Pushpak Mahabharata Buch 10Zurück WeiterNews

Kapitel 1 - Aswatthaman entschließt sich zur Rache

OM! Sich vor Nara und Narayana verbeugend, diesen Höchsten der männlichen Wesen, und auch vor Sarasvati, der Göttin des Lernens, möge das Wort Jaya (Sieg) erklingen.

Sanjaya sprach:
Die Helden (Aswatthaman, Kripa und Kritavarman) fuhren danach gemeinsam gen Süden, und zur Stunde des Sonnenuntergangs erreichten sie einen Ort in der Nähe des (Pandava) Lagers. Hier spannten sie ihre Tiere aus, denn alle waren völlig erschöpft. Dann betraten sie einen Wald, wo sie sich versteckten und nicht weit vom Lager kampierten. Geschlagen und von unzähligen scharfen Waffen zerfleischt, atmeten sie schwere und heiße Seufzer, und dachten an die Pandavas. Als sie dann den Lärm der siegreichen Pandavas hörten, fürchteten sie ihre Verfolgung und flohen weiter in östliche Richtung davon. Doch schon nach kurzer Zeit waren ihre Tiere und sie selbst völlig müde und durstig. Überwältigt von Zorn und Rachegedanken, konnten diese großen Bogenschützen das Geschehene nicht ertragen und brannten im Kummer über die Ermordung ihres Königs. Dennoch rasteten sie eine Weile.

Da sprach Dhritarashtra:
Die Leistung, oh Sanjaya, die Bhima vollbracht hat, scheint mir unglaublich zu sein, weil mein Sohn, der geschlagen wurde, die Kraft von zehntausend Elefanten besaß. In der Blüte seiner Männlichkeit und mit seinem stahlharten Körper war er doch unbesiegbar für alle Wesen! Ach, sogar dieser Sohn von mir wurde durch die Pandavas im Kampf geschlagen! Zweifellos, oh Sanjaya, ist mein Herz aus Diamant, weil es nicht gleich in tausend Stücke zerspringt, wenn ich vom Tod meiner hundert Söhne höre. Ach, was für ein übles Schicksal von mir und meiner Gattin, einem alten Paar, das jetzt ohne jegliche Kinder ist! Ich wage es nicht, im Herrschaftsbereich der Pandu Söhne zu wohnen. Als Vater eines Königs und als König selbst, oh Sanjaya, wie soll ich meine alten Tage als Sklave unter der Herrschaft des Pandu Sohns verbringen? Nachdem ich meine Befehle über die ganze Erde gegeben habe und über den Häuptern von allen stand, oh Sanjaya, wie soll ich jetzt als ein Sklave im Elend leben? Wie sollte ich, oh Sanjaya, mit Bhima reden können, der eigenhändig all meine hundert Söhne getötet hat? So sind die Worte des hochbeseelten Vidura doch wahr geworden. Ach, oh Sanjaya, mein Sohn hörte nicht auf diese Worte! Doch sage mir, was taten Kritavarman, Kripa und der Sohn von Drona nachdem mein Sohn Duryodhana auf unfaire Weise geschlagen wurde?

