Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 306 - Vasishta über das Lernen

Der Nachkomme von Janaka sprach:
Oh Heiliger, man sagt, die Beziehung zwischen Mann und Frau ist wie zwischen dem Unvergänglichen und dem Vergänglichen (Purusha und Prakriti bzw. Höchster Geist und Natur). Ohne einen Mann kann keine Frau empfangen. Ohne eine Frau kann ein Mann keinen Nachwuchs hervorbringen. Aus ihrer Verbindung miteinander und gestützt auf ihre jeweiligen Fähigkeiten können die Gestaltungen lebendig fließen. Das trifft wohl auf alle Arten der Geschöpfe zu. Durch beiderseitige Neigung zur Vereinigung ergänzen sich ihre Fähigkeiten, und aus dem Moment der Befruchtung fließen neue Formen. Laß es mich näher erklären. Bezüglich der Eigenschaften des Vaters und der Mutter wissen wir zum Beispiel, daß Knochen, Sehnen und Knochenmark vom Vater stammen, und Haut, Fleisch und Blut von der Mutter. Das, oh Erster der Zweifachgeborenen, liest man in den Veden und anderen heiligen Schriften, weshalb es als zeitlos und wahrhaft gilt. Wenn jedoch der Höchste Geist und die Natur auf diese Weise stets verbunden sind, indem sie gegensätzlich wirken und sich damit ergänzen, sehe ich, daß es keine Befreiung geben kann. Du hast die geistige Sicht, oh Heiliger, wodurch du alles erkennen kannst, als wären deine Augen überall. Falls du deshalb irgendeinen unmittelbaren Beweis für die Existenz der Befreiung kennst, so bitte ich dich, mir diesen zu nennen. Denn wahrlich, wir sind stets bestrebt, diese Befreiung zu erreichen und möchten zu dem Verheißungsvollen gelangen, das körperlos ist, unvergänglich, ewig jenseits der Sinneserfahrungen, und über dem es nichts Höheres gibt.

Vasishta sprach:
Was du über die Aussagen der Veden und anderen heiligen Schriften sprichst, ist wahrlich so. Doch du begreifst diese Aussagen, wie man sie eben begreift. So trägst du in deinem Verstand nur die Texte der Veden und anderen Schriften und hast, oh Monarch, ihre wahre Bedeutung noch nicht erkannt. Solange man die bloßen Texte im Verstand trägt, ohne ihren wahren Sinn zu erkennen, schleppt man sie unfruchtbar mit sich herum. Wahrlich, man sagt, wer nur das Papier eines Buches trägt, schleppt damit eine nutzlose Last. Wer jedoch die wahre Bedeutung ergründet, der gilt als Studierender. Und wenn er nach dem Sinn eines Textes gefragt wird, kann er die Bedeutung erklären, die er durch sorgfältiges Studium ergründet hat. Der geistig Träge jedoch, der unfähig ist, die Bedeutungen der Texte unter Gelehrten zu erklären, wird in seiner Unwissenheit nie den wahren Sinn ergründen. Ein Unwissender, der die Wahrheit erklären will, erntet schließlich nur Spott, selbst wenn er denkt, die Höchste Seele erkannt zu haben.

