Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 327 - Janaka belehrt Suka über den Erlösungsweg

Bhishma sprach:
Oh Bharata, am nächsten Morgen kam König Janaka in Begleitung seiner Minister und dem ganzen Gefolge mit seinen Priestern an der Spitze zu Suka. Er brachte kostbare Sitze und verschiedene Arten von Juwelen und Edelsteinen mit und trug auf seinem Kopf persönlich den Krug mit dem Arghya. So näherte sich der Monarch dem Sohn seines ehrwürdigen Lehrers. Der König nahm mit eigenen Händen aus den Händen seines Priesters jenen Sitz, der mit vielen Edelsteinen geschmückt, kostbar, bequem und in allen Teilen schön war, und bot ihn mit großer Verehrung dem Sohn seines Lehrers an. Nachdem dieser darauf Platz genommen hatte, würdigte ihn der König gemäß den traditionellen Riten. Zuerst bot er ihm das Wasser zum Waschen der Füße an und danach das Arghya und Kühe. Der Asket akzeptierte diese Verehrung, die mit den rechten Riten und Mantras dargebracht wurde, und begrüßte seinerseits ehrfurchtsvoll den Monarch. Voll strahlender Energie fragte er als nächstes nach dem Wohlergehen des Königs und seinen Ministern, Beamten nebst Hofstaat. Dann bat er König Janaka mit all seinem Gefolge sich ebenfalls zu setzen. Doch der König, hochbeseelt und hochgeboren, setzte sich mit gefalteten Händen auf den bloßen Boden. Dann fragte der Monarch nach dem Wohlergehen und beständigen Reichtum des Sohnes von Vyasa sowie nach dem Zweck seines Besuches.

Und Suka antwortete:
Gesegnet seist du! Mein Vater sagte mir, daß sein Opferherr, der Herrscher der Videhas, der überall auf der Welt unter dem Namen Janaka bekannt ist, in der Erlösungslehre wohlerfahren ist. Er befahl mir, unverzüglich zu ihm zu gehen, wenn ich noch irgendwelche Zweifel bezüglich der Wege des Handelns und Nichthandelns habe, welche einer Klärung bedürfen. Er gab zu verstehen, daß mir der König von Mithila all meine Zweifel lösen würde. Deshalb bin ich hier auf Geheiß meines Vaters erschienen, um deine Belehrung zu empfangen. So bitte ich dich, oh Erster aller Rechtschaffenen, sage mir: Was sind die Aufgaben eines Brahmanen, und was ist die Essenz dieser Aufgaben, welche die Befreiung als Ziel haben? Wie kann man die Befreiung erreichen, durch Erkenntnis oder durch Entsagung?

Janaka sprach:
So höre, was die Aufgaben eines Brahmanen vom Moment seiner Geburt an sind. Oh Sohn, nach seiner Initiierung mit der heiligen Schnur sollte er seine Aufmerksamkeit auf das Studium der Veden richten. Indem er Entsagung übt, pflichtbewußt seinem Lehrer dient und die Gebote des Brahmacharya beachtet, oh Mächtiger, sollte er die Schulden begleichen, die er vor den Göttern und Ahnen hat und alle Böswilligkeit überwinden. Nachdem er die Veden voller Achtsamkeit studiert, seine Sinne gezügelt und seinem Lehrer den Lohn gegeben hat, kann er mit dessen Erlaubnis nach Hause zurückkehren. Zu Hause möge er sich der Häuslichkeit widmen, eine Gattin heiraten und zufrieden mit ihr leben, frei von aller Boshaftigkeit und auf das häusliche Opferfeuer gegründet. Nachdem er als Hausvater Söhne und Enkel hervorgebracht hat, sollte er sich in die Wälder als Einsiedler zurückziehen, die gleichen Opferfeuer ehren und seine herzliche Gastfreundschaft bewahren. Während er rechtschaffen im Walde lebt, sollte er schließlich das Opferfeuer seiner Seele entfachen und befreit von allen Paaren der Gegensätze, jegliche Anhaftung von der Seele lösen. Dann kann er seine Tage in der Lebensweise eines Sannyasin (als besitzloser Bettelmönch) verbringen, welche auch die Weise des Brahman genannt wird.

Da fragte Suka:
Wenn man ein Verständnis erreicht, das vom Studium der heiligen Schriften gereinigt wurde und alle Erscheinungen wahrhaft durchschaut, wenn das Herz beständig von allen Wirkungen der Gegensätze frei ist, besteht für eine solche Person noch die Notwendigkeit nacheinander die drei Lebensweisen des Brahmacharya, Garhasthya und Vanaprastha zu durchlaufen (als Schüler, Hausvater und Waldeinsiedler)? Das ist mein Zweifel, den du mir lösen mögest. Wahrlich, oh Herrscher der Menschen, erkläre mir das im Einklang mit der wahren Bedeutung der Veden.

