Nachdem Bhima versprochen hatte, die Tat zu vollbringen, kehrten die übrigen Pandavas mit den Almosen heim, welche sie im Laufe des Tages erhalten hatten. Schon von Bhimas Gesichtsausdruck ahnte Yudhishthira, wozu sich Bhima entschlossen hatte. Vertraulich saß er an der Seite seiner Mutter und fragte sie: „Was möchte Bhima mit dem schrecklichen Heldenmut vollbringen? Handelt er auf dein Wort hin oder aus eigenem Willen?“ Kunti erwiderte: „Auf mein Geheiß wird Bhima, der Bezwinger aller Feinde, die große Tat vollbringen, dem Brahmanen Gutes tun und die Stadt befreien.“
Da sprach Yudhishthira:
Welch raschen Entschluß hast du getan, oh Mutter? Diese Tat ist schwer zu vollbringen und grenzt schon fast an Selbstmord. Die Gelehrten loben niemals das Verstoßen eines eigenen Kindes. Warum, oh Mutter, wünschst du für das Wohl eines anderen dein eigenes Kind zu opfern? Mit dieser Tat handelst du nicht nur gegen menschliche Gewohnheit, sondern auch gegen alle Lehren in den Veden. Auf Bhimas Arme vertrauend schlafen wir jede Nacht friedlich und hoffen, das Königreich wiederzuerhalten, aus dem wir vom gierigen Sohn Dhritarashtras vertrieben wurden. Wegen des Helden Bhima mit der unermeßlichen Stärke schließen Duryodhana und Shakuni keinen Augenblick in der Nacht ihre Augen. Durch seine heldenhafte Macht wurden wir aus dem Lackhaus und vor vielen anderen Gefahren gerettet. Dieser Bhima verursachte den Tod Purochanas. Auf seine Kraft vertrauend erachten wir uns als Sieger über die Söhne Dhritarashtras und als Herrscher über die Erde mit all ihrem Reichtum. Aus welchen Überlegungen heraus hast du seine Verbannung beschlossen? Warst du deines Verstandes beraubt? Wurde dein Verständnis von all dem Elend umwölkt, das du durchmachen mußtest?
Kunti antwortete:
Oh Yudhishthira, du brauchst nicht ängstlich zu sein wegen Bhima. Auch kam ich nicht aus Unbesonnenheit zu diesem Entschluß. Von ihm geehrt, ohne Wissen der Söhne Dhritarashtras und ohne Sorgen haben wir im Haus dieses Brahmanen gelebt. Und um dem guten Brahmanen dies zu vergelten, habe ich es beschlossen, mein Sohn. An ihm sind gute Taten nie verschwendet. Und das Maß der Vergeltung ist immer größer als der erhaltene Dienst. Nachdem ich Bhimas Macht gesehen habe, als wir aus dem Lackhaus entflohen sind und nach dem Kampf mit Hidimba, ist mein Vertrauen in ihn groß. Sein Arm kann es an Kraft mit tausend Elefanten aufnehmen. Deswegen konnte er euch alle aus Varanavata tragen, wo jeder von euch so schwer wie ein Elefant ist. Niemand auf Erden ist Bhima an Stärke ebenbürtig. Er mag sogar diesen Besten der Krieger, den Träger des Donners, besiegen. Gleich nach seiner Geburt fiel er mir vom Schoß auf einen Felsen. Durch die Härte seines Körpers zerbrach der Felsen unter ihm in Stücke. Auch daher weiß ich um Bhimas Macht, oh Sohn des Pandu. Und deshalb entschloß ich mich, ihn gegen den Feind des Brahmanen ins Feld zu schicken. Meine Motive waren weder Torheit, noch Unwissen oder Gewinn. Bedächtig entschloß ich mich zur dieser tugendhaften Tat. Und es werden dabei zwei Ziele erreicht, oh Yudhishthira: einmal die Vergeltung der guten Dienste des Brahmanen und außerdem der Gewinn von hohem religiösen Verdienst. Denn ich bin davon überzeugt, daß ein Kshatriya, der in allen Dingen einem Brahmanen hilft, in die glückseligen Bereiche kommt. Auch erntet ein Kshatriya, der einem anderen Kshatriya das Leben rettet, in dieser und der nächsten Welt großen Ruhm. Hilft ein Kshatriya einem Vaisya, wird er in dieser Welt berühmt. Und ein König sollte sogar die Shudras beschützen, wenn sie ihn um Hilfe bitten. Wenn er das tut, wird er auch im nächsten Leben seine Geburt in einer königlichen Familie nehmen, über Wohlstand gebieten und von anderen Königen respektiert werden. Oh Sohn im Geschlecht des Puru, der ruhmreiche Vyasa, der seine Weisheit durch harte asketische Anstrengung gewann, erklärte mir dies vor langer Zeit. Und deshalb habe ich diese Tat beschlossen.