Pushpak Mahabharata Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 93 - Über die Tugend und die sieben Rishis

Yudhishthira fragte:
Wenn Brahmanen, die ein Fastengelübde beachten, auf Einladung eines Brahmanen das Havi (in einem Sraddha) essen, brechen sie damit ihr Gelübde oder sollten sie diese Einladung ablehnen? Das sage mir, oh Großvater!

Und Bhishma sprach:
Wenn solche Brahmanen vom Begehren getrieben essen, ohne die Gebote entsprechend der Veden einzuhalten, dann mögen sie es tun. Wer jedoch die Gebote der Veden bewahrt, der sollte sich in dieser Situation einer Verletzung seines Gelübdes schuldig fühlen, oh Yudhishthira, wenn er das Havi eines Sraddha auf Bitten des Durchführenden verspeist.

Yudhishthira fragte:
Manche sagen, das Fasten eine Art der Buße ist. Ist das Fasten wirklich Buße oder nicht? Das sage mir, oh Großvater!

Bhishma sprach:
Die Leute betrachten ein gewöhnliches Fasten über einen Monat oder einen halben Monat als Buße. Die Wahrheit ist jedoch, daß derjenige, der seinen Körper übermäßig quält, weder als Asket noch als Kenner der Lebensaufgabe betrachtet werden sollte. Als beste Buße gilt immer noch die Entsagung. Ein Brahmane sollte stets ein Entsagender in seiner Ernährung sein und das Brahmacharya Gelübde beachten. Ein Brahmane sollte stets Selbstlosigkeit üben, seine Rede zügeln und die Veden rezitieren. Ein Brahmane sollte heiraten und sich mit Kindern und Verwandten umgeben, um Tugend und Gerechtigkeit zu üben. Er sollte sich von Fleisch fernhalten, nicht schlafen und beständig die Veden und andere heilige Schriften studieren. Er sollte immer die Wahrheit sprechen und die Ichhaftigkeit überwinden. Er sollte das Vighasa essen (nachdem Götter, Ahnen und Angehörige bedient wurden) und zu allen gastfreundlich sein, die sein Haus besuchen. Er sollte stets von Amrit leben (nämlich der Nahrung, die nach der Versorgung von Gästen und Dienern übrig ist), alle Riten ordnungsgemäß beachten und Opfer darbringen.

Yudhishthira fragte:
Wann wird man als Bewahrer eines beständigen Fastengelübdes betrachtet? Wie kann man das Brahmacharya Gelübde einhalten? Wie, oh König, wird man ein Verzehrer von Vighasa? Und durch welches Verhalten gilt man als gastfreundlich?

Bhishma sprach:
Wer nur am Morgen und Abend in den vorgeschriebenen Stunden ißt und sich dazwischen aller Nahrung enthält, der gilt als Entsagender bezüglich des Essens. Wer geschlechtlichen Kontakt nur mit seiner anvertrauten Ehefrau in ihrer fruchtbaren Zeit hat, der gilt als Bewahrer des Brahmacharya Gelübdes. Wer immer voller Hingabe ist, der wird als wahrhaft betrachtet. Wer sich ganz dem Fleisch von unnütz (nur zum Genuß, nicht als Opfer) geschlachteten Tieren enthält, der gilt als einer, der dem Fleischgenuß entsagt hat. Wer Hingabe übt und Geschenke pflegt, wird von allen Sünden gereinigt, und wer sich des Schlafes und Träumens während der Tageszeit enthält, gilt als immer wach. Wer stets ißt, was nach dem Versorgen der Gäste und Angehörigen übrigbleibt, gilt als Verzehrer von Amrit. Wer erst ißt, nachdem die Brahmanen gegessen haben, gilt durch solche Entsagung als Eroberer des Himmels. Wer erst ißt, nachdem die Götter, Ahnen, Verwandten und Abhängigen versorgt sind, gilt als Verzehrer von Vighasa. Solche Menschen erwerben viele Bereiche der Glückseligkeit in der Wohnstätte von Brahma selbst. Dort, oh König, wohnen sie in der Gesellschaft von Apsaras und Gandharvas. Wahrlich, sie erfreuen sich dort mit den Göttern, Gästen und Ahnen umgeben von ihren Kindern und Enkeln des höchsten Entzückens. Solcherart ist ihr hohes Ziel.

Yudhishthira fragte:
Man sieht die Leute, wie sie verschiedene Geschenke an die Brahmanen machen. Was jedoch ist der Unterschied zwischen dem Geber und dem Empfänger, oh Großvater?