Und Sanjaya sprach:
Sie waren nicht weit gekommen, oh König, da hielten sie an, weil sie einen dichten Wald erblickten, der voll großer Bäume und Kletterpflanzen war. Nach einer kurzen Pause, in der sie ihre ausgezeichneten Rosse getränkt hatten, betraten sie diesen großen Wald, wo es von verschiedensten Tieren und zahllosen Vogelarten nur so wimmelte. Hier wuchsen mächtige Bäume und dichtes Gebüsch, in dem zahlreiche fleischfressende Wesen lauerten. Es gab viele Bäche, die mit vielfältigen Blumen geschmückt waren, und viele Seen mit blauen Lotusblüten. Nachdem sie diesen dichten Wald betreten hatten, schauten sie sich um und fanden einen riesigen Banyanbaum mit tausenden Zweigen. So begaben sich diese großen Wagenkrieger zum Schatten dieses Baumes, oh König, den diese Besten der Männer als den größten Baum dieses Waldes erkannten. Hier stiegen sie von ihren Wagen ab und spannten die Pferde aus. Dann reinigten sie sich und sprachen ihre Abendgebete. Bald verschwand die Sonne hinter den Asta Bergen und die Nacht, die Mutter des Weltalls, brach herein. Das Firmament schmückte sich mit Planeten und Sternen. Es erstrahlte wie ein reichverzierter Brokatstoff und präsentierte sein höchst entzückendes Schauspiel. Die wandernden Wesen der Nacht erwachten und begannen zu heulen und nach Belieben zu schreien, während die Wesen des Tages vom Schlaf überwältigt wurden. Schrecklich ertönten die Geräusche der nachtwandernden Tiere. Die Fleischfresser begannen ihre begeisterte Jagd, und die Nacht wurde um so schauriger, je dunkler sie wurde. Während dieser Zeit saßen Kritavarman, Kripa und der Sohn von Drona voller Kummer und Sorgen gemeinsam unter dem Banyanbaum und klagten über die Geschehnisse und die große Zerstörung sowohl unter den Kurus als auch den Pandavas. Schlaftrunken legten sie sich schließlich auf der bloßen Erde nieder. Sie waren äußerst müde und überall von Pfeilen zerfleischt. So wurden die zwei großen Wagenkrieger Kripa und Kritavarman vom Schlaf überwältigt. Obwohl sie Besseres verdienten als dieses Elend, lagen sie hinstreckt auf der nackten Erde. Wahrlich, oh Monarch, jene zwei, die immer in kostbaren Betten schliefen, mußten nun wie die ärmsten der Menschen auf dem bloßen Boden schlafen, gequält von der großen Anstrengung und unsäglichem Kummer.

Der Sohn von Drona jedoch konnte unter dem Einfluß des Zorns und der Empörung nicht schlafen, oh Bharata, sondern fuhr fort, wie eine Schlange zu atmen. In seinem Zorn lodernd, konnte er kein Auge schließen. So ließ dieser Held mit den mächtigen Armen seine Blicke durch den schrecklichen Wald streifen. Und wie er diesen Wald von den verschiedensten Arten der Wesen bewohnt sah, erblickte der mächtige Krieger auch eine große Schar Krähen im riesigen Banyanbaum, die dort zu Tausenden die Nacht verbrachten. Jede saß getrennt von ihren Nachbarn, und so schliefen sie gelassen, oh Kauravya! Als jedoch diese Vögel überall sicher schliefen, sah Aswatthaman plötzlich eine schreckliche Eule erscheinen. Mit fürchterlichem Schrei und riesigem Körper, mit grünen Augen und gelbbraunem Gefieder, langgebogenem Schnabel und mächtigen Krallen kam sie mit einer Schnelligkeit heran, die dem Garuda glich. Dann wurde dieses geflügelte Wesen immer leiser und näherte sich heimlich den Ästen des Banyanbaumes, oh Bharata. Schließlich setzte sich dieser Wanderer der Lüfte und Feind der Krähen auf einem der Zweige nieder und begann, eine Vielzahl seiner schlafenden Feinde zu töten. Einigen riß er die Flügel aus, anderen schnitt er die Häupter mit seinen scharfen Krallen ab oder brach ihnen die Beine. Voller Kraft tötete er alle, die vor seine Augen kamen. Schnell bedeckte sich der Boden unter der Krone des Banyanbaumes überall mit den Gliedern und Körpern der ermordeten Krähen, oh Monarch. Und als die Eule diese Krähen getötet hatte, wurde sie von Entzücken erfüllt wie ein Feindevernichter, der unter seinen Feinden nach Belieben gewütet hat. Angesichts dieser höchst bedeutungsvollen Tat, welche in der Nacht von der Eule begangen wurde, begann der Sohn von Drona nachzudenken und sein eigenes Verhalten im Licht dieses Beispiels zu betrachten. Er sprach zu sich selbst:
Diese Eule gab mir eine Lehre im Kampf. So sehr, wie ich den Untergang des Feindes ersehne, ist nun die Zeit für Taten gekommen! Im offenen Kampf konnte ich die siegreichen Pandavas nicht vernichten. Sie sind mit unerschöpflicher Kraft gesegnet, ihres Zieles sicher und im Kämpfen höchst erfahren. Dennoch habe ich in Anwesenheit des Königs gelobt, sie zu töten. Damit hatte ich mich zu einer selbstzerstörerischen Tat verpflichtet, wie ein Insekt entschlossen ist, in ein flammendes Feuer zu fliegen. Wenn ich fair mit ihnen kämpfen würde, müßte ich zweifellos mein Leben niederlegen. Durch eine listige Tat jedoch, könnte der Erfolg noch mein sein, und ein umfassender Untergang würde meine Feinde treffen. Die Leute im allgemeinen, wie auch die Schriftgelehrten, loben stets die sicheren Mittel gegenüber den unsicheren. Was eine solche Tat auch immer an Kritik und schlechtem Ruf provozieren möge, dies sollte von einem Kämpfer ertragen werden, der die Kshatriya Pflichten beachtet. Die Pandavas mit ihren ungereinigten Seelen haben Schritt für Schritt ebenfalls solche verachtens- und tadelnswerten Taten begangen, die voller Hinterlist waren. Diesbezüglich hört man folgende alte Verse, die voller Wahrheit sind und von Wahrhaften und Gerechten gesungen wurden, nachdem sie reiflich die Anforderungen der Gerechtigkeit überdacht hatten:

