Nachdem Dushmanta mit seinem Versprechen die Einsiedelei verlassen hatte, gebar Shakuntala mit den runden Schenkeln einen höchst kraftvollen Sohn. Nach drei Jahren kam er so strahlend wie das lodernde Feuer zur Welt. Er war schön und großmütig und mit allen Fähigkeiten beschenkt. Der fromme Kanwa ließ an diesem klugen Kind alle religiösen Riten durchführen, und es gedieh Tag für Tag prächtig. Der Junge wuchs in Schönheit und Stärke heran, hatte perlweiße Zähne und glänzende Locken, war schon im zarten Alter in der Lage, Löwen zu erschlagen, verfügte über alle glücksverheißenden Zeichen auf seinen Handflächen und hatte eine breite Stirn. Wie ein himmlisches Kind wuchs er strahlend und schnell heran. Als er sechs Jahre alt war, war er so stark, daß er Bären, Löwen, Elefanten, Büffel und Tiger fing und sie an die Bäume rings um die Einsiedelei band. Auf manchen Tieren ritt er, andere fing er und mit manchen spielte er Jagen. Daraufhin gaben ihm die Bewohner der Einsiedelei den Namen Sarvadamana (der alles fängt), denn sie sagten, wie stark die Tiere auch sein mochten, er bezwang sie doch. So wurde der Prinz wegen seiner unbändigen Kraft, Energie und Macht Sarvadamana genannt. Aufgrund der außergewöhnlichen Taten des Jungen rief der Rishi Shakuntala zu sich und sagte ihr, daß nun die Zeit gekommen wäre, ihn als Thronerben einzusetzen. Dann sprach Kanwa zu seinen Schülern: „Begleitet Shakuntala mit ihrem Sohn aus dieser Einsiedelei hinaus und zum Wohnort ihres Ehemannes, der mit allen glücksverheißenden Zeichen gesegnet ist. Frauen sollten nicht so lange im Hause ihrer Eltern wohnen. Solch Wohnort schadet ihrem Ansehen, ihrem Betragen und ihrer Tugend. Daher säumt nicht lange und bringt sie fort.“ Die Schüler sprachen: „So sei es.“, und begaben sich mit Shakuntala und ihrem Sohn an der Spitze auf den Weg in die Stadt, die nach dem Elefanten benannt ist (Hastinapura). So verließ die Dame mit den geschwungenen Augenbrauen nebst ihrem himmlisch schönen Jungen mit den Augen wie Lotusblüten den Wald, indem sie Dushmanta das erste Mal begegnet war.
Nach einer Vorankündigung trat sie mit ihrem sonnengleichen Sohn vor den König und wurde ihm von den Schülern des Rishi vorgestellt. Dann gingen die Schüler wieder heim. Shakuntala ehrte und grüßte den König und sprach zu ihm: „Dies ist dein Sohn, oh König. Laß ihn als Thronerben einsetzen. Diesen göttergleichen Sohn hast du mit mir gezeugt. Daher, oh du Bester der Männer, erfülle nun das Versprechen, welches du mir gabst. Erinnere dich, oh du mit Glück Gesegneter, an unsere Vereinbarung, bevor wir die Ehe eingingen in der Einsiedelei des Kanwa.“ Der König hörte ihr zu, erinnerte sich an alles und sprach: „Ich erinnere mich an gar nichts. Wer bist du und zu wem gehörst du, oh hinterhältige Frau in Verkleidung einer Asketin? Ich weiß von keiner ehelichen Verbindung mit dir hinsichtlich Dharma, Kama oder Artha (ein Pflicht-, Liebes- oder Geldverhältnis). Geh oder bleib, wie es dir beliebt.“
Nach diesen Worten des Königs errötete die schöne Unschuldige zutiefst. Trauer ließ sie erstarren und für eine Weile stand sie bewegungslos wie ein Holzpfahl. Doch schon bald röteten sich ihre Augen wie Kupfer und ihre geschwungenen Lippen begannen zu zittern. Ab und zu warf sie Blicke auf den König, die ihn zu verbrennen schienen. Doch mit großer Anstrengung bezähmte sie ihren aufsteigenden Zorn und ihr asketisches Feuer. Schnell sammelte sie ihre Gedanken und mit traurigem und zornigem Herzen begann sie zu ihrem Herrn zu sprechen und blickte ihm dabei direkt ins Gesicht.
Shakuntala sprach:
Du erinnerst dich an alles, oh Monarch. Wie kannst du wie ein niederer Mensch behaupten, du weißt von nichts? Dein Herz ist der Zeuge von Wahrheit und Lüge in dieser Sache. Daher sprich die Wahrheit und erniedrige dich nicht. Wer eines ist, und anderen gegenüber behauptet, etwas anderes zu sein, ist ein Dieb und Räuber an sich selbst. Zu welcher Sünde ist so jemand fähig? Du denkst, du allein weißt um deine Tat. Doch weißt du nicht, daß der uralte Allwissende in deinem Herzen wohnt? Er kennt alle deine Sünden, und du sündigst in seiner Anwesenheit. Wer sündigt, denkt, daß niemand ihn sieht. Doch die Götter sehen ihn und auch Er, der in jedem Herzen ist. Sonne und Mond, Luft und Feuer, Erde und Himmel, Wasser, Herz, Yama, Tag und Nacht, beide Dämmerungen und Dharma bezeugen die Taten der Menschen. Yama, der Sohn Suryas, vergibt die Sünden des Menschen, welcher die Gunst Narayanas, des Zeugen aller Taten, erlangt hat. Doch mit wem Narayana nicht zufrieden ist, der wird von Yama für seine Sünden bestraft. Wer sich selbst erniedrigt, indem er sich falsch gibt, auf dem ruht weder der Segen der Götter noch der Segen seiner Seele.
Ich bin eine Ehefrau, die ihrem Gatten zugetan ist. Es ist wahr, ich kam von selbst. Doch mißachte mich nicht deswegen. Ich bin deine Frau und verdiene daher deinen Respekt. Behandelst du mich so, weil ich aus eigenen Stücken herkam? Warum behandelst du mich wie eine gewöhnliche Frau vor allen diesen vielen Menschen? Ich rufe doch nicht in die leere Wildnis. Warum hörst du mich nicht? Doch wenn du dich weigerst, oh Dushmanta, meine demütige Bitte zu erfüllen, wird dein Kopf in tausend Stücke zerspringen. Ein Ehemann dringt in den Körper seiner Frau ein und kommt wieder heraus in Gestalt seines Sohnes. Daher wird die Ehefrau von den in den Veden Gelehrten Jaya (in der man geboren wird) genannt. Ein Sohn rettet die Geister der verstorbenen Ahnen. Und weil der Sohn die Ahnen vor der Hölle Put rettet, wird er vom Selbsterschaffenen Puttra genannt (der Erretter von Put). Durch einen Sohn erobert man die drei Welten. Durch einen Enkelsohn erfreut man sich der Ewigkeit. Und durch den Sohn eines Enkelsohns erfreuen sich Großväter ewiger Glückseligkeit. Eine wahre Ehefrau ist die, welche im Haushalt geschickt und deren Herz ihrem Gatten zugetan ist, die niemanden anderen kennt, als ihn, und die einen Sohn geboren hat. Die Frau ist die Hälfte des Mannes und seine beste Freundin. Die Frau ist die Wurzel von Dharma, Artha und Kama und die Quelle der Erlösung. Wer eine Frau hat, kann religiös handeln und ein häusliches Leben führen. Wer eine Gattin hat, hat die Mittel für ein fröhliches Leben und eine glückliche Zukunft. Lieblich sprechende Ehefrauen sind wie Freunde an einem freudigen Tag, wie Väter bei religiösen Taten und wie Mütter in Stunden von Krankheit und Leid. Selbst in den Tiefen der Wälder ist die Ehefrau für den Reisenden Labsal und Trost. Wer eine Frau hat, dem vertrauen die Menschen. Daher ist die Gattin der wertvollste Schatz. Und wenn der Ehemann diese Welt für die Region Yamas verläßt, dann begleitet ihn seine hingebungsvolle Ehefrau. Ist seine Frau vor ihm gegangen, dann wartet sie auf ihren Gemahl. Doch wenn der Ehemann zuerst geht, dann folgt ihm seine keusche Gattin bald nach. Aus allen diesen Gründen, oh König, gibt es die Heirat. Der Ehemann erfreut sich an der Gesellschaft seiner Frau in dieser und der nächsten Welt. Von den Weisen wird gesagt, daß man selbst in seinem Sohn wiedergeboren wird. Daher betrachtet der Mann seine Gattin, die ihm einen Sohn geboren hat, auch als Mutter. Wenn der Mann in das Gesicht seines Sohnes wie in sein eigenes blickt, dann spürt er das Glück eines Menschen, der den Himmel erreicht hat. Männer fühlen sich bei Trauer oder Schmerz so erfrischt, wenn ihre Frau bei ihnen ist, als ob ein unter der Hitze Leidender ein kühles Bad nimmt. Niemand sollte jemals, nicht einmal im Zorn, seiner Frau etwas Unangenehmes antun, denn er weiß, daß Glück, Freude, Tugend und alles andere von der Frau abhängen. Die Frau ist der heilige Boden, indem der Mann geboren wird. Sogar Rishis können ohne Frauen keine Menschen erschaffen.