Bhishma sprach:
Ein Brahmane kann Geschenke von Rechtschaffenen und nicht Rechtschaffenen empfangen. Wenn der Geber rechtschaffen ist, sammelt der Empfänger wenig Schuld an. Wenn der Geber jedoch ungerecht ist, dann sinkt der Empfänger in die Hölle. Diesbezüglich wird eine alte Geschichte über Vrishadarbhi und die sieben Rishis erzählt, oh Bharata. Kasyapa, Atri, Vasishta, Bharadwaja, Gautama, Vishvamitra, Jamadagni und die reine Arundhati (die Ehefrau von Vasishta) hatten einst eine gemeinsame Dienerin namens Ganda. Der Shudra Pasusakha („Freund der Tiere“) heiratete Ganda und wurde ihr Ehemann. Damals übten diese Rishis die strengste Entsagung und wanderten über die Welt, um mithilfe der Yoga-Meditation die ewigen Bereiche des Brahman zu erreichen. Während dieser Zeit, oh Freude der Kurus, gab es eine große Trockenheit, und vom Hunger gequält wurde die ganze Welt der Lebewesen äußerst schwach. Während dieser Trockenheit verhungerte auch ein Prinz, der nicht mit langem Leben gesegnet war. In einem Opfer, das einst vom Sohn des Sivi durchgeführt wurde, hatte er den Opferpriestern diesen Sohn als Opfergeschenk gegeben. Die erwähnten Rishis näherten sich nun vom Hunger gequält dem toten Prinzen und saßen um ihn herum. Wahrlich, diese Ersten der Rishis, sahen den Sohn von dem, in dessen Opfern sie amtiert hatten, wie er den Hungertod gestorben war, und begannen, getrieben von den Stichen des Hungers, oh Bharata, den toten Körper in einem großen Topf zu kochen. Nachdem alle Nahrung aus der Welt der Menschen verschwunden war, nahmen diese Asketen Zuflucht zu so einem jämmerlichen Ausweg, um ihr Leben zu retten. Doch während sie damit beschäftigt waren, erschien Saivya, der Sohn von König Vrishadarbha, im Laufe einer Reise bei den Rishis. Wahrlich, so traf er sie auf seinem Weg, als sie von den Schmerzen des Hungers getrieben gerade diese Leiche kochten.

Und der Sohn von Vrishadarbha sprach:
Die Annahme eines Geschenks (von mir) wird euch alle sofort erleichtern. Akzeptiert deshalb mein Geschenk für die Erhaltung eurer Körper! Ihr Asketen mit dem Reichtum der Entsagung, hört mich an, wie ich erkläre, welchen Reichtum ich habe. Denn ein Brahmane, der mich bittet, ist mir immer lieb. Wahrlich, ich werde euch tausend Maulesel geben und jedem von euch tausend weiße Kühe mit jeweils einem gesunden Kalb, so daß jede Kuh auch Milch gibt. Dazu gebe ich noch tausend weiße Stiere aus der besten Rasse, die schwerste Lasten tragen können. Ich werde euch viele gutmütige Kühe geben, welche die Besten ihrer Art sind, wohlgenährt, und jede hat ihr erstes Kalb zur Welt gebracht und ist mit dem zweiten trächtig. Sagt mir, was ich euch sonst noch geben soll von den besten Dörfern, vom Korn, von der Gerste oder sogar von den seltensten und kostbarsten Juwelen. Versucht nicht diese unreine Nahrung zu essen! Sagt mir, was ich euch zur Erhaltung eurer Körper geben soll!

Doch die Rishis antworteten:
Oh König, die Annahme von Geschenken von einem Monarchen ist zuerst sehr süß, aber am Ende wie Gift. Das weißt du wohl. Warum, oh König, versuchst du uns mit solchen Angeboten? Der Körper der Brahmanen ist das Feld der Götter. Durch Entsagung wird es gereinigt. Deshalb befriedigt man die Götter, wenn man die Brahmanen befriedigt. Wenn ein Brahmane Geschenke akzeptiert, die ihm von einem König gemacht werden, verliert er damit das Verdienst, was er durch Entsagung an diesem Tag erwerben könnte. Wahrlich, eine solche Annahme vernichtet dieses Verdienst wie eine lodernde Feuersbrunst einen Wald verbrennt. Möge dir Glück beschieden sein, oh König, als Ergebnis der Geschenke, die du an jene gibst, die dich darum bitten!

So sprachen sie zu ihm und verließen den Ort, um andere Wege zu gehen. Das Fleisch, das jene Hochbeseelten kochen wollten, blieb damit ungekocht. Wahrlich, sie gaben dieses Fleisch auf und gingen in die Wälder auf der Suche nach anderer Nahrung. Doch auf Befehl des Königs, begaben sich seine Minister in diese Wälder, nachdem sie ein Menge Feigen geerntet hatten, um sie an die Rishis zu verteilen. Und weil er befürchtete, daß die Asketen diese Gabe nicht annehmen könnten, ließ er einige dieser Feigen von seinen Beamten mit Gold füllen. Als jedoch Atri eine dieser Feigen nahm und merkte, wie schwer sie war, da verweigerte er sogleich die Annahme.

Und Atri sprach:
Wir sind nicht ohne Erkenntnis und auch keine Dummköpfe! Wir wissen, daß Gold in diesen Feigen ist, denn unsere Sinne sind stets wach. Wahrlich, wir wachen anstatt zu schlafen. Wenn solche Geschenke in dieser Welt angenommen werden, bringen sie bittere Folge in der kommenden. Wer das Glück in dieser und der folgenden Welt sucht, sollte dem entsagen.

Vasishta sprach:
Wenn wir nur eine Goldmünze annehmen, werde daraus bald hundert oder sogar tausend. Wenn wir deshalb viele Münzen annehmen, werden wir sicherlich einen unglücklichen Weg gehen.

Kasyapa sprach:
Aller Reis und alle Gerste auf Erden, alles Gold, alle Tiere und Frauen, die es in der Welt gibt, können nicht einmal die Wünsche einer einzigen Person befriedigen. Wer deshalb Weisheit hat, sollte die Habgier auflösen und Zufriedenheit annehmen.

Bharadwaja sprach:
Wenn sich die Hörner eines Ruru Hirsches einmal gezeigt haben, beginnen sie beständig, mit dem Tier zu wachsen. Ähnlich ist es mit der Habgier der Menschen. Sie kennt kein Maß.

Gautama sprach:
Alle Dinge, die in der Welt existieren, können eine Person nicht erfüllen. Der Mensch ist diesbezüglich wie der Ozean, der nie voll werden kann (auch wenn alle Flüsse hineinfließen).

Vishvamitra sprach:
Wenn eine Begierde, die man hegt, befriedigt wird, entstehen sogleich weitere, die nach Befriedigung verlangen und dich wie Pfeile durchbohren.

Jamadagni sprach:
Die Enthaltsamkeit bezüglich des Annehmens von Geschenken stützt die Entsagung. Eine Annahme zerstört dagegen diesen Reichtum (der Entsagung).

Arundhati sprach:
Manche Menschen sind der Meinung, daß sie die Dinge der Welt ansammeln müßten, um sie für den Erwerb von Tugend und Gerechtigkeit (durch Geschenke und Opfer) zu verwenden. Ich denke jedoch, daß der Erwerb von Tugend und Gerechtigkeit dem weltlichen Reichtum vorzuziehen ist.

Ganda (die gemeinsame Dienerin) sprach:
Wenn diese, meine Herren, die mit so großer Energie gesegnet sind, bereits so viel Furcht vor dieser Gefahr haben, dann fürchte ich es als schwacher Mensch um so mehr.

Pasusakha (der Ehemann der Dienerin) sprach:
Weil es nichts Höheres als Tugend und Gerechtigkeit (den Dharma) gibt, erkennen die Brahmanen darin den wahren Reichtum. Und deshalb diene ich ihnen, um diesen Reichtum schätzen zu lernen.

Und die Rishis sprachen vereint:
Möge dir Glück beschieden sein, oh König, als Ergebnis der Geschenke, die du deinen Untertanen gibst. Mögen ihnen die verführerisch gefüllten Früchte bekommen!

Bhishma fuhr fort:
Mit diesen Worten entsagten die Rishis mit den beständigen Gelübden den Feigen, die mit Gold gefüllt waren, und verließen den Ort, um nach Belieben weiterzuwandern.

Und die Minister berichteten:
Oh König, als sie erkannten, daß im Inneren der Feigen Gold war, sind die Rishis weggegangen. Möge dir das bekannt sein!