Die Armeen des Feindes, selbst wenn sie ermüdet sind, von Waffen verwundet, sich gerade stärken, zurückziehen oder in ihrem Lager ruhen, sollten geschlagen werden. Man sollte sie stets bekämpfen, ob sie vom Schlaf überwältigt wurden, ihrer Führer beraubt, zerstreut oder der Illusion verfallen sind.

Auf diese Weise nachdenkend, entschloß sich der tapfere Sohn von Drona zur Tötung der schlafenden Pandavas und der Panchalas während der Nacht. Mit diesem übelgesinnten Entschluß wuchs sein Verlangen nach dieser Tat immer weiter an, und so weckte er sowohl seinen Onkel mütterlicherseits als auch den Führer der Bhojas. Und erwacht aus dem Schlaf, hörten sich diese zwei ruhmreichen und mächtigen Krieger, Kripa und Kritavarman, den Plan von Aswatthaman an. Doch voller Scham, enthielten sich beide einer entsprechenden Antwort. Da überlegte Aswatthaman eine Weile und sprach dann mit tränenreichen Augen:
König Duryodhana, dieser einzigartige Held voller Kraft, für dessen Ziele wir die Feindschaft mit den Pandavas schürten, ist geschlagen worden! Verlassen und allein, obwohl er der Führer von elf Akshauhinis an Truppen war, ist dieser Held mit reiner Heldenkraft durch Bhimasena mit unfairen Mitteln niedergestreckt worden! Eine weitere übelgesinnte Tat hat der schreckliche Bhima begangen, als er mit seinem Fuß das Haupt dieses Ruhmreichen berührte, dessen Locken geweiht und geheiligt waren! Die Panchalas ließen ihr lärmendes Siegesgebrüll ertönen und brachen in lautes Gelächter aus. Voller Freude bliesen sie ihre Muschelhörner und schlugen ihre Trommeln! Der Lärm ihrer Instrumente, der sich mit dem Klang der Hörner vermischte, ist dem Ohr schon schrecklich, und die Winde tragen ihn noch in alle Richtungen davon. Laut ist das Gewieher ihrer Rosse, das Grunzen der Elefanten und Brüllen der Krieger! Dieser ohrenbetäubende Lärm der sich freuenden Krieger, wie sie in ihre Quartiere marschierten, sowie das schreckliche Geratter ihrer Wagenräder, liegen mir immer noch in den Ohren, wie es aus dem Osten kam. So groß war die Verwüstung, welche die Pandavas über die Dhritarashtras gebracht hatten, daß wir die drei einzigen Überlebenden dieses großen Gemetzels sind! Viele hatten die Kraft von hundert Elefanten und waren vollkommene Meister aller Waffen. Nun wurden sie von den Söhnen des Pandu getötet! Ich betrachte das als ein Beispiel, wie sich das Schicksal wenden kann. Wahrlich, das ist der Lauf der irdischen Taten. Doch selbst, wenn die Pandavas solche schwierigen Leistungen erreicht haben, muß das letzte Wort noch nicht gesprochen sein! Wenn eure Weisheit noch nicht von Verwirrung verdunkelt wurde, dann sprecht, was für uns hinsichtlich dieser katastrophalen und ernsten Situation richtig ist.


Inhaltsverzeichnis Weiter