Welches Glück ist größer als das, was ein Vater fühlt, wenn sein Sohn zu ihm läuft und seine Glieder berührt, sei er auch staubbedeckt? Warum bist du so gleichgültig diesem Sohn gegenüber, der dir sehnende Blicke zuwirft und deine Knie erklimmen möchte? Sogar Ameisen beschützen ihre Nachkommen und zerstören nicht ihre Eier. Warum willst dann du, tugendhaft wie du bist, dein eigenes Kind nicht annehmen? Die Berührung von weicher Sandelpaste, von schönen Frauen oder kühlem Wasser ist nicht so angenehm wie die Umarmung des eigenen, kleinen Kindes. Wie ein Brahmane der Beste aller Zweibeiner, die Kuh die Erste aller Vierbeiner und der Lehrer der Beste aller Vorgesetzten ist, so ist der Sohn der Beste von allen, die einen angenehm berühren. Laß daher diesen hübschen Sohn dich in einer Umarmung berühren, denn es gibt nichts Schöneres in der Welt. Oh du Feindebezwinger, ich trug dieses Kind für volle drei Jahre in mir und brachte deinen Sohn zur Welt, damit er in der Lage ist, oh Monarch, all deinen Kummer zu zerstreuen. Als ich im Kindbett darniederlag, oh Abkömmling des Puru, da tönten aus dem Himmel die Worte: „Er wird hundert Pferdeopfer durchführen.“ Wenn Männer fern der Heimat sind, dann heben sie sogar die Kinder anderer auf ihren Schoß, schnuppern an ihren Köpfen und sind glücklich. Du weißt, daß die Brahmanen zur Geburtszeremonie eines Kindes folgendes vedische Mantra wiederholt aufsagen:
„Du, mein Sohn, bist aus meinem Körper geboren. Du kommst aus meinem Herzen. Du bist ich in Gestalt meines Sohnes. Lebe für hundert Jahre. Mein Leben und die Fortführung meiner Familie hängen von dir ab. Daher, mein Sohn, lebe glücklich für hundert Jahre.“
Er kommt aus deinem Körper. Er ist dein zweites Wesen. Sieh dich selbst in deinem eigenen Sohn, wie du dein Bild im klaren See erblickst. So wie das Opferfeuer aus dem Feuer des Hauses entfacht wird, so stammt dieser hier von dir. Als ein Körper, hast du dich selbst geteilt.
Als du auf der Jagd warst, da kamst du zu mir, als ich eine Jungfrau in der Einsiedelei meines Vaters war. Urvasi, Purvachitti, Sahajanya, Menaka, Viswachi und Ghritachi, dies sind die ersten sechs Apsaras. Unter ihnen ist Menaka, die gefeierte Brahmageborene, die Beste. Sie stieg vom Himmel herab, vereinte sich mit Vishvamitra und brachte mich in einem Tal des Himalaya zur Welt. Ohne jegliche Zuneigung ließ sie mich zurück, als ob ich irgendeines anderen Kind wäre. Welche Sünde muß ich in einem früheren Leben begangen haben, daß meine Eltern mich als Neugeborene verstießen? Und nun verstößt auch du mich. Ich bin bereit zur Einsiedelei meines Vaters zurückzukehren, wenn du mich verläßt. Doch es ist nicht recht, daß du deinen eigenen Sohn verstößt.
