Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 262 - Tuladharas Belehrung über das Dharma

Bhishma sprach:
So angesprochen vom weisen Tuladhara bei seiner Ankunft, antwortete Jajali, der Erste der Asketen:
Oh Händler, du handelst mit allen Arten von Tinkturen und duftenden Salben, wie auch mit Gehölzen und Heilkräutern nebst ihren Früchten und Wurzeln. Wie konntest du die unvergängliche Erkenntnis jenseits aller Zweifel erreichen? Wie kam diese Weisheit zu dir? Das alles berichte mir ausführlich, oh Weiser!

Bhishma fuhr fort:
So angesprochen vom ruhmreichen Brahmanen lehrte Tuladhara aus der Vaisya Kaste, der (durch das Handeln in der Welt) das Dharma tiefgründig erkannt hatte, was man mithilfe von Wissen über die subtilen Wege der Tugend und Gerechtigkeit lehren kann. Und Jajali, der als Asket allem Handeln entsagt hatte, aber dennoch nicht zufrieden war, hörte aufmerksam zu.

Tuladhara sprach:
Oh Jajali, ich kenne das ewige Dharma mit all seinen Mysterien. Es ist nichts anderes als die uralte Tugend, die jeder im Innersten kennt, jene universale, alldurchdringende Liebe, die voller Wohltätigkeit zu allen Wesen ist. Ein Leben, das auf vollkommener Güte zu allen Wesen beruht und keine Gewalt ergreift, ist das höchste Dharma. So lebe ich, oh Jajali! Mein Haus ist aus Holz und Stroh gebaut, das mir zu diesem Zweck gegeben wurde. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich mit Farben, Essenzen, Düften, Holz und anderen Pflanzenprodukten, welche ich einkaufe und ohne Betrug weiterverkaufe - mit Ausnahme von berauschenden Getränken. Oh Jajali, wer immer ein Freund aller Wesen ist und in Gedanken, Worten und Taten zum Wohle aller handelt, der kennt das Dharma. Ich begünstige niemanden und bevorteile niemanden. Ich hege weder Abneigung noch Zuneigung. So gibt es keinen Streit und kein Begehren. Mit gleichen Augen betrachte ich alle Geschöpfe. Schau, oh Jajali, das ist mein Gelübde! Meine Waage wägt für alle Wesen gleich. Weder lobe noch tadle ich die Taten anderer. Diese Vielfalt der Welt betrachte ich, oh Erster der Brahmanen, wie das Wolkenspiel am Himmel. So wisse, oh Jajali, daß ich alle Geschöpfe mit dem Auge der Einheit sehe. Damit erkenne ich keinen wesentlichen Unterschied zwischen einer Erdscholle, einem Stein oder einem Goldklumpen. Wie die Blinden, Tauben oder Dummen zufrieden sind, wenn sie akzeptieren, daß die Götter ihre Sinne geschlossen haben, so bin auch ich zufrieden. Wie die Alten, Kranken, Schwachen und Abgezehrten ihre Sinneslust verlieren, so habe auch ich aufgehört, dem Reichtum, der Lust und dem Genuß nachzujagen. Wer niemanden fürchtet und von niemandem gefürchtet wird, wer kein Verlangen und keine Abneigung hegt, der gilt als Kenner des Brahman. Wer kein Wesen in Gedanken, Worten oder Taten schädigt, der gilt als einer, der das Brahman erreicht hat. Für ihn gibt es weder Vergangenheit noch Zukunft, weder Tugend noch Gerechtigkeit. Wer von keinem Wesen gefürchtet wird, der überwindet jegliche Angst. Wer dagegen mit grausamer Rede oder Gewalt wie der Rachen des Todes eine leidvolle Quelle für die Welt ist, der wird zwangsläufig unter vielen Ängsten leiden müssen.

Deshalb folge ich dem vernünftigen Verhalten aller hochbeseelten Eltern und Großeltern, die das Wohl ihrer Kinder und Enkel suchen. Denn jeder Gelehrte, Asket oder Herrscher kann getäuscht werden und durch Verwirrung vom Weg des ewigen Dharma abkommen. Doch wer einem friedlichen Verhalten entsprechend der Vernunft folgt, der wird schnell das Dharma finden und handelt voller Tugend mit gezügelten Sinnen und ohne Gewalt in seinem Herzen. Schau, oh Jajali, wir treiben durch diese Welt wie Hölzer auf einem Fluß. Manchmal treffen sich zwei und schwimmen ein Stück zusammen, dann verbinden sie sich mehr oder weniger zufällig mit anderen Hölzern, Gras, Schlingpflanzen oder irgendwelchem Unrat. Das ist der natürliche Lauf, den man überall beobachten kann. Wer nun keinem Wesen Gewalt antut und für niemanden ein Grund zur Furcht ist, der muß auch kein Wesen fürchten, das ihm begegnet. Wer jedoch wie ein Wolf überall gefürchtet wird, der wird sich (in diesem Strom der Welt) auch selbst fürchten müssen, wie die Fische vor dem trockenen Ufer. Deshalb ist diese Übung der universalen Gewaltlosigkeit (Ahimsa) die höchste Quelle für Glück, Freunde und Wohlstand in dieser und der jenseitigen Welt. Das ist es, was die Weisen in den heiligen Texten verkünden, die alle Zweifel überwunden und die reine Sicht gewonnen haben. Weder durch Askese, Opfer, Wohltätigkeit oder Vedenstudium kann man mehr Verdienst erreichen, als durch das Gelübde der Gewaltlosigkeit. Wer in dieser Welt allen Wesen das Opfer der Gewaltlosigkeit darbringt, der vollbringt alle Opfer und gewinnt die Freiheit von Furcht als hohen Lohn. Es gibt keine Lebensaufgabe, die der Gewaltlosigkeit gleichkäme. Oh großer Asket, wer kein einziges Wesen bedroht, der wird auch selbst von jeder Angst befreit. Wer dagegen gefürchtet wird wie eine Schlange im Schlafgemach, der gewinnt weder in dieser noch der jenseitigen Welt wahrhaften Verdienst. Selbst die Götter können die Spur eines Menschen nicht mehr finden, der sich selbst in allen Wesen erkennt und zur Seele aller wurde. Von allen Gaben, ist das Gelübde der Gewaltlosigkeit die höchste Gabe. Das sage ich dir aufrichtig, oh Jajali!