So höre mich jetzt, oh Monarch, wie das Thema der Befreiung (seit Urzeiten vom Lehrer dem Schüler) unter Hochbeseelten erklärt wird, die im Sankhya und Yoga erfahren sind. Was die Yogis schauen können ist das Gleiche, wonach auch die Sankhyas suchen. Wer erkennt, daß Sankhya und Yoga (Theorie und Praxis) ein und dasselbe sind, gilt wahrlich als Weiser. Du sagtest zu mir, daß Haut, Fleisch, Blut, Fett, Galle, Mark und Sehnen wie auch die Sinnes- und Handlungsorgane existieren. Wahrlich, die Dinge fließen aus den Dingen, wie auch die Sinne aus den Sinnen. Vom Körper erhält man einen Körper, wie der Samen wieder aus dem Samen entsteht. Wenn die Höchste Seele jedoch ohne Sinne, ohne Samen, ohne Materie, ohne Körper und ohne andere Eigenschaften ist, wie könnten daraus Eigenschaften entstehen? Raum und andere Eigenschaften entstehen aus den Qualitäten von Sattwa, Rajas und Tamas und verschwinden schließlich mit ihnen. So entstehen die Eigenschaften der Natur. Erkenne, daß Haut, Fleisch, Blut, Fett, Galle, Mark, Knochen und Sehnen - diese acht und auch der Samen aus der Natur stammen, oh König. Die verkörperte Seele und das ganze Weltall gelten als Natur, die durch die drei Qualitäten des Sattwa, Rajas und Tamas geprägt ist. Die Höchste Seele ist sowohl über der verkörperten Seele als auch über dem ganzen Weltall. Wie die Jahreszeiten, obwohl sie formlos sind, dennoch aus den Erscheinungen der besonderen Früchte und Blumen abgeleitet werden, so wird auch die Natur, obwohl sie eigentlich formlos ist, aus ihren Erscheinungen der fünf Elemente usw. abgeleitet. Auf die gleiche Weise wird auch die Höchste Seele im Körper, die ohne jegliche Eigenschaften und vollkommen rein ist, aus der Erscheinung der Erkenntnisfähigkeit abgeleitet. Ohne Anfang und Ende, ewigseiend, allerkennend und vollkommen leidlos ist diese Höchste Seele, welche allein aufgrund ihrer Identifizierung mit dem Körper und den anderen Eigenschaften von den drei natürlichen Qualitäten geprägt wird. Wer die Qualitäten wahrhaft durchschaut, der erkennt, daß allein die Eigenschaften aus den Eigenschaften fließen und damit die Objekte aus den Objekten, während Das, was jenseits davon ist, keine Eigenschaften haben kann.

Wenn die verkörperte Seele alle Eigenschaften überwindet, die aus der Natur geboren werden und aus Unwissenheit angenommen wurden, dann erkennt sie die Höchste Seele (bzw. ihr wahres Selbst). Die besten Munis, welche den Weg des Sankhya und Yoga gegangen sind, können diese Höchste Seele erkennen, welche die Yogis, Sankhyas und andere Gläubige als jenseits des Verstandes betrachten. Sie gilt als Erkenner (ewiger Zeuge) und als höchste Weisheit, weil sie vollkommen frei von der Identifizierung mit der Natur ist. Sie ist ohne Unwissenheit und Unvollkommenheit, ungestaltet, jenseits aller Eigenschaften, das Höchste, ohne alle natürlichen Qualitäten, allbestimmend, alldurchdringend, zeitlos und unvergänglich. Diese Höchste Seele über der Natur und allen Eigenschaften, die aus der Natur geboren werden, erkennt die vierundzwanzig Prinzipien und kann damit als das fünfundzwanzigste bezeichnet werden. Wer als intelligenter Mensch eine tiefe Einsicht in die Leiden der Geburt, der vielfältigen Zwänge des Lebens und des Todes gewinnt und die Natur durchschaut, der wird jenseits der Zeit die Höchste Seele erkennen. Der Weise sieht die Einheit der verkörperten Seele mit der Höchsten Seele als Wahrheit im Einklang mit den heiligen Schriften, während der Unwissende die Seele als etwas Getrenntes betrachtet. Diese Sicht unterscheidet den Weisen vom Unwissenden.

So habe ich dir die Merkmale des Vergänglichen und des Unvergänglichen erklärt. Das Unvergängliche ist Einheit oder Einssein, während das Vergängliche die Vielfalt oder Vielgestaltigkeit ist. Wenn man zu studieren beginnt und die fünfundzwanzig Prinzipien versteht, nach denen du gefragt hast, wird man erkennen, daß die Einheit der Seele im Einklang mit den heiligen Schriften steht und ihre Vielfalt entsprechend dagegen. So gibt es auch die vielfältigen Merkmale der aufzählbaren Prinzipien und das, was jenseits aller Aufzählung ist (nämlich die Einheit). Die Gelehrten haben die Zahl der Prinzipien mit fünfundzwanzig angegeben. Was jenseits davon ist, ist das sechsundzwanzigste. Das Studium oder das Verständnis der Geschöpfe mit ihren fünf Elementen ist stets ein Studium oder eine Verständnis von Prinzipien. Jenseits davon ist Das, was ewig ist.


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