Dushmanta hörte all dies und sprach:
Oh Shakuntala, ich weiß nichts davon, daß ich dieses Kind mit dir zeugte. Frauen sprechen oft die Unwahrheit. Wer soll deinen Worten glauben? Die lüsterne Menaka ist deine Mutter. Weil sie dich nicht liebte, ließ sie dich im Himalaya zurück, wie man die Blumen wegwirft, wenn das Opfer für die Götter vorüber ist. Und dein lustvoller Vater Vishvamitra, der frühere Kshatriya, der geneigt war, ein Brahmane zu werden, hatte auch keine Zuneigung für dich. Du sagst, deine Mutter ist die Erste der Apsaras und dein Vater der Erste der Rishis. Wenn du ihre Tochter bist, warum sprichst du dann wie eine unanständige Frau? Deine Worte verdienen kein Vertrauen. Schämst du dich nicht, so zu sprechen? Und das vor mir? Geh fort, hinterhältige Frau in der Verkleidung einer Asketin. Wo ist jetzt der große Rishi Vishvamitra? Und wo ist die Apsara Menaka? Und wer bist du, so niedrig und vortäuschend, du wärst eine Asketin? Dein Kind ist viel zu groß gewachsen. Du sagst, er ist nur ein Junge. Doch er ist sehr stark. Wie konnte er so schnell wie der Keim eines Salbaumes wachsen? Deine Geburt ist niedrig und du sprichst wie eine unanständige Frau. Lüstern wurdest du von Menaka empfangen. Oh du Frau in der Verkleidung einer Asketin, alles, was du gesagt hast, ist mir unbekannt. Ich kenne dich nicht. Geh, wohin es dir beliebt.
Shakuntala erwiderte:
Du siehst, oh König, die Fehler anderer und seien sie auch noch so klein wie ein Senfsamen. Doch deine eigenen Mängel siehst du nicht, und wären sie auch so groß wie eine Vilwa Frucht. Menaka ist eine Himmlische, ja, sie wird sogar als die Beste der Himmlischen angesehen. Oh Dushmanta, meine Geburt ist viel edler als die deine. Du läufst über die Erde, oh König, doch ich durchwandere die Himmel. Beachte, daß der Unterschied zwischen uns so groß ist wie zwischen einem Senfkorn und dem Berg Meru. Beachte meine Kraft, oh König. Ich kann mich in die Regionen Indras, Kuveras, Yamas und Varunas begeben. Oh du Sündenloser, es gibt ein wahres Sprichwort, welches ich dir jetzt sagen werde. Nicht, weil ich dir Böses will, nur als Beispiel. Daher ist es an dir, mir dieses Wort zu verzeihen, nachdem du es vernommen hast: Eine häßliche Person meint, sie wäre schöner als andere, bis man ihr einen Spiegel vorhält. Erst dann erkennt sie den Unterschied zwischen sich und anderen. Wer wirklich schön ist, verspottet niemals andere. Wer ständig Böses spricht, wird zum Verleumder. Wie das Schwein immer Staub und Schmutz anzieht, auch wenn es inmitten eines Blumengartens ist, so wählen die Gemeinen immer das Böse aus dem Gemisch von Gut und Böse, was andere sprechen. Doch die Weisen hören beides in der Rede der anderen und nähren sich nur vom Guten, wie sich der Hamsa (mystischer Vogel) immer die Milch aussucht, auch wenn sie mit Wasser vermischt ist. So wie die Wahrhaften immer Leid empfinden, wenn sie schlecht über andere sprechen, so erfreuen sich die Gemeinen daran. Die Ehrbaren sind zufrieden, wenn sie Älteren Achtung erweisen können. Doch die Toren verleumden das Gute und empfinden noch Freude dabei. Die Verständigen sind glücklich, wenn sie bei anderen keine Fehler suchen, doch die Narren suchen mit Freuden danach. Die Gemeinen sprechen Böses über die Wahrhaften, doch diese verletzen niemanden, auch wenn sie verletzt wurden. Was kann lächerlicher sein, als daß die Narren die wirklich Wahrhaften Narren nennen? Wenn selbst Ungläubige diejenigen meiden, die vom Pfad der Tugend und Wahrhaftigkeit abgekommen sind und dabei wütenden und giftigen Schlangen gleichen, was soll ich dann noch sagen, die ich in redlichem Vertrauen aufgezogen wurde?
Wenn ein Vater seinen Sohn nicht achtet, der sein Bild ist, dann wird er niemals die Welten erreichen, die er begehrt, denn die Götter zerstören sein Glück und seine Besitztümer. Die Ahnen sagen, daß ein Sohn die Linie fortführt und daher seine Geburt die beste fromme Tat ist. Niemand sollte seinen Sohn verstoßen. Manu sagte, es gibt fünf Arten von Söhnen: die mit der eigenen Ehefrau selbst gezeugten, die einem andere überließen, die man erwarb, die man annahm und aus Liebe großzog und die man mit anderen Frauen zeugte. Söhne stützen die Tugend und die Errungenschaften der Menschen. Sie vermehren das Glück und retten die Ahnen vor der Hölle. Es ist nicht recht von dir, oh Tiger unter den Königen, solch einen Sohn zu verstoßen. Halte dich selbst, die Wahrhaftigkeit und die Tugend in Ehren, indem du deinen Sohn ehrst. Oh Löwe unter den Monarchen, es schickt sich nicht für dich, diesen Betrug zu unterstützen. Die Widmung eines Wasserbeckens schafft mehr Verdienst als die Widmung von hundert Quellen. Ein Opfer ist wiederum viel verdienstvoller als die Schenkung des Wasserbeckens. Ein Sohn bringt viel mehr Verdienst als ein Opfer. Und die Wahrheit ist verdienstvoller als hundert Söhne. Einst wurden hundert Pferdeopfer mit der Wahrhaftigkeit aufgewogen, und die Wahrhaftigkeit wurde für schwerer befunden. Oh König, ich denke, die Wahrhaftigkeit gleicht dem Studium aller Veden samt den Waschungen an allen heiligen Pilgerorten. Keine Tugend gleicht der Wahrhaftigkeit, und nichts ist höher einzuschätzen als Wahrhaftigkeit. Und es gibt nichts Sündhafteres als Falschheit. Oh König, Wahrhaftigkeit ist das Göttliche selbst und das höchste Gelübde. Daher schände nicht dein Versprechen, oh Monarch. Vereine dich mit der Wahrhaftigkeit.
Doch wenn du meinen Worten keine Beachtung schenkst, dann gehe ich aus freien Stücken fort. Denn dann sollte ich deine Gesellschaft meiden. Doch wisse, oh Dushmanta, wenn du gegangen bist, wird dieser Sohn von mir die ganze Erde beherrschen, die von den vier Meeren umgeben und mit dem König der Berge geschmückt ist.
