Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 245 - Über die vierte Lebensweise der Besitzlosen

Suka fragte:
Wie sollte man in Beachtung der Aufgaben dieser unvergleichlichen Lebensweise auf der Suche nach der höchsten Erkenntnis den Yoga nach besten Kräften üben?

Vyasa sprach:
Nachdem man die Reinheit des Verhaltens und des Körpers während der ersten beiden Lebensweisen als Brahmacharya und Hausvater geübt und erworben hat, sollte man in der dritten Lebensweise als Waldeinsiedler sein Innerstes dem Yoga widmen. Höre nun aufmerksam, was man tun sollte, um das Höchste zu erreichen. Nachdem man alle Schulden (bzw. Sünden) des Geistes und des Herzens durch die Mittel der Reinigung in den ersten drei Lebensweisen (als Schüler, Hausvater und Waldeinsiedler) überwunden hat, sollte man in die vorzüglichste und bedeutendste aller Lebensweisen als Sannyasin oder Besitzloser eintreten, um die Tage in Reinheit zu verbringen. Man sollte allein und ohne jede Gesellschaft im Yoga verweilen, um den heiligen Pfad zu vollenden. Wer den Yoga in der Einsamkeit übt, in allem sein Selbst erkennt und nirgends mehr Vernichtung sieht (weil alles vom Selbst durchdrungen ist), der fällt niemals aus der Befreiung. Ohne Opferriten und ohne festen Wohnsitz sollte er die Dörfer nur aufsuchen, um einige Almosen für den Tag zu erbitten, ohne an morgen zu denken. So sei er der Entsagung hingegeben und im Innersten auf das Höchste gerichtet. Beständig in seinen Gelübden sollte er sein, wenig essen und nicht mehr als einmal täglich. Die äußeren Zeichen eines Sannyasin sind der Totenschädel, das Wanderleben und Ruhen unter Bäumen, das Tragen von Lumpen, die Einsamkeit ohne jegliche Gesellschaft und die Gelassenheit bezüglich aller weltlichen Sorgen. In wen harte Worte eingehen, wie rasende Elefanten in ein tiefes Brunnenloch fallen, und nie zum Sprecher zurückkehren, der ist bereit, diese Lebensweise zu führen, welche die Erlösung als Ziel hat. Der Sannyasin sollte in keinem Wesen etwas Schlechtes oder Unvollkommenes sehen, und keinerlei Haß sollte sein Herz ergreifen können, denn alles ist Bahman. Freundlich und voller Frieden sei seine Rede. Lob und Tadel sei ihm einerlei. Wahrlich, diese innere Stille ist seine Heilkraft. Wer durch sein Selbst auf ewig das ganze Universum ausfüllt, und wer jeden Ort, an dem es von Menschen wimmelt, als einsam und leer erkennt, den sehen die Götter als wahren Brahmanen. Wer sich mit dem bekleidet, was er hat, und von dem lebt, was ihm gegeben wird, und wer überall zu Hause ist und schläft, wo über seinem Kopf die Sonne untergeht, den sehen die Götter als wahren Brahmanen. Wer jede Gesellschaft wie Giftschlangen fürchtet, den maßlosen Genuß wie die Hölle und die Sinneslust wie einen Leichnam, den sehen die Götter als wahren Brahmanen. Wer nicht in Euphorie verfällt, wenn er gelobt wird, und nicht in Ärger, wenn er beleidigt wird, wer mit allen Wesen Mitgefühl hat und wen die Wesen nicht fürchten, den sehen die Götter als wahren Brahmanen. Wer diese letzte Lebensweise beachtet, der freut sich weder auf den Tod noch auf das Leben. Er sollte seine Stunde abwarten, wie ein Diener das Gebot seines Herrn. Unbefleckt sei er im Denken, unbefleckt im Sprechen und unbefleckt im Handeln, gereinigt von allen Sünden. Wer keine Feinde hat, welche Angst könnte den angreifen? Wer kein Wesen fürchtet und wer von keinem Wesen gefürchtet wird, der ist von jeglicher Illusion befreit. Wie die Fußabdrücke aller anderen Geschöpfe unter dem Fuß eines Elefanten verschwinden, so vergehen alle Ängste durch die Gewaltlosigkeit (Ahimsa). Alle anderen Aufgaben und Gelübde gründen sich auf dieses umfassende Mitgefühl für alle Wesen. Die ewige Glückseligkeit erreicht, wer kein Wesen mehr verletzt. Wer jede Gewalt überwunden hat, alle Wesen mit dem Auge der Einheit betrachtet, der Wahrheit gewidmet ist und Beständigkeit hat, wer mit gezügelten Sinnen allen Wesen Schutz gewährt und zu ihrem Wohl handelt, der erreicht das Höchste, das Unvergleichliche.

