Pushpak Mahabharata Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 121 - Das ewige Wesen der Herrschaft

Yudhishthira sprach:
Oh Großvater, du hast damit die Belehrung über die Aufgaben der Könige vollendet. Nachdem, was du gesprochen hast, erscheint mir die Herrschaft eine hohe Bedeutung zu haben und über allem zu stehen, denn alles hängt von der Herrschaft ab. Es scheint mir, oh Bharata, daß die Herrschaft, die eine enorme Macht hat und überall wirkt, das höchste wirkende Wesen unter den Göttern, hochbeseelten Rishis, Pitris, Yakshas, Rakshasas, Pisachas und Sadhyas, sowie den irdischen Geschöpfen einschließlich der Tiere und Pflanzen ist. Du hast gesagt, daß man überall im Universum sehen kann, daß alles Belebte und Unbelebte einschließlich der Götter, Dämonen und Menschen von der Herrschaft abhängen. So wünsche ich jetzt, oh Stier der Bharatas, aufrichtig alles über die Herrschaft zu erfahren. Welcher Art ist sie? Wie ist ihre Erscheinung? Was ist ihr Wesen? Warum entsteht sie? Wo liegt ihr Ursprung? Was sind ihre Eigenschaften? Was ist das Gute an ihr? Wie bleibt sie wachsam unter den lebenden Wesen? Wer ist es, der ewig wacht, um dieses Weltall zu beschützen? Wer ist das Erste aller Wesen? Wer ist der höchste Herrscher? Was hängt alles von der Herrschaft ab? Und wie funktioniert sie?

Bhishma sprach:
Oh Nachkomme des Kuru, höre, was Herrschaft ist und warum sie auch Vyavahara (gerechtes Verhalten) genannt wird. Das, wovon alles abhängt, heißt Herrschaft. Herrschaft ist das, wodurch die Gerechtigkeit aufrechterhalten wird. Diese wird Vyavahara genannt, weil ein Herrscher darüber wacht, daß sie bewahrt wird. In alten Zeiten, oh König, erklärte Manu vor allem diese Wahrheit: „Wer alle Wesen unabhängig von persönlicher Vorliebe gleich beschützt, indem er die Herrschaft gerecht ausübt, gilt als Verkörperung der Gerechtigkeit.“ Diese Worte, oh König, wurden damals in alten Zeiten von Manu gesprochen. Sie repräsentieren die hohen Worte von Brahma. Und wegen dieser Ursprünglichkeit gelten sie als die Ersten der Worte. Weil diese Herrschaft dem Greifen nach dem Besitz anderer Leute entgegenwirkt, wird sie ebenfalls Vyavahara genannt. Auch die Ansammlung der Dreiheit (von Dharma, Artha und Kama) beruht auf einer gut angewandten Herrschaft. Herrschaft ist wie ein großer Gott. In seiner äußeren Form erscheint er wie ein loderndes Feuer. Seine Farbe ist dunkel wie die Blütenblätter der blauen Lotusblume. Er hat vier Zähne, vier Arme, acht Beine und unzählige Augen. Seine Ohren sind spitz wie Pfeile, und sein Haar steht aufrecht. Er hat verfilzte Locken und zwei Zungen. Sein Gesicht ist kupferfarben, und gekleidet ist er in ein Löwenfell. Solch eine wilde Gestalt kann dieser unwiderstehliche Gott annehmen. Er kann sogar in der Form eines Schwertes erscheinen oder als Bogen, Keule, Speer, Dreizack, Hammer, Pfeil, Streitaxt, Diskus, Schlinge, Knüppel, Lanze oder als jede andere Waffe, die es auf Erden gibt. Herrschaft bewegt diese ganze Welt. Wahrlich, Herrschaft wirkt auf Erden durch Stechen, Schneiden, Quälen, Schlagen, Zerbrechen oder Töten gegen alle Widersacher. Oh Yudhishthira, so nennt man die Herrschaft auch Schwert der Gerechtigkeit, Zorn des Unwiderstehlichen, Vater des Wohlstandes, Sieger, Herrscher, Aufseher, ewiges Gesetz, Brahma, großes Mantra, Rächer, Erster aller Gesetzgeber, unvergänglicher Richter, unwiderstehlicher Gott, Ewigseiender, Erstgeborener, Person ohne Anhaftung, Seele von Rudra, ältester Manu oder größter Wohltäter. Herrschaft ist der heilige Vishnu (der höchste Erhalter) und der mächtige Narayana. Und weil dieser Herrscher alldurchdringend ist, wird er auch Mahapurusha (der Große Höchste Geist) genannt. Seine Ehefrau ist die Tugend, die auch unter dem Namen Tochter des Brahma, Lakshmi (Schönheit), Vriti (Begrenzung), Sarasvati (Belehrung) oder Mutter des Weltalls bekannt ist.

Herrschaft hat so viele Formen. Segen und Fluch, Freude und Leid, Recht und Unrecht, Kraft und Schwäche, Glück und Unglück, Verdienst und Sünde, Tugend und Laster, Zuneigung und Abneigung, Wandel der Jahreszeiten und Monate, Tag und Nacht, Achtsamkeit und Unachtsamkeit, Heiterkeit und Zorn, Frieden und Selbstdisziplin, Schicksal und Anstrengung, Freisprechung und Verurteilung, Angst und Furchtlosigkeit, Verletzung und Heilung, Buße, Opfer und Askese, Gift und Medizin, Anfang, Mitte und Ende, Reue, Unverschämtheit, Wahnsinn, Arroganz, Stolz, Geduld, gute und schlechte Politik, Macht und Ohnmacht, Mitgefühl und Verachtung, Zerfall und Stabilität, Demut, Wohltätigkeit, rechte und unrechte Zeit, Weisheit, Illusion und Wahrheit, Glauben und Unglauben, Fähigkeit und Unfähigkeit, Gewinn und Verlust, Erfolg und Niederlage, Strenge und Milde, Tod und Leben, Erwerb und Nichterwerb, Einigkeit und Uneinigkeit, heilsam und unheilsam, Kraft und Schwäche, Böswilligkeit und Gutwilligkeit, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Scham und Schamlosigkeit, Bescheidenheit, Wohlstand und Elend, Energie, Tatendrang, Lernen, Redegewandtheit, Logik oder Vernunft - alle diese, oh Yudhishthira, sind Formen der Herrschaft in dieser Welt. Wahrlich, die Herrschaft hat unendliche Erscheinungen. Ohne Herrschaft, könnte kein Wesen bestehen. Ohne die Furcht vor der Rute der Herrschaft, oh Yudhishthira, würde wohl jeder jeden fressen.

Die Untertanen, oh König, die sich beständig der Herrschaft unterordnen, erhöhen die Macht ihres Herrschers. Deshalb gilt die Herrschaft als höchste Zuflucht von allen. Die Herrschaft, oh König, bindet die Welt an den Pfad der Gerechtigkeit (dem Dharma). Abhängig von der Wahrheit besteht diese Gerechtigkeit vor allem in den Brahmanen. Und mit dieser Gerechtigkeit begabt fühlen sich die erfahrenen Brahmanen mit den Veden verbunden. Aus den Veden fließen die Opfer. Die Opfer befriedigen die Götter. Die zufriedenen Götter empfehlen die Bewohner der Erde ihrem König Indra. Und zum Wohle der Erdbewohner gibt Indra ihnen Nahrung (in Form des Regens, womit Getreide und Vegetation wachsen kann). Das Leben aller Wesen hängt von ihrer Nahrung ab. Aus der Nahrung gewinnen die Wesen ihre Existenz und ihr Wachstum. Und die Herrschaft bleibt stets wachsam unter ihnen. Zu diesem Zweck nimmt sie die Form eines Kshatriyas unter den Menschen an. Er wacht über den Schutz der Menschen, bleibt stets achtsam und wirkt beständig. Darüber hinaus hat die Herrschaft noch weitere acht Namen, wie Gott, Person, Leben, Macht, Herz, Herrscher, Seele aller Dinge und Lebewesen. Gott gab sowohl Reichtum als auch den Stab der Herrschaft dem König, der voller Kraft und eine fünffache Ansammlung ist (von Gerechtigkeit, Gesetz, Herrschaft, Göttlichkeit und Lebendigkeit). Edle Gesinnung, wohlhabende Minister, Wissen, die verschiedenen Arten der Kräfte (wie Körperkraft, Geisteskraft, usw.) mit den acht untengenannten Objekten und die anderen Kräfte (die von einer gut gefüllten Schatzkammer abhängen) sollte ein König suchen, oh Yudhishthira. Die acht Objekte sind Elefanten, Rosse, Kampfwagen, Boote, Soldaten, Arbeiter, Volk und Haustiere. Die gerüstete Armee, die Wagenkrieger, Elefantenkrieger, Kavallerie, Infanterie, Beamte und Ärzte sind die Glieder (Handlungsorgane) eines Königreichs. Mönche, Gesetzeslehrer, Astrologen, Priester für versöhnende Riten, Schatzkammer, Verbündete, Korn und alle anderen Ressourcen bilden den Körper eines Königreichs, der aus den sieben Attributen und acht Gliedern zusammengesetzt ist. Die Herrschaft ist dabei das stärkste Glied des Königreiches und dessen Schöpfer und Erhalter.

Gott selbst hat in seiner großen Güte die Herrschaft zum Gebrauch für Kshatriyas gesandt. Dieses ganze Universum ist gerechte Herrschaft. Es gibt nichts Würdigeres für einen König als Herrschaft, wodurch die Wege der Gerechtigkeit gewiesen werden. Brahma selbst hat für den Schutz der Welt, und um die Aufgaben der verschiedenen Wesen zu gebieten, diese Herrschaft herabgesandt. Eine erste Art davon ist die Herrschaft, die aus dem Streit von Rivalen entsteht und ebenfalls ihren Ursprung in Brahma hat. Hauptsächlich charakterisiert durch unterschiedliche Ansichten zweier Parteien, kann diese Herrschaft zum Wohlstand führen. Eine weitere Art der Herrschaft ist die Seele der Veden. Man sagt auch, sie hat die Veden als Grundlage. Dann gibt es, oh Tiger unter den Königen, noch eine (dritte) Art der Herrschaft, die mit den Familiengewohnheiten verbunden ist aber auch mit den heiligen Schriften im Einklang steht. Die oben genannte Herrschaft, die aus Rivalität entsteht, sollte man als wesenhaft für Könige erkennen. Sie sollte neben „Herrschen“ auch unter dem Namen „Beweisen“ bekannt sein. Doch obwohl diese Herrschaft durch äußerliche Beweise geregelt wird, gilt ihr Wesen als Gerechtigkeit nach den vedischen Geboten. Jene (zweite Art der) Herrschaft, welche die Veden als Seele hat, ist die Tugend als Aufgabe im Leben. Sie ist für alle heilsam, die in ihrem Leben nach Erlösung streben. Menschen mit gereinigten Seelen haben diese Herrschaft als allgemeinstes Gesetz bezeichnet. Die dritte Art der Herrschaft ist auch ein Lehrer der Menschen, der seine Wurzeln in den Veden hat, oh Yudhishthira. So bewahrt die Herrschaft die drei Welten, hat Wahrheit als Seele und führt zum Wohlstand. Was wir als Herrschaft erkennen, ist ewige Gerechtigkeit (Dharma). Das, was man als Gerechtigkeit bezeichnet, ist die wahre Essenz der Veden. Das, was die Veden erklären, sind die Gebote der Tugend. Das, was die Gebote der Tugend sind, ist der Pfad der Gerechtigkeit. Und dieser Pfad war zu Beginn (dieser Welt) der Große Vater Brahma, der Herr aller Wesen. So wurde Brahma der Schöpfer des ganzen Weltalls mit den Göttern, Dämonen, Rakshasas, Nagas und Menschen sowie allen anderen Geschöpfen. Damit ist die Herrschaft, die durch Rivalität charakterisiert ist, auch aus ihm geflossen. Aus diesem Grund hat Er folgendes bezüglich der Herrschaft aufgestellt: „Weder Mutter noch Vater, Bruder, Ehefrau oder Priester ist vor der Herrschaft eines gerechten Königs immun, der entsprechend seiner Aufgabe handelt.“


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