Pushpak Mahabharata Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 27 - Wie man den Zustand eines Brahmanen erreicht

Yudhishthira sprach:
Oh Großvater, du bist voller Weisheit und Kenntnis der Schriften, voll heilsamen Verhaltens und mit den verschiedenen vorzüglichen Qualitäten gesegnet sowie mit vielen Jahren. Du überragst andere an Intelligenz, Weisheit und Entsagung. Ich möchte dich deshalb, oh Erster aller Rechtschaffenen, weiter bezüglich es Dharmas befragen. Denn es gibt keinen anderen Menschen in allen Welten, oh König, der würdiger wäre, zu diesem Thema befragt zu werden. Oh Bester der Könige, wie kann ein Mensch, der nun einmal als Kshatriya, Vaisya oder Shudra geboren wurde, den Status eines Brahmanen erwerben? Mögest du mich über die Mittel belehren. Ist es durch strengste Entsagung, durch religiöse Taten oder durch Kenntnisse der Schriften, daß eine Person, die den drei untergeordneten Kasten angehört, den Status eines Brahmanen erreichen kann? Das erkläre mir, oh Großvater!

Und Bhishma sprach:
Der Status eines Brahmanen, oh Yudhishthira, kann durch eine Person, die den drei anderen Kasten angehört, nicht direkt erreicht werden. Denn dieser Status ist für alle Wesen der Höchste. Man muß durch unzählige Arten der Existenz reisen und wiederholte Geburten annehmen, um schließlich in einigen Existenzen als Brahmane geboren zu werden. Diesbezüglich wird eine alte Geschichte erzählt, oh Yudhishthira, über ein Gespräch zwischen Matanga und einem Esel.

Einst erhielt ein Brahmane einen Sohn, der zwar von seiner Frau geboren wurde, aber von einem Shudra gezeugt war. Dennoch empfing dieser Sohn von ihm die Geburts- und Jugendriten, die für Brahmanen aufgestellt wurden. Das Kind wurde Matanga genannt und war mit jeder Vorzüglichkeit gesegnet. Eines Tages, oh Feindevernichter, als sein Vater wünschte, ein Opfer durchzuführen, sandte er ihn, um die dafür nötigen Dinge zu sammeln. So brach er auf Geheiß seines Vaters schnell auf und bestieg einen Wagen, der von einem Esel gezogen wurde. Doch wie es kommen sollte, der angespannte Esel war noch jung an Jahren, und statt dem Lenker zu folgen, zog das Tier den Wagen zu seiner Mutter. Matanga war darüber verärgert und begann, das Tier wiederholt mit seiner Peitsche auf die Nase zu schlagen. Und in Anbetracht der Gewalt gegen ihr Kind sprach die Eselmutter voller Zuneigung:
Gräme dich nicht, oh Kind, wegen dieser Behandlung! Es ist ein Chandala, der dich antreibt, und kein gewaltloser Brahmane. Denn die Brahmanen gelten als Freunde aller Geschöpfe. Sie sind die Lehrer aller Menschen und ihrer Herrscher. Könnten sie irgendein Wesen so grausam züchtigen? Dieser Gefährte jedoch handelt voller Sünde. Er hat kein Mitgefühl, nicht einmal zu den jungen Wesen. Er zeigt die wahre Kaste seiner Geburt, indem er sich auf diese Weise verhält. Sein Wesen, das er von seinem Vater (dem Shudra) empfangen hat, verhindert wohl das Entstehen jenes Mitgefühls und der Güte, die den Brahmanen wesenhaft sind.

Diese harten Worte der Eselmutter hörend, stieg Matanga schnell vom Wagen ab und sprach zu ihr:
Sage mir, oh gesegnete Dame, welche Schuld siehst du in meinem Vater? Woher weißt du, daß ich ein Chandala bin? Das sage mir, ohne zu zögern. Wahrlich, warum soll ich ein Chandala sein und kein Brahmane? Oh Weisheitsvolle, das erzähle mir alles ausführlich von Anfang bis zum Ende.

Darauf sprach die Esel Dame:
Gezeugt wurdest du durch einen Shudra, der den Beruf eines Friseurs ausübte, als die Frau des Brahmanen von Begierde ergriffen wurde. Deshalb bist du ein Chandala von Geburt. Der Status eines Brahmanen gehört dir überhaupt nicht.

So angesprochen von der Esel Dame, ging Matanga sofort nach Hause. Und angesichts seiner Rückkehr sprach sein Vater:
Ich habe dich mit der schwierigen Aufgabe geschickt, die Erfordernisse für mein beabsichtigtes Opfer zu sammeln. Warum bist du zurückgekehrt, ohne deine Aufgabe vollbracht zu haben? Ist mit dir irgendetwas nicht in Ordnung?

Und Matanga antwortete:
Wie kann jemand, der keiner bestimmten Kaste angehört und zu den Ausgestoßenen zählt als in Ordnung und glücklich betrachtet werden? Wie, oh Vater, kann ein Sohn glücklich sein, dessen Mutter befleckt ist? Oh Vater, diese Esel Dame, die ein hohes Wesen zu sein scheint, hat mir gesagt, daß ich von einem Shudra gezeugt wurde und deshalb ein Chandala bin, ein Sohn von einer Brahmanin und einem Shudra. Ich sollte deshalb die härteste Entsagung üben, um ein Brahmane zu werden.

Nachdem er diese Worte zu seinem Vater gesprochen hatte und fest entschlossen dazu war, ging er in einen großen Wald und begann ein Leben der strengsten Entsagung zu führen. Damit wollte er den glücklichen Status eines Brahmanen erlangen. Und so begann Matanga, sogar die großen Götter durch die Härte seiner Askese zu verbrennen. Da erschien dem strengen Asketen Indra, der Führer der Himmlischen, und sprach zu ihm:
Warum, oh Matanga, verbringst du deine Zeit in solchem Leiden und verzichtest auf alle menschlichen Freuden? Ich werde dir Segen gewähren. So sage mir, was du wünschst. Zögere nicht und erzähle mir, was in deinem Herzen ist. Selbst wenn es dir unerreichbar scheint, ich werde es gewähren.

Darauf sprach Matanga:
Ich habe begonnen, diese Askese zu üben, um den Status eines Brahmanen zu erlangen. Erst wenn ich ihn erreicht habe, werde ich wieder nach Hause gehen. Das ist der Segen, den ich von dir erbitte.

Diese Worte von ihm hörend, antwortete Indra:
Der Status eines Brahmanen, oh Matanga, den du zu erreichen wünschst, ist für dich wirklich unerreichbar. Es ist wohl wahr, daß du danach strebst, aber eine Person mit ungereinigter Seele kann ihn nicht erreichen. Oh Unwissender, du wirst sicher auf deinen Untergang treffen, wenn du auf diesem Verlangen beharrst. Entsage deshalb unverzüglich diesem eitlen Versuch! Dieses Objekt deiner Begierde, nämlich der Status eines Brahmanen, welcher der Erste von allen ist, kann durch Askese allein nicht erlangt werden. Deshalb wirst du im Streben nach diesem vorzüglichen Zustand auf deinen sicheren Untergang treffen. Wer als Chandala geboren wurde, kann niemals diesen Status erhalten, der als der heiligste unter den Göttern, Dämonen und Menschen betrachtet wird.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter