Einige Zeit später setzte Bhishma, der kluge Sohn des Shantanu, sein Herz daran, Pandu mit einer zweiten Frau zu verheiraten. Von einer vierfachen Armee, betagten Beratern, Brahmanen und großen Rishis begleitet reiste er zur Residenz von Shalya, dem König der Madras. Der König von Madra, dieser Bulle unter den Valhikas, ging Bhishma entgegen, um ihn willkommen zu heißen. Nach respektvoller Begrüßung bat er ihn in seinen Palast, ließ ihn auf einem weißen Teppich Platz nehmen, bot ihm Wasser zum Waschen der Füße an und all die üblichen Gaben, die seine Achtung aufzeigten. Als Bhishma gut versorgt war, fragte der König nach dem Grund seines Besuches. Da sprach Bhishma, dieser Bewahrer der Würde der Kurus, zum König von Madra: „Oh du Feindebezwinger, wisse, daß ich um die Hand einer Maid kam. Wir haben gehört, daß du eine für ihre Schönheit und Tugend gefeierte Schwester namens Madri hast. Ich möchte sie für Pandu erwählen. Du, oh König, bist auf jede Weise würdig, dich mit uns zu vereinen, und wir sind deiner würdig. Denk sorgfältig darüber nach, und akzeptiere den Vorschlag.“ Der Herrscher von Madra erwiderte: „Ich denke, es gibt keinen besseren als jemand aus deiner Familie für eine Verbindung mit uns. Doch in unserer Familie gibt es einen Brauch, dem wir seit Ahnenzeiten her folgen. Sei er nun gut oder schlecht, ich kann ihn nicht mißachten. Er ist, so denke ich, auch dir bekannt. Darum ist es nicht an dir zu sagen: Übergib mir deine Schwester. Ich halte mich an unseren Familienbrauch und folge damit der Tugend. (Dutt: Es ist unser Familienbrauch, Tribut zu empfangen.) Nur darum, oh Feindebezwinger, kann ich dir keine Zusicherung in deiner Bitte gewähren.“ Darauf antwortete Bhishma: „Oh König, dies ist ohne Zweifel Tugend. Brahma selbst hat dies gesagt. Deine Ahnen folgten dem Brauch, und in ihm ist kein Fehler zu finden. Es ist bekannt, oh Shalya, daß dieser Brauch bezüglich der Würde einer Familie von den Weisen und Guten gelobt wird.“ Danach übergab Bhishma dem Shalya viel Gold, sowohl ungemünzt als auch in Münzen, viele tausend kostbare Edelsteine in allen Farben, Elefanten und Pferde, Wagen, Kleidung und Schmuck, Juwelen, Perlen und Korallen. Mit freudigem Herzen akzeptierte Shalya die kostbaren Geschenke und übergab seine geschmückte Schwester diesem Bullen des Kuru Geschlechts. Da freute sich Bhishma, der Sohn der zum Meer strebenden Ganga, über den Erfolg seiner Mission und kehrte mit Madri in die Hauptstadt zurück, welche nach dem Elefanten benannt ist (Hastinapura). Von den Weisen wurde ein glücksverheißender Tag nebst der besten Stunde für die Trauungszeremonie ausgesucht, und Pandu wurde mit Madri nach rechter Sitte verheiratet. Dann übergab der Kuru König seiner schönen Braut elegante Räumlichkeiten und überließ sich der angenehmen Gesellschaft seiner beiden Frauen, wie es ihm beliebte.
Nach dreißig Tagen brach der Kuru König auf, um die Welt zu erobern. Ehrend grüßte und verbeugte er sich vor Bhishma und den Älteren in der Familie nebst Dhritarashtra und bat um den Abschied. Dann begann er seinen großen Feldzug und wurde von einer riesigen Heeresmacht auf Elefanten, Pferden und Streitwagen begleitet und mit vielen Segenswünschen und erfolgsverheißenden Riten verabschiedet. Pandu marschierte mit seinem Heer gegen verschiedene Feinde. Zuerst eroberte der Tiger unter den Männern die räuberischen Stämme der Dasharnas im Osten und vermehrte den Ruhm der Kurus. Als nächstes lenkte er seine Armee gegen Dhirgha, den Herrscher von Maghadha, der voller Stolz auf seine Stärke viele Monarchen beleidigt hatte. Er griff ihn in seiner Hauptstadt an, tötete ihn und nahm sich alle seine Schätze, Fahrzeuge und zahllose Zugtiere. Dann marschierte er gen Mithila und besiegte die Videhas. Als nächstes führte er sein Heer gegen Kasi, Sumbha und Pundra und verbreitete mit seiner Stärke und seinem Heldenmut den Ruhm der Kurus. So verschlang Pandu, dieser Feindebezwinger, wie ein mächtiges Feuer mit seinen Pfeilen und dem Glanz seiner Waffen alle Könige, die sich ihm in den Weg stellten. Von ihm und seinem Heer bezwungen wurden sie Vasallen der Kurus. Alle Könige, die er besiegte, achteten ihn als den einzigen Helden auf Erden, gerade wie die Himmlischen Indra im Himmel achten. Mit gefalteten Händen beugten sich die Könige vor Pandu und warteten ihm auf mit Geschenken an Juwelen, kostbaren Steinen, Perlen und Korallen, viel Gold und Silber, erstklassigen Kühen, edlen Pferden, schönen Wagen und Elefanten, Kamelen, Eseln, Büffeln, auch Ziegen und Schafen, nebst Decken, wunderschönen Pelzen und Teppichen aus dem Haar des Ranku Hirsches. Der König von Hastinapura nahm all dies an und kehrte in seine Stadt zurück zur großen Freude seiner Untertanen. Die Bürger, Könige und Minister sprachen froh: „Der Ruhm der Taten von Shantanu, diesem Tiger unter den Königen, und dem weisen Bharata war fast schon ausgestorben und wurde von Pandu wiederbelebt. Die den Kurus zuvor ihr Land und ihren Reichtum raubten, wurden von Pandu unterworfen und müssen jetzt Tribut zahlen.“ Mit Bhishma an der Spitze kamen alle Bürger dem Pandu entgegen und hießen ihren siegreichen König willkommen. Sie mußten nicht weit laufen, als sie schon die Diener des Königs mit Schätzen beladen erblickten. Und der Zug von reichlich beladenen Fahrzeugen, Elefanten, Pferden, Streitwagen, Kamelen, Kühen und anderen Tieren war so lang, daß sie sein Ende nicht sehen konnten. Dann ehrte Pandu die Füße seines Vaters Bhishma, grüßte die Bürger und alle anderen, wie es Brauch war. Auch Bhishma umarmte den siegreich heimkehrenden Sohn und weinte Freudentränen. Dann ließ Pandu zur Freude seines Volkes Trompeten und Muschelhörner blasen und Kesselpauken schlagen, und zog mit Musik und Tusch in seine Hauptstadt ein.