Bhishma fuhr fort:
So von seinen Ministern angesprochen, wurde König Vrishadarbhi von Zorn gegen diese Rishis erfüllt. Wahrlich, um Rache zu nehmen, begab sich der Monarch ins Innere seines Palastes, übte strengste Entsagung und ließ von mächtigen Mantras begleitet große Ströme von Ghee in sein heiliges Opferfeuer strömen. Und aus diesem Feuer entstand als Ergebnis dieser Beschwörung eine Gestalt, die jeden mit Angst schlagen konnte. Vrishadarbhi nannte dieses Wesen Yatudhani („böser Geist“). Die Gestalt aus den Beschwörungsformeln des Königs, die so schrecklich anzuschauen war wie die Todesnacht, erschien mit gefalteten Händen vor dem Monarchen und sprach zum König: „Was soll ich vollbringen?“

Darauf antwortete Vrishadarbhi:
Geh und folge den sieben Rishis wie auch Arundhati, der Dienerin Ganda und ihrem Ehemann Pasusakha und ergründe die Bedeutungen ihrer Namen. Und wenn du ihre Namen begriffen hast (bzw. ihre Seele ergriffen), dann töte sie alle. Nachdem du sie vernichtet hast, magst du gehen, wohin du willst.

Bhishma fuhr fort:
„So sei es!“, sprach die Rakshasi namens Yatudhani in ihrer schrecklichen Gestalt und ging zum Wald, wo die großen Rishis auf der Suche nach Nahrung wanderten, oh König. Doch während diese großen Rishis mit Atri den Wald durchstreiften und von Früchten und Wurzeln lebten, sahen sie im Laufe ihrer Wanderung einen Bettler mit breiten Schultern, molligen Armen und Beinen sowie wohlgenährtem Gesicht und Bauch. Alle seine Glieder waren fett, und er wanderte mit einem Hund in seiner Gesellschaft. (Deshalb ist sein Name Sunahsakha, der „Freund der Hunde“.) Und angesichts dieses wohlgenährten Bettlers rief Arundhati (die „Zunge“) den Rishis zu:
Keiner von euch wird jemals imstande sein, einen so wohlentwickelten Körper zu zeigen!

Vasishta sprach:
Sein heiliges Feuer ist wohl nicht wie das unsere, weil er jeden Morgen und Abend das Trankopfer hineingießen kann. Dazu ist (gegenwärtig) keiner von uns fähig. Aus diesem Grund sehen wir ihn und seinen Hund so wohlgestaltet.

Atri sprach:
Dieser Mensch fühlt nicht wie wir die Schmerzen des Hungers. Seine Energie ist nicht wie unsere geschwächt worden. Seine Veden, die mühevoll erworben wurden, sind nicht wie unsere (vor Kraftlosigkeit) aus dem Gedächtnis verschwunden. Aus diesem Grund sehen wir ihn und seinen Hund so wohlgestaltet.

Vishvamitra sprach:
Im Gegensatz zu uns scheint er die heiligen Schriften zu bewahren und das Dharma zu erfüllen. Wir sind schwach geworden, fühlen die Stiche des Hungers und haben das gewonnene Wissen verloren. Aus diesem Grund sehen wir ihn und seinen Hund so wohlgestaltet.

Jamadagni sprach:
Er muß sich nicht wie wir darum sorgen, Nahrung und Brennholz über das Jahr zu sichern. Aus diesem Grund sehen wir ihn und seinen Hund so wohlgestaltet.

Kasyapa sprach:
Er hat nicht wie wir vier leibliche Brüder, die von Haus zu Haus gehen und mit den Worten „Bitte gib!“ betteln müssen. Aus diesem Grund sehen wir ihn und seinen Hund so wohlgestaltet.

Bharadwaja sprach:
Er wurde nicht wie unsereiner von seiner Frau (bzw. der Natur) verflucht. Er hat nicht übelgesinnt und gefühllos gehandelt. Aus diesem Grund sehen wir ihn und seinen Hund so wohlgestaltet.

Gautama sprach:
Er hat nicht wie wir nur drei Kleidungsstücke aus Kusha Gras und ein einziges Ranku Hirschfell, die schon drei Jahre alt sind. Aus diesem Grund sehen wir ihn und seinen Hund so wohlgestaltet.

Bhishma fuhr fort:
Als der wandernde Bettler die großen Rishis erblickte, näherte er sich ihnen und begrüßte sie alle, indem er gemäß seiner Gewohnheit ihre Hand berührte. Dann sprachen sie miteinander über die Schwierigkeit, Nahrung in diesem Wald zu finden und daß man deshalb den Hunger ertragen muß, und zogen gemeinsam weiter. Wahrlich, sie wanderten durch diese Wildnis alle mit dem gleichen Ziel, nämlich Früchte zu pflücken und Wurzeln auszugraben, um sie zu essen. Eines Tages erblickten sie auf ihrer Wanderung einen schönen, mit Lotusblumen überwachsenen See. Seine Ufer waren voller Bäume, die dicht beieinander standen. Das Wasser des Sees war rein und klar. Die Lotusblüten, die den See schmückten, waren alle von der Farbe der aufgehenden Sonne, und die Blätter, die auf dem Wasser schwammen, waren von der Farbe des Lapislazulis. Auf seinen Wellen vergnügten sich verschiedene Arten von Wasservögeln. Es gab nur einen Pfad, der zu ihm führte, wo die Ufer nicht schlammig waren und der Zugang zum Wasser leicht. So näherten sich diese Ersten der Rishis mit Pasusakha in ihrer Gesellschaft diesem See, um einige Stengel der Lotusblumen zu sammeln. Doch auf Befehl des Königs Vrishadarbhi beschützte die Rakshasi mit der schrecklichen Erscheinung, die aus den Beschwörungsformeln geboren und Yatudhani genannt wurde, das Gewässer. Als sie daraufhin das furchterregende Wesen am Ufer erblickten, sprachen die großen Rishis zu ihr:
Wer bist du, die so allein in diesen einsamen Wäldern lebt? Auf wen wartest du hier? Was ist dein Ziel? Was tust du hier an den Ufern dieses mit Lotusblumen geschmückten Sees?

Und Yatudhani sprach:
Es ist nicht wichtig, wer ich bin. Fragt mich nicht weiter. Ihr solltet nur wissen, oh ihr Askesereichen, daß ich die Wächterin von diesem See bin.

Darauf sprachen die Rishis:
Wir alle sind hungrig und haben nichts anderes zu essen. Mit deiner Erlaubnis würden wir gern einige Stengel der Lotusblumen sammeln.

Und Yatudhani sprach:
Gut, ihr könnt die Stengel der Lotusblumen sammeln, aber nur unter einer Bedingung, daß ihr mir einer nach dem anderen eure Namen erklärt. Dann könnt ihr die Stengel sofort nehmen!

Die Rishis erkannten jedoch, daß ihr Name Yatudhani („böser Geist“) war und daß sie dort stand, um sie zu töten (nachdem sie durch das Ergründen ihrer Namen ihre Seele bzw. ihr Wesen ergriffen hat). So sprach Atri, der kurz vor dem Verhungern war, folgende Worte zu ihr.

Er sprach:
Ich werde Atri genannt, weil ich die Welt von Sünde reinige. Ich habe die Veden dreimal jeden Tag studiert und meine Nächte zu Tagen gemacht. So habe ich niemals in der Nacht die Veden studiert. Aus diesen Gründen werde ich Atri genannt, oh schöne Dame.

Darauf antwortete Yatudhani:
Oh du Glanzvoller, den Sinn, den du mir für deinen Namen beschrieben hast, kann ich nicht begreifen. Deshalb tauche beruhigt in diesen See voller Lotusblumen!

Vasishta sprach:
Ich bin mit dem Reichtum (der Yogakraft) gesegnet und führe weiterhin ein häusliches Leben. So werde ich als Erster aller Hausväter betrachtet. Aufgrund dieses Reichtums, mein Leben als Hausvater und meine Würdigung als Erster der Hausväter werde ich Vasishta genannt.

Darauf antwortete Yatudhani:
Auch der Sinn deines Namens ist mir vollkommen unverständlich, vor allem die Verwandlung der eigentlichen Bedeutungen. So geh und tauche in diesen See voller Lotusblumen!

Kasyapa sprach:
Ich bewahre stets meinen Körper, und aufgrund meiner Entsagung wurde ich mit solchem Glanz gesegnet. Und weil ich den Körper bewahre und diesen Glanz ausstrahle, werde ich Kasyapa genannt.

Darauf antwortete Yatudhani:
Oh Glanzvoller, auch die Erklärung deines Namens kann ich nicht bis zur Wurzel erfassen. So geh und tauche in diesen See voller Lotusblumen!

Bharadwaja sprach:
Ich versorge stets meine Söhne und Schüler, die Götter, die Brahmanen und meine Ehefrau. Aufgrund dieses Wirkens zu ihrem Wohl werde ich Bharadwaja genannt.

Darauf antwortete Yatudhani:
Auch der Sinn deines Namens ist mir aufgrund der vielen Beugungen der Wurzel vollkommen unverständlich. So geh und tauche in diesen See voller Lotusblumen!

Gotama sprach:
Ich habe Himmel und Erde mithilfe der Selbstzügelung überwunden. Weil ich alle Wesen und Dinge mit gleichem Auge betrachte, bin ich wie ein rauchloses Feuer und kann auch durch dich nicht unterjocht werden. Und als ich geboren wurde, zerstreute der Glanz meines Körpers die Dunkelheit der Umgebung. Aus diesen Gründen werde ich Gotama genannt.

Darauf antwortete Yatudhani:
Auch diese Erklärung, die du mir zu deinem Namen gegeben hast, oh großer Asket, kann ich nicht verstehen. So geh und tauche in diesen See voller Lotusblumen!

Vishvamitra sprach:
Die Götter des Weltalls sind meine Freunde, und so bin auch ich ein Freund des Weltalls. Deshalb, oh Yatudhani, werde ich Vishvamitra genannt.

Darauf antwortete Yatudhani:
Auch der Sinn deines Namens bleibt mir aufgrund der Vieldeutigkeit unverständlich. So geh und tauche in diesen See voller Lotusblumen!

Jamadagni sprach:
Ich bin aus dem Opferfeuer der Götter für das Opferfeuer geboren. Deshalb werde ich Jamadagni genannt, oh Schöne.

Darauf antwortete Yatudhani:
Auch diese wörtliche Erklärung deines Namens, oh großer Asket, kann ich nicht begreifen. So geh und tauche in diesen See voller Lotusblumen!

Arundhati (die Ehefrau von Vasishta) sprach:
Ich bin beständig an der Seite meines Mannes und bewahre die Erde gemeinsam mit ihm. Mein Herz ist stets meinem Ehemann geneigt. Aus diesen Gründen werde ich Arundhati genannt.

Darauf antwortete Yatudhani:
Auch der Sinn deines Namens ist mir völlig unverständlich. So geh und tauche in diesen See voller Lotusblumen!

Ganda (die Dienerin) sprach:
Der Name Ganda bedeutet einen Teil der Wange. Weil bei mir dieser Teil etwas höher ist wie bei anderen, werde ich Ganda genannt, oh Geborene aus dem Opferfeuer von Saivya.

Darauf antwortete Yatudhani:
Auch den Sinn deines Namens kann ich nicht begreifen. So geh und tauche in diesen See voller Lotusblüten!

Pasusakha (der Ehemann von Ganda) sprach:
Ich beschütze und hege alle Tiere, die ich erblicke, und bin ihnen stets ein Freund. Deshalb heiße ich Pasusakha, oh Feuergeborene.

Darauf antwortete Yatudhani:
Auch der Sinn deines Namens bleibt mir völlig unverständlich. So geh und tauche in diesen See voller Lotusblumen!

Sunahsakha sprach:
Die Wurzel meines Namens kann ich nicht auf die Weise dieser Asketen erklären. Aber wisse, oh Yatudhani, daß ich Sunahsakha (der „Freund der Hunde“) genannt werde!

Darauf antwortete Yatudhani:
Du hast deinen Namen nur genannt und keine Erklärung gegeben. Deshalb sprich erneut, oh Zweifachgeborener!

Und so sprach Sunahsakha:
Weil du meinen Namen nicht verstehst, den ich dir genannt habe, werde ich dich mit meinem dreifachen Asketenstab schlagen! Danach sollst du unverzüglich zu Asche verbrennen!

Bhishma fuhr fort:
So traf der Sannyasin die Rakshasi mit seinem dreifachen Stab, der dem Fluch eines Brahmanen glich, direkt auf den Kopf. Damit sank dieses Wesen, das aus den Beschwörungsformeln des Königs Vrishadarbhi geboren wurde, zu Boden und verbrannte augenblicklich zu Asche. Nachdem die mächtige Rakshasi getötet war, stieß Sunahsakha seinen Stab in die Erde und setzte sich daneben auf ein Büschel Gras. Die Rishis pflückten inzwischen mehrere Lotusblumen mit ihren Stengeln und kamen voller Freude aus dem See heraus. Dann legten sie den Haufen, den sie mühevoll gesammelt hatten, auf den Boden und tauchten erneut in den See, um die Opfergabe von Wasser den Ahnen darzubringen. Als sie wieder herauskamen, gingen sie zu jenem Ort, wo sie die Stengel abgelegt hatten, doch diese Ersten der Männer, konnten sie nirgendwo mehr wiederfinden.

