Pushpak HarivamshaZurück WeiterNews

3.10. Der Gott in der universalen Auflösung

Vaisampayana sprach:
So brachte der höchste Herr, der berühmte Hari, die Auflösung des Universums hervor, verwandelte die ganze Schöpfung in das Urmeer und besteht nun als reine Intelligenz. Der große Narayana, der von Leidenschaft nicht ergriffen wird und unter Gelehrten als ewig gilt, erfüllte alles mit seinem eigenen Bewußtsein und schlief über die drei Zeiten (von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) in seinem Körper, dem unüberwindlichen Meer der Ursachen, das aus den Früchten der Leidenschaft in Verbindung mit den Elementen besteht. Er ist der Höchste Geist, der im Yoga erkennbar ist, und die reine Intelligenz, die alles durchdringt. Er ist der Herr des höchsten Opfers und opfert seinen eigenen Körper. All die Brahmanen und Priester dieses Opfers entstanden aus ihm. Aus seinem Mund erschuf er den Brahma-Priester, den Besten der Sänger des Saman-Veda, von seinen Armen den Hotha- und Adhvaryu-Priester, und von seinem Rücken Brahmanachhamsi, Mitra, Varuna sowie die Veden-Rezitatoren Prashasta und Pratishta. Aus seinem Bauch erschuf er Pratiharta und Potha, von seinen Schenkeln Achhavaka und Neshta, von seinen Händen Agnidhra und Subramanya und von seinen Füßen Gravastat und Unneta. Damit gingen die sechzehn bedeutenden Opferpriester aus dem Gott hervor. In den Veden wird er die Große Seele genannt und ist das Wesen des Opfers, wie es in den Veden mit ihren Zweigen und den Upanishaden beschrieben wird.

Auf welche Weise der Gott in Form reiner Intelligenz ruht, dazu gibt es eine höchst wunderbare Geschichte, die der Heilige Markandeya erfahren hat. Durch den Segen des Herrn und seine asketische Kraft lebte der große Rishis Markandeya viele tausend Jahre. Und als er (nach der universalen Auflösung) müde wurde, lebte er im Herrn weiter. In seinem Bauch rezitierte er die heiligen Namen, führte Opfer durch und übte Entsagung. Dann begab er sich auf eine große Pilgerreise und besuchte all die heiligen Orte der Welt, die Einsiedeleien, Länder und Städte. Nach dieser langen Reise kam er aus dem Mund des Gottes, doch überwältigt von der göttlichen Illusion konnte er es nicht erkennen. So fiel Markandeya in das Urmeer der reinen Intelligenz, wo er plötzlich nichts mehr sehen konnte, so daß er in dichte Dunkelheit versank. Daraufhin überwältigte ihn schreckliche Angst, und er fürchtete um sein Leben. Er fühlte die große Stille der reinen Intelligenz und war höchst erschüttert. Er konnte weder im Kleinen noch im Großen irgendetwas unterscheiden und überlegte besorgt:
Warum bin ich so verwirrt? Ist es Denken, Illusion oder Traum? Alles scheint mir vollkommen leer und jeder Wirklichkeit beraubt. Die Wirklichkeit hat jegliche Anhaftung und das Leiden der Illusion verloren. Es scheint keine geistige Begierde mehr zu geben. Was ist das für eine Welt ohne Sonne und Mond, ohne das Leben mit Himmel und Erde?

So überlegte er und erkannte in diesem endlosen Meer, wie eine wassergefüllte Wolke, einen schlafenden Mann mit gigantischem Körper, dessen sonnengleicher Glanz alles erfüllte. Er schien zu leben und atmete wie eine Schlange. Höchst erstaunt blickte der große Muni Markandeya auf diesen Mann und fragte sich, wer er sein könnte. Doch sobald er sich ihm näherte, trat er erneut in seinen Bauch ein. Er kam wieder zu sich, dachte, daß dies ein Traum war, und wanderte wie zuvor umher. Und wieder besuchte er die heiligen Pilgerorte auf der Erde und reiste durch die Welt. Im Bauch des Gottes sah er hunderte Brahmanen, die Opfer mit reichen Gaben durchführten. Er sah die Brahmanen mit den anderen Kasten, wie sie tugendhafte Wege gingen und die Aufgaben der vier Lebensweisen beachteten. Und obwohl der weise Markandeya viele tausend Jahre wanderte, erreichte er kein Ende im Bauch des Gottes. Doch eines Tages geschah es, daß er wieder aus dem Mund des Gottes kam und erneut die schreckliche Leere fand, das weite Meer, wo man nichts mehr unterscheiden konnte. Da erhob sich wie aus dem Schaum des Urmeeres ein Feigenbaum in dessen Ästen ein kleiner Junge schlief. Bei diesem Anblick war Markandeya höchst erstaunt, aber konnte sich dem Kind nicht nähern, das wie tausend Sonnen erstrahlte. Von der Illusion des Gottes überwältigt stand er vor dem verkörperten Wasser und dachte: „Habe ich so etwas schon gesehen?“ Mit diesem Gedanken versank er wieder im stillen und grenzenlosen Meer, und ermüdet von Furcht und Mühe begann er, sich dort auszuruhen. Doch wie ein weißer Schwan sich erhebt, so näherte sich der Höchste Geist, der Herr, der durch seine Schöpferkraft wie ein kleiner Junge geboren wurde, und sprach wie das Donnern von Gewitterwolken:
Oh mein Sohn, oh Bester der heldenhaften Asketen, du bist noch ein kleines Kind und durch deine Bemühung sehr erschöpft. Oh Markandeya, komm näher zu mir und hab keine Furcht.

Darauf erwiderte Markandeya:
Wer ist es, der mich ein Kind nennt und mein Alter mit tausenden Jahren und meine harte Askese mißachtet? Wer beleidigt mich so? Niemand unter den Himmlischen sollte mich so ansprechen, denn Brahma selbst, der Schöpfer des Universums, hat mir den Segen der Langlebigkeit gegeben. Meine asketische Kraft hat mich unsterblich gemacht. Wer ist es, der sein Leben nicht fürchtet und meinen Fluch herausfordert, indem er mich so anspricht?

Als der große Muni Markandeya seinen Ärger auf diese Weise zum Ausdruck gebracht hatte, sprach der Gott erneut:
Oh mein Kind, ich bin dein Vater und als Herr der Sinne dein Lehrer. Ich bin der ewige Geist, der dir deine Langlebigkeit gewährt hat. Warum kommst du nicht zu mir? Dein Vater übte einst harte Askese und verehrte mich, um einen Sohn zu bekommen. Daraufhin habe ich dich aus meinem Willen geschaffen - einen mächtigen Rishi mit verfilzten Locken, unsterblich und strahlend wie ein Feuer - und dich ihm übergeben. Denn wer sonst, außer mein eigener Sohn, könnte mich sehen, wenn ich den Yoga der Stille übe und mich im alleserfüllenden Meer erfreue?

Als der langlebige und höchst asketische Markandeya, der in den Welten verehrt wird, seine Abstammung erfuhr, faltete er mit erfreutem Herzen und leuchtenden Augen seine Hände vor der Stirn und verneigte sich demütig vor dem Gott. Danach sprach Markandeya:
Oh Sündloser, ich wünsche, deine Illusion wahrhaftig zu durchschauen, womit du auf diesem Urmeer ruhst und diese Gestalt eines kleinen Jungen angenommen hast. Oh Herr, was ist das für eine Form? Und unter welchen Namen ist sie in der Welt bekannt? Ich kann kein anderes Wesen hier sehen und denke, du allein bist das Große Wesen (Mahabhuta).

