Pushpak Mahabharata Buch 1Zurück WeiterNews

Kapitel 178 - Shaktri verflucht Kalmashapada

Der Gandharva erzählte weiter:
Es gab einmal einen König, der Kalmashapada genannt wurde. Er entstammte dem Geschlecht der Ikshvakus und kannte keinen Ebenbürtigen in Heldenmacht auf Erden. Manche Tage verließ der König seine Stadt, um in den Wäldern zu jagen. Mit seinen Pfeilen durchbohrte er viele Hirsche und wilde Eber. Auch erlegte er in den dichten Wäldern zahllose Nashörner. Nach langer Zeit der Vergnügung wurde er müde, gab das endlose Jagen auf und wollte sich ausruhen.

In jener Zeit wünschte sich der große und energische Vishvamitra den König zum Schüler (um ihm eine geistige Führung zu geben). Als der König nun müde und durstig durch die Wälder wanderte, begegnete er dem ruhmreichen, ältesten Sohn von Vasishta, diesem großen Rishi namens Shaktri, der ihm auf selbem Wege entgegen kam. Als der König ihn sah, sprach er zu ihm: „Geh uns aus dem Weg.“ Versöhnlich antwortete ihm der Rishi mit milder Stimme: „Oh König, dies ist mein Weg. Es ist die ewige Regel der Moral, die in allen Schriften über Pflicht und Religion steht: Der König sollte immer den Brahmanen vorangehen lassen.“ Und so ging es hin und her, ein jeder bestand auf seinem Recht mit „Tritt beiseite! Tritt beiseite!“. So sprachen sie beide zueinander. Weder gab der Rishi nach, der sich im Recht glaubte, noch der König, der dem Muni den Vorrang aus Stolz und Ärger nicht gewährte. Nicht lange ging dies so, da regte sich im König der Jähzorn über den nicht nachgebenden Rishi, und wie ein Rakshasa schlug er den Muni mit seiner Peitsche. Nun verlor auch der gepeitschte Sohn des Vasishta seine Beherrschung, und voller Zorn verfluchte er den König: „Oh du Schlimmster aller Könige, da du wie ein Rakshasa einen Asketen verletzt, sollst du von heute an ein kannibalischer Rakshasa sein. Geh fort, du übler König! Du sollst über die Erde wandern und von menschlichem Fleisch leben.“ So verfluchte der mächtige Rishi Shaktri den König Kalmashapada.

In diesem Moment näherte sich Vishvamitra dem Ort, wo der Monarch und Vasishtas Sohn miteinander stritten, denn auch zwischen ihm und Vasishta gab es unterschiedliche Ansichten über die geistige Führung des Monarchen. Nachdem der Fluch ausgesprochen war, erkannte Vishvamitra, daß Vasishtas Söhne ihrem Vater an geistiger Energie gleichkamen. Doch weil er eigene Absichten verfolgte, blieb er den beiden verborgen, indem er sich unsichtbar machte. Der verfluchte König war mittlerweile zur Besinnung gekommen und machte Shaktri demütig den Hof, um ihn wieder milde zu stimmen. Doch als Vishvamitra die Absicht des Königs erkannte, befahl er einem Rakshasa, in den Körper des Königs einzutreten. Der Rakshasa Kinkara folgte gehorsam Shaktris Fluch und Vishvamitras Befehl, nahm vom König Besitz, und Vishvamitra verließ wieder den Ort des Geschehens.

