Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 301 - Sankhya und Yoga

Yudhishthira sprach:
Oh Herr, ich bitte dich, erkläre mir den Unterschied zwischen Sankhya und Yoga. Oh Erster der Kurus, dir ist alles bekannt, und wohlgelehrt bist du in all den Schriften und Pflichten.

Bhishma sprach:
Die Anhänger des Sankhya loben den Sankhya Weg, und die Yogis loben den Yoga Weg. Um die Überlegenheit des eigenen Weges zu verdeutlichen, erklärt jeder seinen Weg als den Besten. Die Weisen, die dem Yoga gewidmet sind, erklären zu Recht mit guten Begründungen, oh Feindezerstörer, daß niemand ohne hingebungsvolles Vertrauen in das Dasein Gottes Befreiung erreichen kann. Die Zweifachgeborenen der Sankhyas begründen dagegen ebenfalls mit Recht, daß man durch das Suchen und Finden wahrhafter Erkenntnis schließlich die Anhaftung an alle weltlichen Objekte überwindet und nach der Auflösung seines Körpers zweifellos die Befreiung erreicht. So haben die großen Weisen die Sankhya Philosophie der Befreiung erklärt. Wenn die Begründungen auf beiden Seiten so ausgeglichen sind, sollte man stets auch die andere Seite akzeptieren. Denn wahrlich, beide Wege sind höchst heilsam und nützlich. Auf beiden Wegen findet man tugendhafte Menschen, und so kann man auch beide Ansichten annehmen. Der Weg des Yogas stützt sich mehr auf die direkte Erfahrung und der Sankhya Weg mehr auf die Lehren der heiligen Schriften. Beide Wege zur Erkenntnis sehe ich als wahrhaft an, oh Yudhishthira. Beide Wege, oh König, haben meine Zustimmung wie auch die der Weisen und Gelehrten. Wenn sie nach den aufgestellten Geboten befolgt werden, oh König, können sie beide zum Höchsten führen. Denn in beiden ist die Reinigung, die Entsagung und das Mitgefühl zu allen Wesen geboten, oh Sündloser. Nur die Beschreibungen ihrer Wege sind unterschiedlich.

Yudhishthira sprach:
Wenn die Entsagung, die Reinigung, das Mitgefühl und das Ziel in beiden Systemen gleich sind, so sage mir, oh Großvater, worin sich diese Wege in ihrer Beschreibung unterscheiden.

Bhishma sprach:
Indem man mithilfe des Yogas die fünf Fehler überwindet, nämlich Anhaftung, Unachtsamkeit, Verblendung, Begierde und Haß, kann man das Ziel der Befreiung erreichen. Wie kraftvolle Fische das Netz zerreißen und die Freiheit gewinnen, so zerreißen die Yogis das Netz der Unwissenheit, werden von allen Sünden gereinigt und erreichen die Glückseligkeit der Befreiung. Oder wie die kraftvollen Tiere des Waldes die Netze der Jäger durchbrechen und in die Freiheit entkommen, so gelangen die Yogis von allen Bindungen frei zum sündlosen Pfad, der zur Befreiung führt, oh König, indem sie mit ihrer Yogakraft die Fesseln der Begierde durchbrechen. Schwache Tiere, oh Monarch, die sich im Netz verstricken, sind zweifellos dem Untergang geweiht. Das ist auch das Los der Menschen ohne die Kraft des Yogas. Wie schwache Fische, oh Sohn der Kunti, die sich ins Netz verstricken, darin gefangen bleiben, oh Monarch, so treffen auch die Menschen ohne die Kraft des Yogas (im Netz der Welt) auf ihren Untergang. Oder wie schwache Vögel gefangen werden, die sich in den feinen Netzen der Vogelfänger verstricken, während die kraftvollen ihre Befreiung erreichen können, so steht es auch mit den Yogis, oh Feindevernichter. Gebunden durch die Fesseln der Handlungen, treffen die schwachen auf ihren Untergang, während die Starken die Fesseln durchbrechen. Wie ein kleines und schwaches Feuer ausgelöscht wird, oh König, wenn man einen großen Holzklotz darauf legt, so trifft auch der schwache Yogi, oh König, auf seinen Untergang (wenn ihn die Begierden der Welt überwältigen). Wenn dasselbe Feuer jedoch stark genug ist, kann es mithilfe des Windes die ganze Erde verbrennen. So kann auch der Yogi, wenn er an Kraft und Macht gewachsen ist und seine Energie auflodert, das ganze Weltall verbrennen, wie die Sonnen, die sich zur Zeit der universalen Auflösung erheben. Oder wie ein schwacher Mensch, oh König, durch einen reißenden Strom fortgeschwemmt wird, so wird auch ein schwacher Yogi durch den Ansturm der Sinnesobjekte hilflos davongetragen. Wie aber ein Elefant dem mächtigen Strom widersteht, so widersteht auch ein Yogi, der die Yogakraft gewonnen hat, allen Objekten der Sinne.

Unabhängig von allen äußerlichen Dingen, verbinden sich die Yogis durch ihre Kraft und Macht mit den großen Kräften der Schöpfung, ihren wirklichen Herrn, den Rishis, Göttern und anderen mächtigen Wesen im Universum. Weder Yama, noch der Zerstörer selbst oder der Tod mit seiner schrecklichen Kraft könnten in ihrem auflodernden Zorn einen solchen Yogi überwältigen, oh König, der voll unermeßlicher Energie ist. Der Yogi kann durch seine Yogakraft tausende Körper annehmen und mit ihnen über die Erde wandern. Einige von ihnen können die Sinnesobjekte genießen, während andere strengste Askese betreiben. Schließlich kann er alle wieder in sein Selbst vereinen, wie die Sonne ihre Strahlen. Der Yogi, der voller Kraft ist und alle Bindungen gelöst hat, wird zweifellos die Befreiung erreichen. Damit habe ich dir über die gröberen Kräfte des Yogas erzählt, oh Monarch.

Höre nun über die subtilen Mächte und ihre Anzeichen. Höre, oh Führer der Bharatas, von den subtilen Wirkungen des Dharana (der Konzentration) und des Samadhi (der Versenkung) der Seele. Wie ein Bogenschütze, der achtsam und konzentriert ist, das Ziel sicher treffen kann, so erreicht der Yogi durch vollkommene Konzentration zweifellos die Befreiung. Wie ein Mensch, der seine Konzentration auf einen Wasserkrug richtet, den er auf seinem Kopf trägt, und achtsam eine Treppe hinaufsteigt, so sammelt und vertieft der Yogi seine Seele, reinigt sie und macht sie so strahlend wie die Sonne. Oder wie ein Boot, oh Sohn der Kunti, das auf den Wellen des Meeres schwimmt, von einem achtsamen Bootsführer zügig zur anderen Küste geführt wird, so erreicht der Mensch mit Erkenntnis durch die Konzentration im Samadhi die Befreiung, die so schwer zu erreichen ist, indem er seine Körperlichkeit überwindet, oh Monarch. Oder wie ein achtsamer Wagenlenker die Rosse gut zügelt und den Wagenkrieger an den Ort bringt, den er wünscht, so erreicht der Yogi, oh Monarch, durch achtsame Konzentration die höchste Erlösung, wie ein Pfeil vom Bogen abgeschossen, von selbst das Ziel erreicht. Der Yogi, der unbewegt verweilt, nachdem er in das Selbst eingegangen ist, reinigt seine Sünden und findet jenen unzerstörbaren Ort, wo die Gerechten verweilen. Der Yogi, oh König, der achtsam die hohen Gelübde bewahrt und seine verkörperte Seele mit der Höchsten Seele im Nabel, im Hals, im Kopf, im Herzen, in der Brust und den Seiten, im Auge, im Ohr und in der Nase vollkommen vereint, verbrennt all sein Karma, sei es auch bergeshoch, und erreicht auf dem ausgezeichneten Yogaweg die höchste Befreiung.

Yudhishthira sprach:
Oh Großvater, mögest du mich belehren, welche Nahrung ein Yogi zu sich nimmt und was er überwinden muß, wodurch er solche Yogakraft erwirbt.

Bhishma fuhr fort:
Oh Bharata, durch gezügelte Ernährung von Körnern, Reis und Ölkuchen (die Reste ausgepreßter Sesamsamen) und der Entsagung von Öl und Butter erwirbt der Yogi seine Kraft. Durch eine Ernährung von trockener, grobgeschroteter Gerste und nur einer Mahlzeit pro Tag über längere Zeit, erwirbt der Yogi mit gereinigter Seele seine Kraft. Durch das Trinken von verdünnter Milch, zuerst nur einmal am Tag, dann einmal in der Woche, im Monat, im Vierteljahr und zuletzt nur einmal im Jahr, erwirbt der Yogi seine Kraft. Sich völlig von Fleisch enthaltend, oh König, erwirbt der Yogi mit gereinigter Seele seine Kraft. Durch das Überwinden von Begierde und Zorn, Hitze und Kälte, Regen, Angst und Sorgen, durch das Zügeln des Atems und der Sinne mit ihren Objekten, die so schwer zu zügeln sind, durch Entsagung der sexuellen Begierden, des zehrenden Durstes, der Vergnügungen, der Schläfrigkeit und der Trägheit, die fast unüberwindlich ist, oh König, erleuchtet der hochbeseelte Yogi voller Weisheit und von Anhaftung frei mithilfe der Vernunft durch Meditation und Studium sein subtiles Selbst im vollkommenen Licht. Freilich ist dieser hohe Weg der weisen Brahmanen äußerst schwierig zu gehen. Keiner meistert diesen Pfad ohne Hindernisse. Dieser Pfad ist wie ein schrecklicher Wald, voll unzähliger Schlangen, kriechenden Ungeziefers und verborgener Gruben, ohne Wasser, um seinen Durst zu stillen, voller Dornen und dunklen Dickichts. Wahrlich, dieser Yoga gleicht einem Weg, der durch eine Wüste führt, wo es keine Nahrungsquellen gibt, wo alle Bäume in einer Feuersbrunst verkohlt wurden, und überall Scharen von Räubern lauern. Nur gut gerüstete Menschen können diesen Weg vollenden. Es ist ein Weg ins eigene Wesen, den nur wenige verdienstvolle Brahmanen mit Leichtigkeit gehen. Wer viel Sünde angesammelt hat, wird nur schwer vorankommen und viele Rückschläge erleiden müssen. Nur Menschen mit gereinigter Seele, oh Herr der Erde, können ohne Hindernisse in der einsgerichteten Yoga Konzentration verweilen, die dem scharfen Rand eines Rasiermessers gleicht. Ungereinigte Seelen können hier nicht lange bestehen (denn ihre Sinne ziehen sie in die Welt zurück). Solange die Yoga Konzentration gestört oder verhindert wird, kann der Yogi das verheißungsvolle Ziel nicht erreichen, wie ein Schiff ohne fähigen Kapitän den Hafen an der anderen Küste des Ozeans nicht finden kann.

Oh Sohn der Kunti, wer die Yoga Meditation gemäß den rechten Riten übt, kann damit Geburt und Tod sowie Glück und Leid überwinden. All das, was ich dir erzählt habe, ist in den verschiedenen Schriften über den Yoga erklärt. Die Zweifachgeborenen kennen die höchste Frucht des Yogas, das Verschmelzen im Brahman. Dieser Brahma, der Vater aller Götter, der segensreiche Vishnu, Bhava (Shiva), Dharma, der sechsgesichtige Kartikeya, die (geistigen) Söhne von Brahma, das leidvolle und dunkle Tamas, das leidenschaftliche Rajas, das reine Sattwa, die höchste Prakriti (Natur), die Göttin Siddhi, welche die Gattin von Varuna ist, alle Arten der Energie, alle ausdauernde Geduld, der leuchtende Herr der Sterne am Firmament mit seiner Sternenschar ringsherum, die Viswas und Nagas, die Pitris, und alle Berge und Hügel, die großen und schrecklichen Ozeane, alle Flüsse und regenbeladenen Wolken, die Schlangen, Bäume, Yakshas, Gandharvas und die Himmelsrichtungen sowie alle männlichen und weiblichen Wesen - der hochbeseelte Yogi, welcher der Erlösung nahe ist, kann nach Belieben in all diese vielfältigen Geschöpfe eingehen und wieder heraustreten. Oh König, diese Worte sind mit dem Höchsten Wesen voll mächtigster Energie eng verbunden und sollten als etwas Besonderes betrachtet werden. Der hochbeseelte Yogi hat Narayana als seine Seele. So ist er jenseits aller Erscheinungen und damit fähig, alle Erscheinungen hervorzubringen.


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