Darauf sprach der Herr:
Wahrlich, ich bin Narayana, Brahma und der Urgrund der Geburt aller Geschöpfe. Ich erzeuge und zerstöre alle Wesen. Ich bin der Gott der Götter, das Jahr der Jahreszeiten, der Zyklus aller Zyklen und der immerfort alles Wandelnde. Ich bin diese ganze Schöpfung, die Götterschar unter den Geschöpfen, Sesha unter den Schlangen und Garuda unter den großen Vögeln. Ich habe tausende Köpfe, tausende Arme und tausende Füße. Ich bin das Licht, das Opfer, der Opfernde, das Opferfeuer und die Opfergabe. Ich bin das grenzenlose Urmeer und der Ewige selbst. Ich bin der Brahman-Heilige unter den Zweifachgeborenen, die über viele Geburten ihre Sinne im Yoga zügeln und ihre Seele durch Entsagung in der Welt reinigen. Ich bin die reine Weisheit, die Seele des Universums und der Erste der Yogis. In mich gehen alle Wesen ein, und so bin ich das Ende aller Welten. Ich bin das Karma angesammelter Taten, die Energie und das Gesetz des Dharma. Ich bin die Seele aller Geschöpfe und der ewige Zeuge. Ich bin Natur, Geist und Gottheit, ewig und unvergänglich. Ich bin das Dharma, die Tugend und Gerechtigkeit, sowie die Entsagung all jener, die mir hingegeben sind. Ich bin der pferdeköpfige Hayagriva, der im Urmeer die Veden rettet. Ich bin die Weltordnung, die Wahrheit, der Unergründliche und der Allvater. Ich bin Sankhya und Yoga (Theorie und Praxis) und das höchste Ziel. Ich bin der Empfänger aller Opfer und der Herr des Lernens. Ich bin Raum, Wind, Feuer, Wasser und Erde, wie auch die Ozeane, Sterne und zehn Richtungen. Ich bin Sonne und Mond, das Jahr mit allen Jahreszeiten, der Milchozean mit allen Ozeanen und das Samvartaka Feuer mit allen Feuern. Ich bin es, der jedes Wasseropfer trinkt. Ich bin der Ewige und Allesdurchdringende. Aus mir entstehen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ich bin alles, was du in der Welt sehen, hören und fühlen kannst. Oh Markandeya, dieses ganze Universum ist mein Körper. Schau mich an, wie ich es heute neu erschaffe, so erschaffe ich es in jedem Schöpfungszyklus. Erkenne dies alles und wandere glücklich im Raum meines Bauches, um Tugend und asketische Kraft zu erreichen. Lebe in meinem Körper zusammen mit Brahma, den Rishis und allen Himmlischen. Erkenne mich als geschaffen und ungeschaffen, als eins mit dem Yoga und als unbesiegbar. Ich bin das OM, das große mystische Mantra mit den drei Lauten (AUM), sowie das heilige Gayatri Mantra, das alle drei Lebensziele erfüllen kann (nämlich Tugend, Wohlstand und Liebe).

Vaisampayana fuhr fort:
Der große Muni Vyasa beschrieb in den Veden und Puranas, daß der Herr in dieser universalen Form den Rishis Markandeya über seinen Mund wieder in den Bauch führte. So ging Markandeya, dieser Beste der Munis, nachdem er die ungestaltete Höchste Seele als Person erkannt und höchste Seligkeit erreicht hatte, wieder in den Körper des Gottes ein und wanderte dort glücklich, um die Höchste Seele zu verehren. Mit dieser Geschichte habe ich dir angedeutet, wie sich der ewige Herr als Höchste Seele in diesem grenzenlosen Meer ohne Sonne und Mond wie ein weißer Schwan (Hamsa, auch das Reittier von Brahma) erhob und schrittweise begann, dieses ganze Universum zu entfalten, das er zuvor in sich aufgelöst hatte. (Eine ähnliche Geschichte über Markandeya befindet sich im MHB 3.188.)


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