Glaube mir, wer sich selbst im Handeln sucht, der gewinnt Ruhm und Eigentum, um später jedoch auf sein Unglück zu treffen. Die Leute sollen seinen Verfall sehen und sich abwenden. Dieses Weltgesetz, das dem Dharma entspricht, gibt es nicht ohne Grund, doch schwer ist es zu verstehen. Denn die Weltordnung gilt für das gegenwärtig Existierende (auf Erden) wie auch für das zukünftig Werdende (im Himmel oder in jenseitigen Welten). Daher gibt es viele Unklarheiten und Widersprüche bezüglich der Gebote und Aufgaben im Leben hier auf Erden. Doch wenn man das äußere Leben vernünftig beobachtet, kann man das Innere erkennen. Würden vielleicht jene, welche die Bullen kastrieren, ihre Nasen durchbohren, ihnen schwere Lasten aufladen und ihren Willen mit schmerzvollen Mitteln bezwingen, dies alles selbst ertragen wollen? Würden jene, die Tiere töten und ihr Fleisch essen, sich selbst dafür opfern? Wissen denn jene nicht, die andere Wesen für ihre Zwecke versklaven und durch Züchtigung Tag und Nacht zur Arbeit antreiben, wie schmerzlich Schläge und Ketten sind? In allen Lebewesen mit den fünf Sinnen wohnen die Götter, wie Surya, Chandramas, Vayu, Brahma, Prana, Kratu und Yama. Und doch gibt es Menschen, die sie töten und verkaufen, ohne darüber nachzudenken. Die Ziege ist Agni, das Schaf ist Varuna, das Pferd ist Surya, die Erde ist der Gott Virat, die Kuh und das Kalb sind Soma. Wer diese verkauft, kann niemals glücklich werden. Aber welche Schuld, oh Brahmane, sehen wir darin, mit Öl, Butter, Honig, Kräuteressenzen und anderen Produkten zu handeln? Würden die Tiere nicht gern an friedlichen Orten aufwachsen, die von Mücken und beißenden Insekten frei sind? Doch obwohl der Mensch weiß, wie lieb sie auch ihren Müttern sind, führt er sie oft an schlammige Orte mit quälenden Insekten, und die Starken unter ihnen werden mit schwersten Lasten beladen. So werden sie gegen alle Gebote der heiligen Schriften gequält. Ich denke, solche Tierquälerei ist nicht weniger sündhaft als ein Brahmanenmord. Und wie steht es mit der Landwirtschaft, die man als ehrbaren Lebenserwerb betrachtet, obwohl sie voller Grausamkeit ist? Wenn der eisenbeschlagene Pflug die Erde spaltet, werden unzählige Wesen verwundet und getötet, die im Boden leben. Und sieh nur die Ochsen, oh Jajali, die am Joch vor den Pflug gespannt sind! Sind die Kühe nicht heilig? Ein Mensch begeht eine große Sünde, wenn er einen Stier oder eine Kuh quält, schlägt oder sogar tötet.

In alten Tagen ermahnten die Rishis mit gezügelten Sinnen König Nahusha und sprachen:
Du hast, oh König, (in deinem Opfer) eine Kuh getötet, die in den heiligen Schriften mit der Mutter aller Wesen verglichen wird, und auch einen Stier, der als Verkörperung des Großen Vaters gilt. Damit hast du, oh Nahusha, eine schlechte Tat begangen, worunter wir alle leiden müssen. Hundertundeine Krankheit hast du damit über dein Volk gebracht. Diese Sünde gleicht einem Brahmanenmord oder dem Töten ungeborenen Lebens. Daher können wir nun an deinem Opfer nicht mehr teilnehmen.

So sprachen die hochbeseelten Rishis und Asketen, welche das Dharma wahrhaft kannten, und tadelten den König, ohne ihre Gelassenheit zu verlieren, die sie durch Askese und Erkenntnis erreicht hatten. Oh Jajali, solche grausamen und schrecklichen Taten kann man in dieser Welt beobachten. Du tadelst sie nicht, weil sie als Gewohnheit überliefert wurden. Deshalb sollte man das Dharma in seinem grundlegenden Wesen erkennen und nicht blind den weltlichen Gewohnheiten folgen. Oh Jajali, schau mich an. Mag mich einer schlagen oder preisen, durch das Verhalten der Gewaltlosigkeit sehe ich beides im gleichen Licht und werde weder von Haß noch von Euphorie ergriffen. Das ist das Dharma, das die Weisen loben. Diesem Dharma, das mit der Vernunft im Einklang steht, folgen die hochbeseelten Rishis und Asketen auf dem Weg zur Vollkommenheit.


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