Kalmashapada wird ein zweites Mal verflucht

Kurz darauf, oh Partha, verlor der Monarch durch den gräßlichen Einfluß des Rakshasa den Verstand. Und es begab sich, daß ihm im selben Wald ein Brahmane begegnete, welcher den König hungrig um etwas Fleisch zu essen bat. Der König Kalmashapada antwortete dem Brahmanen: „Warte du nur einen Augenblick, oh Brahmane. Ich komme bald zurück und werde dir die Nahrung bringen, die du begehrst.“ Sprach`s und ging davon. Und der Brahmane wartete. Der hochbeseelte König jedoch wanderte noch eine Weile vergnüglich herum und ging dann zurück in seinen Palast. Um Mitternacht erwachte er in seinen inneren Gemächern, erinnerte sich an das gegebene Versprechen, rief seinen Koch zu sich und erzählte ihm von dem wartenden Brahmanen. Er sprach zu ihm: „Geh in den Wald zu dem Brahmanen, der auf mich wartet und auf Essen hofft. Geh und versorge ihn mit Fleisch und anderer Nahrung.“

Der Gandharva fuhr fort:
Auf Befehl des Königs ging der Koch davon, um Fleisch zu besorgen. Doch er konnte keins finden und informierte besorgt den König von dem Notstand. Da befahl ihm der vom Rakshasa besessene König ohne alle Skrupel: „Dann gib ihm eben Menschenfleisch.“, und bestand mehrfach darauf. Endlich sprach der Koch: „So sei es.“, ging zum Exekutionsplatz, nahm sich ein Stück Menschenfleisch, wusch und kochte es und bot es dem hungrigen Brahmanen mit gekochtem Reis an. Dieser beste, der Askese zugetane Brahmane wußte sofort, daß dieses Fleisch unheilig und nicht würdig war, gegessen zu werden und sprach mit zornesroten Augen: „Weil dieser Schlimmste aller Könige mir unheiliges und ungenießbares Fleisch anbietet, soll der Lump selbst eine Neigung zu dieser Art der Nahrung haben. Schon von Shaktri verflucht soll er über die Erde wandern, nach Menschenfleisch gieren und alle Wesen belästigen.“ So wurde der Fluch über den König ein zweites Mal ausgesprochen und damit immer stärker. Und der König verlor jegliche Vernunft und wurde vollständig vom Rakshasa kontrolliert.

Tod der Söhne Vasishtas und seine Trauer

Einige Zeit später begegnete der vom Rakshasa aller Vernunft beraubte König dem Brahmanen Shaktri, der ihn verflucht hatte. Er sprach zu ihm: „Weil du mich mit diesem außergewöhnlichen Fluch belegt hast, werde ich mein Leben als Menschenfresser beginnen, indem ich dich verschlinge.“ Sogleich erschlug der König Shaktri und aß ihn auf wie ein Tiger seine bevorzugte Nahrung verschlingt. Als Vishvamitra vom Tod des Shaktri erfuhr, lenkte er den Rakshasa im Monarchen auch auf die anderen Söhnen Vasishtas. Und wie ein wütender Löwe kleine Tiere verschlingt, so verzehrte der Rakshasa bald darauf die anderen Söhne des ruhmreichen Vasishta, welche jünger als Shaktri waren. Vasishta erfuhr natürlich, daß alle seine Söhne von Vishvamitra getötet worden waren, und ertrug geduldig seine Trauer, wie der Große Berg die Erde trägt. Dieser Beste und Klügste der Munis wollte lieber sein eigenes Leben als Opfer aufgeben, um zu verhindern, daß sein Zorn das Geschlecht des Kausika auslöschte. So warf sich der ruhmreiche Rishi vom Gipfel des Berges Meru, doch er landete auf dem steinigen Boden wie auf einem Berg aus Watte. Als er durch den Fall keinen Tod fand, entzündete er ein riesiges Feuer im Wald und übergab sich bereitwillig den Flammen. Doch das hell lodernde Feuer verschlang ihn nicht, sondern schien ihn kühl zu umfächeln. Voller Trauer begab sich der große Muni an das Meer, band sich einen schweren Stein um den Hals und warf sich in die Fluten. Doch die Wellen trugen ihn an den Strand zurück. Schließlich, als es dem Muni der strengen Gelübde mit allen Mitteln nicht gelang, sich selbst zu töten, kehrte er mit schwerem Herzen in seine Einsiedelei zurück.


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