Janaka sprach:
Ohne die Hilfe eines klaren Verstandes, der durch das Studium der heiligen Schriften gereinigt wurde und ohne wahrhafte Sicht durch alle Erscheinungen hindurch ist ein Erreichen der Befreiung unmöglich. Dieses gereinigte Verständnis wiederum gilt als unerreichbar ohne die Verbindung mit einem Lehrer. Der Lehrer ist der Fährmann, und die Erkenntnis ist das Boot (mit dem man den Ozean der Welt überqueren kann). Wer dieses Boot erworben hat, wird von Erfolg gekrönt. Und hat man den Ozean durchquert, läßt man beides los (Lehrer und Erkenntnis). Zum Wohle der Welt, damit sie nicht untergeht und die tugendhaften Taten nicht verfallen, wurden die Aufgaben der vier Lebensweisen seit alters her von den Rechtschaffenen erfüllt. Denn durch diese Hingabe an den Stufenweg der Taten kann man im Laufe vieler Geburten das Karma von guten als auch schlechten Taten auflösen und das erreichen, was man Erlösung nennt. Wer jedoch durch Entsagung auf diesem Weg bereits einen höchst gereinigten Geist gewonnen hat, der ist sogar fähig, bereits in der allerersten Lebensweise als Brahmacharin die Befreiung zu erreichen. Denn wer diesen reinen Geist findet, der erreicht die Befreiung und damit die Allwissenheit bezüglich aller erkennbaren Dinge. Welches wünschenswertere Ziel wäre durch die Beachtung der drei ersten Lebensweisen zu gewinnen? Deshalb sollte man beständig die Sünden bereinigen, welche aus den natürlichen Qualitäten der Leidenschaft und Dunkelheit geboren werden. Auf dem Weg der Güte (des Sattwa) sollte man sich selbst durch das Selbst erkennen. Denn wer sich selbst in allen Wesen und alle Wesen in sich selbst sieht, der wird von der Welt so wenig durchnäßt, wie ein Wasservogel vom Wasser. Wer alle Gegensätze überwinden kann und von ihrem Einfluß frei ist, der kann wahrlich alle Anhaftungen lösen und gelangt zur zeitlosen Glückseligkeit in der kommenden Welt, wie sich ein Vogel von der Erde in die Lüfte aufschwingt. Höre dazu folgende Sprüche, welche einst von König Yayati gesungen wurden, und welche alle Kenner der heiligen Schriften, die sich mit der Befreiung befassen, in ihrer Erinnerung tragen:

Das klare Licht der Erkenntnis (d.h. die Höchste Seele) ist in jeder Seele und nirgendwo anders. Es besteht in gleicher Weise in allen Geschöpfen. Man kann es selbst sehen, wenn das Herz dem Yoga gewidmet ist. Wer so lebt, daß sich kein anderer vor ihm fürchten muß, wer sich vor niemand anderem fürchtet, und wer weder Verlangen noch Abneigung hegt, der hat das Brahman erreicht, so sagt man. Wer keine unheilsame Gesinnung in Gedanken, Worten und Taten hegt, der hat das Brahman erreicht. Wer das Denken und die Sinne zügelt, den Geist vom allesverwirrenden Neid gereinigt und Begierde und Unwissenheit überwunden hat, der hat das Brahman erreicht. Wer im Hören und Sehen (sowie aller anderen Sinnesfunktionen) die Einheit bezüglich aller Objekte wahrnimmt und alle Paare der Gegensätze überwunden hat, der hat das Brahman erreicht. Wer mit dem Auge der Einheit auf Lob und Tadel, Gold und Eisen, Glück und Leid, Hitze und Kälte, gut und böse, angenehm und unangenehm oder Leben und Tod schaut, der hat das Brahman erreicht. Wer deshalb den Weg der Sannyasins (der Besitzlosen) gehen möchte, sollte seine Sinne mit dem Denken zurückziehen, wie eine Schildkröte ihre ausgestreckten Glieder. Und wie ein Haus in der Dunkelheit mithilfe einer angezündeten Lampe sichtbar wird, so kann man dann die Höchste Seele mithilfe der Leuchte der Vernunft erkennen.

Oh Erster der Weisen, ich sehe, daß all dieses Wissen, das ich dir erzähle, bereits in dir wohnt. Auch was sonst noch jemand wissen sollte, der sich der Befreiung zuwendet, ist dir bereits bekannt. Oh zweifachgeborener Rishi, ich bin überzeugt, daß du durch die Gnade deines Lehrers und die Belehrungen, die du erhalten hast, bereits alle Sinnesobjekte überwunden hast. Oh großer Asket, durch die Gnade deines Vaters habe ich die Allwissenheit erreicht und kann dich deshalb auf diese Weise erkennen. Deine Weisheit ist viel größer, als du denkst. Deine Wahrnehmungen, die sich aus der Intuition ergeben, sind viel tiefer, als du denkst. Und auch deine Kraft ist viel größer, als du denkst. Aufgrund deines jugendlichen Alters, der Zweifel, die du nicht lösen konntest, oder der Furcht, die Erlösung nicht zu erreichen, bist du dir dieser Erkenntnis aus der Intuition noch nicht voll bewußt, obwohl sie sich in deinem Geist erhebt. Nachdem die eigenen Zweifel von Menschen wie uns zerstreut wurden, kann man die Knoten (bzw. Bindungen) im Herzen lösen und durch wahrhafte Anstrengung wird man sich der Erkenntnis bewußt, und erreicht sie damit. Du selbst bist einer, der die Erkenntnis bereits hat. Dein Geist ist beständig und still, und du bist von aller Habgier frei. Dennoch, oh Brahmane, kann man nie ohne Anstrengung das Brahman erreichen, was das höchst Erreichbare ist. Du siehst die Einheit zwischen Glück und Leid. Du bist von Begierde frei. Du sehnst dich nicht nach den Vergnügungen von Tanz und Gesang. Du hast keine Anhaftungen. Du hängst an keinen Freunden. Du hast keine Angst in dieser Welt der Furcht. Oh Gesegneter, ich sehe, daß du einen Goldklumpen und eine Erdscholle als gleichwertig betrachtest. Ich selbst und andere Weisheitsvolle sehen dich im höchsten und unvergänglichen Pfad der Stille gegründet. Du gehst, oh Zweifachgeborener, den heiligen Weg der Brahmanen zu jener einzigen Frucht, welche die höchste Erlösung ist. Was sonst möchtest du noch von mir erfahren?


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