Aus welcher Quelle kommen alle beweglichen und unbeweglichen Geschöpfe? Wodurch leben die Wesen? Wodurch wird ihr Leben begrenzt? Was ist Wahrheit? Und was ist Buße, oh gelehrter Brahmane? Was sind die Eigenschaften der Guten? Welche Wege werden glücksverheißend genannt? Was ist Glück? Und was Sünde? Oh Heiliger mit den vorzüglichen Gelübden, bitte beantworte mir meine Fragen genau, wahrhaft und ausführlich, gelehrter Rishi. Wer sonst in der Welt könnte diese Fragen beantworten? Oh stille meine große Neugier, du Pflichtbewußter. Du wirst in der Welt gefeiert als wohlbewandert auf dem Weg, der zur Befreiung führt. Nur du bist kompetent, alle Zweifel zu zerstreuen. Wir sehnen uns so sehr nach Befreiung, denn das weltliche Leben sorgt und ängstigt uns.

Krishna fuhr fort:
Der Schüler hatte demütig um Belehrung gebeten, die Fragen angemessen formuliert, war seinem Lehrer äußerst ergeben, besaß Frieden, hatte immer beständig an der Seite seines Lehrers gelebt, geradezu wie sein Schatten, und sich angenehm verhalten. Außerdem war er gezügelt und lebte das Leben eines Yati und Brahmacharin. Und der Lehrer war klug und gelübdetreu, oh Sohn der Pritha, und so erklärte er seinem Schüler geduldig alle Fragen, oh Feindebezwinger.

Der Lehrer sprach:
All dies wurde vor langer, langer Zeit von Brahma, dem Großen Vater aller Welten, selbst erklärt. Die besten Rishis loben und praktizieren es, und auf dem Wissen der Veden beruhend weist es darauf hin, was die wahre Einheit ist. Wir erachten Weisheit als höchstes Ziel und Enthaltsamkeit als beste Buße. Wer mit Vertrauen das Höchste erkennt, welches von keinen Umständen beeinflußt werden kann, nämlich diese Seele, die in allen Geschöpfen wohnt, der kann sich frei bewegen und wird als Höchstes betrachtet. Der weise Mann, welcher die scheinbar getrennten Geschöpfe ungetrennt sieht und die Einheit in der Vielfalt erkennt, der befreit sich von allem Elend. Wer nichts begehrt, die Idee von „mein und dein“ fallen läßt und alles achtet, der wird wie Brahma angesehen, obwohl er sich in der Welt bewegt. Wer die Wahrheit über die Eigenschaften der Natur erkennt, die Schöpfung aller existenten Objekte durchschaut und ohne Stolz und Zweifel ist, der befreit sich selbst. Man sollte den großen, immergrünen und immerblühenden Baum gut kennen. Sein Stamm ist der Verstand. Seine Äste sind das Ichbewußtsein, seine Zweige die Sinne, seine Blüten die fünf Elemente und seine Früchte die groben Stoffe. Auf ihm gründet sich alles, und sein Same ist Brahma, welcher ewig ist. Schneide alles mit dem scharfen Schwert der Erkenntnis ab und erlange Unsterblichkeit! So überwindest du Geburt und Tod.

Ich werde dir nun über die immer wiederkehrenden Zyklen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sowie von Tugend, Verdienst und Liebe (Dharma, Artha und Kama) erzählen, welche den Siddhas wohlbekannt und ewigwährend sind, oh höchst Weiser. Die sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen machen das aus, was man heilsam nennt. Wer versteht, wird ein weiser Mensch und erlangt Erfolg. Vor langer Zeit kamen die Rishis Vrihaspati, Bharadwaja, Gautama, Bhargava, Vasishta, Kasyapa, Vishvamitra und Atri zusammen, um ihre Fragen zu diskutieren. Sie waren lange Pfade gewandert und des Handelns müde geworden. Und mit dem weisen Sohn von Angiras an der Spitze begaben sie sich zur Region des Großen Vaters, wo sie Brahma schauten, der von allen Sünden vollkommen rein ist. Sie beugten ihre Häupter vor dem Hochbeseelten, der gelassen thronte, und fragten ihn demütig folgende, schwerwiegende Fragen, die zum Wohle gereichen:
Wie sollte ein guter Mensch handeln? Wie wird er von Sünde befreit? Welcher Weg ist heilsam für uns? Was ist Wahrheit und was Sünde? Durch welche Taten gelangt man zum südlichen oder nördlichen Pfad? Was ist Vernichtung? Was Erlösung? Und was sind Geburt und Tod für alle existierenden Geschöpfe?