Da sprachen die Rishis:
Welcher sündhafte und gefühllose Mensch hat die Lotusblumenstengel gestohlen, die wir Hungernden uns zur Nahrung gesammelt hatten?

Bhishma fuhr fort:
Da sahen sich diese Ersten der Zweifachgeborenen untereinander an, oh Feindevernichter, und sprachen: „Jeder von uns sollte seine Unschuld beschwören!“ Daraufhin verkündeten all diese Asketen, die vom Hunger gequält und von der Anstrengung ermüdet waren, folgende Eide.

Atri sprach:
Der Dieb dieser Lotusblumenstengel soll mit seinem Fuß die heiligen Kühe berühren, gegen die Sonne urinieren und die Veden an verbotenen Tagen studieren!

Vasishta sprach:
Der Dieb dieser Lotusblumenstengel soll das Studium der Veden versäumen, Hunde an der Leine führen, ein wandernder Bettler sein, der die Gebote für diese Lebensweise mißachtet, jene töten, die ihn um Zuflucht baten, vom Erlös des Verkaufs seiner Tochter leben oder jene um Reichtum bitten, die gemein und lasterhaft sind!

Kasyapa sprach:
Der Dieb dieser Lotusblumenstengel soll alle Arten von Worten an allen Orten sprechen, falsch Zeugnis vor Gericht ablegen, das Fleisch von Tieren essen, die nicht als Opfer geschlachtet wurden, Geschenke an Unwürdige oder zur falschen Zeit an Würdige geben und sexuellen Kontakt mit Frauen während der Tageszeit pflegen!

Bharadwaja sprach:
Der Dieb dieser Lotusblumenstengel soll grausam und ungerecht gegenüber Frauen, Angehörigen und Kühen sein. Möge er Brahmanen in Debatten verletzen und mit seinem großen Wissen prahlen. Möge er die Rik und Yajur Veden unter Mißachtung seiner Lehrer studieren. Möge er das Trankopfer in ein Feuer aus trockenem Stroh gießen!

Jamadagni sprach:
Der Dieb dieser Lotusblumenstengel soll schuldig sein, Abfall und Schmutz ins Trinkwasser geworfen zu haben. Möge er mit Feindseligkeit zu Kühen geschlagen sein. Möge er der sexuellen Vereinigung mit Frauen außerhalb ihrer fruchtbaren Zeit schuldig sein. Möge er seine Mitmenschen hassen und vom Verdienst seiner Ehefrau abhängig sein. Möge er keine Freunde und viele Feinde haben. Möge er die Gastfreundschaft in seinem Haus versäumen und auf gleiche Weise behandelt werden!

Gotama sprach:
Der Dieb dieser Lotusblumenstengel soll schuldig sein, die Veden zu verwerfen, nachdem er sie studiert hat. Möge er die drei heiligen Feuer mißachten und ein Verkäufer von Soma (Kraut oder Saft) sein. Möge er mit einem Brahmanen, der mit einer Shudra Frau verheiratet ist, in einem Dorf wohnen müssen, das nur einen Brunnen hat, aus dem alle Kasten ihr Wasser schöpfen!

Vishvamitra sprach:
Der Dieb dieser Lotusblumenstengel soll vom Schicksal verflucht sein, seine Lehrer, Eltern und Diener noch während seiner Lebenszeit von Fremden versorgt zu sehen. Möge er kein gutes Ende finden und der Vater von vielen unnützen Kindern sein. Möge er immer unrein, ein Schuft unter Brahmanen und stolz auf seine Besitztümer sein. Möge er die Erde pflügen (was für Brahmanen Sünde ist) und voller Böswilligkeit handeln. Möge er in der Regenzeit wandern und als ein gekaufter Diener leben. Möge er in Opfern unreiner Leute amtieren, die diesen Dienst in ihren Opfern nicht verdienen!

Arundhati sprach:
Möge die Diebin dieser Lotusblumenstengel stets ihre Schwiegermutter verletzen und ihren Ehemann verärgern. Möge sie alle gute Nahrung in ihrem Haus selbst essen, ohne mit anderen zu teilen. Möge sie voller Mißachtung der Verwandten ihres Mannes in seinem Haus wohnen und am Ende des Tages das Mehl von gerösteter Gerste verzehren. Möge sie als unangenehm betrachtet werden (aufgrund ihrer Sünden) und die Mutter eines gewalttätigen Sohnes sein!

Ganda sprach:
Möge die Diebin dieser Lotusblumenstengel stets lügen und mit ihren Angehörigen streiten. Möge sie ihre Tochter gegen Geld in eine Ehe verkaufen. Möge sie allein die Speise essen, die sie gekocht hat, ohne mit irgend jemandem zu teilen. Möge sie ihr ganzes Leben in Sklaverei verbringen. Wahrlich, möge die Diebin der Lotusblumenstengel durch unreinen sexuellen Kontakt mit einem Kind schwanger werden.

Pasusakha sprach:
Möge der Dieb dieser Lotusblumenstengel von einer Sklavin geboren werden. Möge er viele unnütze Kinder haben und sich nie vor den Göttern verneigen!

Und schließlich sprach Sunahsakha:
Möge der Dieb dieser Lotusblumenstengel das Verdienst erreichen, seine Tochter in die Ehe mit einem Brahmanen zu schenken, der den ganzen Saman und Yajur Veda studiert hat und sorgfältig das Brahmacharya Gelübde beachtet. Möge er auch die abschließende Waschung vollbringen, nachdem er den ganzen Atharvan studiert hat!

Da sprachen die Rishis:
Der Eid, den du geleistet hast, ist nicht wie unserer. Er ist für Brahmanen sehr wünschenswert. Oh Sunahsakha, es ist offensichtlich, daß du unsere Lotusblumenstengel genommen hast!

Darauf antwortete Sunahsakha:
Ihr seht eure abgelegten Lotusblumenstengel nicht mehr, und es ist vollkommen wahr, was ihr sagt, denn ich habe sie wirklich gestohlen. Vor euren Augen habe ich dafür gesorgt, daß sie verschwunden sind. Oh ihr Sündlosen, diese Tat habe ich als Prüfung für euch vollbracht. Denn ich kam hierher, um euch zu beschützen. Dieses Weib, das nun geschlagen ist, wurde Yatudhani genannt und war von unheilvoller Gesinnung. Sie wurde aus den Beschwörungsformeln von König Vrishadarbhi geboren und erschien hier, um euch alle zu töten. Ihr Asketen mit dem Reichtum der Entsagung, sie wurde vom König im Zorn geschaffen, und ich habe sie vernichtet. Ansonsten hätte diese übelgesinnte und sündhafte Kreatur aus dem Opferfeuer euch das Leben genommen. Um sie zu töten und euch zu retten, bin ich hierhergekommen, oh ihr gelehrten Brahmanen. Erkennt mich als Indra! Wahrlich, ihr habt euch vollkommen vom Einfluß der Begierde befreit. Damit habt ihr viele ewige Bereiche gewonnen, die alle Wünsche erfüllen, die sich im Herzen regen könnten. So erhebt euch nun unverzüglich von diesem Ort zu jenen Regionen der Glückseligkeit, die euch bestimmt sind, oh ihr Zweifachgeborenen!

Bhishma fuhr fort:
Die großen Rishis waren damit vollkommen zufrieden, sprachen zu Indra „So sei es!“, und erhoben sich sogleich gen Himmel in Gesellschaft von Indra persönlich. Auf diese Weise ertrugen diese Hochbeseelten die Versuchungen, obwohl sie vom Hunger gequält und geschwächt waren und während dieser Zeit mit verschiedensten Angeboten von angenehmen Dingen verlockt wurden. Durch Selbstüberwindung erreichten sie den Himmel. Es scheint deshalb, daß man unter allen Bedingungen die Habgier von sich fernhalten sollte. Eben das, oh König, ist die höchste Aufgabe im Leben. Die Habgier sollte tiefgründig überwunden werden. Wer diese Geschichte (über die Taten der rechtschaffenen Rishis) in Versammlungen von Menschen rezitiert, wird wahrlich Reichtum erwerben. Solch ein Mensch muß kein quälendes Ende mehr erleiden. Die Ahnen, Rishis und Götter werden zufrieden mit ihm sein, und auch in der kommenden Welt wird er mit Ruhm, religiösem Verdienst und Wohlstand gesegnet sein.

(Diese Geschichte über den Raub der Lotusstengel scheint sehr verbreitet gewesen zu sein. Ähnliche Varianten findet man im Padma und Skanda Purana sowie in den buddhistischen Wiedergeburtsgeschichten Jatakam Kapitel 488 und Jatakamala Kapitel 19. Eine weitere Variante folgt hier im nächsten Kapitel.)


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