Vaisampayana fuhr fort:
Nachdem Shakuntala ihre Rede beendet hatte, verließ sie den König. Doch sobald sie sich abgewandt hatte, ertönte eine Stimme aus dem Himmel. Ein unsichtbares Wesen wandte sich an den König, wie er von seinen Ritwijas, Purohita, Acharyas und Ministern umgeben war. Die Stimme sprach: „Oh Dushmanta, die Mutter ist nur die fleischliche Hülle. Der Sohn stammt vom Vater ab und ist der Vater selbst. Ehre deinen Sohn, oh Dushmanta, und kränke Shakuntala nicht. Du Bester der Männer, der Sohn, der nur eine Form des eigenen Samens ist, rettet die Ahnen vor den Regionen Yamas. Du bist der Vater dieses Jungen, denn Shakuntala hat die Wahrheit gesprochen. Der Ehemann teilt seinen Körper und wird von seiner Frau als Sohn wiedergeboren. Daher ehre deinen Sohn, oh Dushmanta, den Shakuntala dir geboren hat. Das Leben ist ein großes Elend, wenn man seinen lebenden Sohn verstößt. Ehre deinen hochbeseelten Sohn, den Shakuntala gebar, oh du aus dem Geschlecht des Puru. Und weil dieses Kind von dir auf unser Wort hin geehrt (bhar) werden soll, wird dein Sohn unter dem Namen Bharata (der Geehrte) bekannt sein.“
Höchst erfreut über die Worte des Himmelsbewohners wandte sich Dushmanta an seinen Purohita und die Minister: „Hört ihr die Worte, die der Himmlische spricht? Ich weiß, daß dies mein Sohn ist. Doch wenn ich ihn allein aufgrund von Shakuntalas Worten akzeptiert hätte, wären die Leute mißtrauisch gewesen und hätten meinen Sohn als unrein betrachtet.“ Nun war der Monarch sicher, denn die Reinheit seines Sohnes war vom himmlischen Boten bestätigt worden. Voller Freude nahm er nun seinen Sohn an. Mit glücklichem Herzen führte er an ihm alle Riten durch, die ein Vater für seinen Sohn durchführen sollte. Der König roch an seines Sohnes Haupt und umarmte ihn liebevoll. Die Brahmanen murmelten ihren Segen über ihm, und die Barden sangen sein Lob. Und der Monarch erlebte die große Freude, von seinem Sohn wieder berührt zu werden. Und auch seine Gattin empfing Dushmanta in allen Ehren und mit großer Liebe. Er besänftigte sie zärtlich und sprach zu ihr: „Oh Göttin, meine Vereinigung mit dir fand unter vier Augen statt. Niemand wußte etwas davon. Daher war ich bemüht, deine Reinheit zu beweisen. Meine Leute hätten sonst gemeint, daß wir nur unserer Wollust folgten und nicht Ehemann und Ehefrau sind. Und wenn ich dann diesen Sohn als Thronerben eingesetzt hätte, hätten alle gedacht, er wäre von unreiner Geburt. Oh Liebste, jedes harte Wort, welches du im Ärger ausgesprochen hast, habe ich dir vergeben, du mit den großen Augen. Du bist mein Liebstes.“ Nach diesen Worten bot der königliche Weise Dushmanta seiner geliebten Gemahlin viele Geschenke wie Parfüm, Nahrung und Getränke an. Dann setzte Dushmanta seinen Sohn in aller Form als Thronerben ein und gab dem Kind den Namen Bharata.
Von da an durchkreuzten die berühmten und strahlenden Räder von Bharatas königlichem Streitwagen, so unbesiegbar wie die Götterwagen, jede Gegend und erfüllten die ganze Erde mit ihrem Gerassel (ghar-ghara). Der Sohn von Dushmanta machte alle Könige der Erde zu seinen Untertanen. Er regierte tugendhaft und verdiente sich großen Ruhm. Dieser Monarch mit dem großen Heldenmut trug die Namen Chakravarti und Sarvabhauma. Er vollführte viele Opfer wie Indra, der Herr der Maruts. Kanwa war der Oberpriester bei allen diesen Opfern, bei denen die Brahmanen reich beschenkt wurden. Der gesegnete Monarch vollendete sowohl das Kuh- als auch das Pferdeopfer. Als Opferlohn bekam Kanwa von Bharata tausend Goldmünzen. Und es ist dieser Bharata, von dem so viele Errungenschaften in diese Welt geflossen sind. Von ihm stammt dieses große Geschlecht ab, was nach seinem Namen benannt wurde. Ja, alle Monarchen, die ihm nachfolgten, wurden und werden auch nach ihm benannt. In diesem Geschlecht des Bharata wurden viele göttergleiche Monarchen geboren, die mit großer Energie gesegnet waren und Brahma selbst glichen. Ihre Zahl kann man nicht angeben. Doch, oh du aus dem Geschlecht des Bharata, ich werde dir die wichtigsten Namen aufzählen, die mit großem Glück gesegnet und wie die Götter der Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit zugetan waren.
(Für eine wirklich poetische Übersetzung dieser Episode empfehle ich: Walter Porzig „Die wichtigsten Erzählungen aus dem Mahabharata Band 1, Die Liebesgeschichten Dewajani, Schakuntala und Ardschunas Verbannung“ H. Haessel Verlag Leipzig 1923)