Belehrung von Brahma

Ich werde dir, mein lieber Schüler, nun auch erzählen, was der Große Vater ihnen antwortete und was auch in den Schriften steht. Höre mir zu.

Brahma sprach:
Aus Wahrheit werden alle Geschöpfe geboren, seien sie unbelebt oder belebt. Durch Buße leben sie. Versteht dies, oh ihr mit den vorzüglichen Gelübden. Durch ihre eigenen Taten (ihr Karma) werden sie entsprechend immer wieder Geboren. Ist die Wahrheit mit den drei natürlichen Qualitäten behaftet, dann gibt es fünf Eigenschaften (der fünf Elemente). Brahman ist Wahrheit, und Entsagung ist Wahrheit. So ist auch der Große Vater Wahrheit, und aus dieser Wahrheit fließen alle Geschöpfe. Sie ist das Universum des Seins. Daher sind Brahmanen dem Yoga hingegeben, wenn sie Zorn und Sorge überwunden, die Tugend als Pfad erkannt und Zuflucht in der Wahrheit genommen haben. Ich werde nun von denen, die den vier Lebensweisen angehören, und von den Brahmanen sprechen, welche gezügelt sind und wissend. Die Weisen sagen, daß Tugend und Lebensaufgaben eins sind und sich in vier Bereiche teilen (die vier Lebensweisen). Oh ihr Zweifachgeborenen, ich werde nun zu euch über diesen glücksverheißenden und Wohlstand schaffenden Pfad sprechen. Diesem Weg folgen seit jeher weise Menschen, um mit Brahman zu verschmelzen. Ich werde ihn euch erklären, denn es ist der höchste Pfad und äußerst schwer zu verinnerlichen. Versteht bis in alle Einzelheiten, ihr Gesegneten, was das höchste Ziel ist. Der erste Schritt wird gesagt, ist die Lebensweise der Brahmacharins (Schüler). Der zweite Schritt ist das Hausleben. Danach kommt das Leben in den Wäldern. Und danach kommt der höchste Schritt (als besitzloser Bettelmönch), die Erkenntnis der Seele (Adhyatma). Licht, Raum, Sonne, Wind, Indra und Prajapati – die sieht man so lange, wie man noch nicht mit der Höchsten Seele eins geworden ist. So hört und versteht von mir die Mittel. Das Leben im Walde, welches die Asketen mit Früchten, Wurzeln oder auch nur Luft fristen, ist für die drei zweifachgeborenen Kasten bestimmt. Das Hausleben ist für alle vier Kasten bestimmt. Nun sagen die Weisen, daß Tugend vor allem hingebungsvolles Vertrauen benötigt. Damit habe ich euch die Pfade erklärt, welche zu den Göttern führen. Die Weisen und Guten folgen ihnen in ihren Taten, und es sind die hohen Wege der Frömmigkeit. Der gezügelte Mensch, der den Pfaden nacheinander folgt, wird zur rechten Zeit das Werden und Vergehen der Geschöpfe wahrhaft verstehen. Ich sage euch auch noch ganz genau und vernünftig die Elemente an, die anteilig in allen Dingen wohnen. Die große Seele, das Unmanifeste, das Ichbewußtsein, die elf Organe (der Sinne und der Handlung), die fünf großen Elemente und die spezifischen Eigenschaften der fünf Elemente (Geruch zu Erde, Klang zu Raum, Geschmack zu Wasser etc.) – diese bilden die ewige Schöpfung. Die Zahl der Elemente wird mit vierundzwanzig und einem angegeben. Wer weise das Entstehen und Vergehen der Elemente versteht, wird unter allen Geschöpfen niemals auf Verwirrung treffen. Wer die Elemente, ihre Eigenschaften und alle Gottheiten wahrhaft erkennt, befreit sich von allen Sünden. Und von allen Banden erlöst, erfreut er sich an den Bereichen makelloser Reinheit.


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