Der Zustand, den man Tod nennt, kann den Weisen nicht überwältigen, der in Selbsterkenntnis zufrieden ist und der von jeglicher Angst sowie allen Wünschen und Erwartungen befreit wurde. Im Gegenteil, solch ein Mensch kann den Tod selbst überwinden. Wer von jeglichen Anhaftungen frei und voller Entsagung ist, wer wie der Raum lebt, in dem alles enthalten ist, wer nichts hat, was er sein Eigen nennt, wer ein Leben der Einsamkeit führt und die Stille der Seele gefunden hat, den sehen die Götter als Brahmanen. Wer in der Gerechtigkeit (dem Dharma bzw. der Weltordnung) lebt, dessen Leben zum Wohle aller Wesen den Füßen von Hari gewidmet ist und dessen Tage und Nächte allein dem heiligen Pfad dienen, den sehen die Götter als Brahmanen. Wer alles Begehren überwunden hat, wer nie selbstsüchtig handelt, wer sich nicht zum Sklaven der Welt macht und niemandem schmeichelt, wer von allen Fesseln frei ist, den sehen die Götter als Brahmanen. Alle weltlichen Wesen freuen sich auf Glück und fürchten sich vor Schmerz und Leid. Der Weise, der das Wohl aller sucht und kein Wesen verletzen möchte, enthält sich deshalb aller selbstsüchtigen Taten. Das Gelübde dieser Harmlosigkeit ist das verdienstvollste und höchste Opfer. Wer bis in sein Innerstes jegliche Gewalt überwindet, der kann jene höchste Befreiung finden, die aus dem Gelübde der Harmlosigkeit zu allen Wesen entsteht. Wer mit seinem eigenen Mund nicht einmal die fünf oder sechs Bissen genießt, die für Waldeinsiedler geboten sind, gilt als Nabel der Welt und Stütze des Universums. Sein Kopf und jede andere Körperlichkeit wie auch die guten und schlechten Taten werden im Opferfeuer verbrannt. Solch ein Mensch, der sich im Selbst opfert, der reinigt und befreit die Sinne und das Denken im Feuer, das im innersten Raum seines Herzens wohnt. Durch diese Opfergabe ins Feuer des eigenen Selbst wird das ganze Weltall mit allen Geschöpfen einschließlich der Götter befriedet. Wer die ichhafte Seele, die nach dem Licht greift, von den drei körperlichen Schichten umhüllt (dem grobstofflichen, feinstofflichen und ursächlichen Körper) und von den drei natürlichen Qualitäten geprägt wird (Güte, Leidenschaft und Unwissenheit), als Ishvara erkennt, als das Selbst oder die Höchste Seele, der ist in allen Welten der Verehrung wert, und die großen Götter mit allen Weisen loben dessen Verdienst.

Wer im Selbst, das in seinem Körper wohnt, den ganzen Veda, den Raum, alle Dinge der Wahrnehmung, die Rituale und Lehren der heiligen Schriften und das unvergleichliche Wesen der Höchsten Seele erkennt, wird selbst von den Göttern als Erstes aller Wesen verehrt. Wer im Selbst, das in seinem Körper wohnt, das Höchste erkennt, das nicht am Irdischen haftet, das unermeßlich wie das Firmament ist, das aus dem goldenen Ei (dem Brahman) geboren wurde und innerhalb des Eies wohnt, das äußerlich mit vielen Federn geschmückt, zwei Flügel wie ein Vogel hat (z.B. Gegensätze) und das unter den Strahlen des Lichtes so vielfältig erscheint, der ist wahrlich höchster Verehrung selbst durch die Götter wert. Wer das Rad der Zeit durchschaut, das sich ewig dreht und keinen Verfall kennt, das die Lebenszeit aller Geschöpfe verschlingt, das die sechs Jahreszeiten als Radkranz und die Monate als Speichen hat, das gut geschmiert ist und das ganze Universum mit sich zieht, den loben die Götter. Das Höchste Selbst ist der stille Raum, der Körper des Universums und durchdringt alle Geschöpfe. Wenn sich das verkörperte Selbst (Jiva) dieser Stille nähert und die Götter befriedigt, dann befriedigen sie den Verkörperten und sättigen den hungrigen Rachen der Zeit. Dann erreicht das verkörperte Selbst den ewigen Glanz des Höchsten Selbst und die unendlichen Bereiche furchtloser Seligkeit.

Denn vor wem sich kein Wesen fürchtet, der muß auch kein Wesen fürchten. Wer niemanden verletzt oder tadelt, der muß auch keine Verletzung und keinen Tadel fürchten. Er ist wahrlich ein Brahmane und wird das Höchste erkennen. Wessen Unwissenheit aufgelöst und wessen Sünden abgewaschen wurden, der muß nicht mehr nach Nahrung suchen und sucht weder in dieser noch in der jenseitigen Welt irgendein Glück (sondern erreicht Vollkommenheit). Wer das Gelübde der vierten Lebensweise angenommen hat, wandert auf Erden wie ein Besitzloser ohne jegliche Bindung. Er ist von Zorn und Schuld befreit. Er betrachtet einen Klumpen Erde und einen Klumpen Gold als gleichwertig und sammelt nichts Persönliches mehr an. Er hat weder Freunde noch Feinde, und ist völlig unabhängig von Lob und Tadel sowie von angenehm und unangenehm.


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter