Pushpak HarivamshaZurück WeiterNews

2.66. Krishna spricht zu Satyabhama

Vaisampayana sprach:
Als der hochbeseelte Krishna, der Ewige und Allwissende, den Heiligen Narada betrachtete, wie er mit Rukmini zusammen saß und sprach, verabschiedete er sich unter einem Vorwand und fuhr schnell zum Palast von Satyabhama, der am herrlichen Raivataka Berg von Visvakarma persönlich erbaut worden war. Er wußte, daß die Tochter von Satrajit, seine geliebte Göttin, die ihm lieber als sein Leben war, durch ihr stolzes Wesen von Neid ergriffen wurde. So trat Vishnu bedächtig ein und näherte sich der Geliebten voller Mitgefühl mit langsamen Schritten. Seinen Sohn Pradyumna hatte er beauftragt, Narada zu dienen, und seinen Wagenlenker Daruka ließ er am Tor warten. So betrat er den Palast von Satyabhama und sah seine geliebte Frau schon von weitem in der Klagekammer, von ihren Dienerinnen umgeben. Er hörte ihre heißen Seufzer, die sich aus Zorn erhoben. Er sah, wie sie verzweifelt zwischen Lachen und Weinen schwankte, wie sie sich die Lotusblüte vor ihr schönes Lotusgesicht hielt, welche sie mit ihren Nägeln zerfleischt hatte, wie sie mit ihrer Fußspitze Linien auf dem Boden zog und immer wieder ihren Kopf neigte, wie sie ihr vorzügliches Lotusgesicht auf ihre linke Hand stützte und in Gedanken verloren schien, wie sie Sandelpaste aus der Hand einer Dienerin nahm, auf ihre Brust schmierte und ärgerlich wieder abwischte, und wie sie sich aus dem Bett erhob und verzweifelt immer wieder hineinfallen ließ. So beobachtete Hari, wie seine geliebte Ehefrau ihren Zorn zum Ausdruck brachte. Und als sie ihr Gesicht bedeckt und ihren Kopf aufs Kissen gelegt hatte, dachte Krishna „Das ist der rechte Moment!“ und betrat das Gemach. Mit einer Handbewegung gebot er den Dienstmädchen zu schweigen und näherte sich Satyabhama mit leisen Schritten. Dann ergriff er einen Wedel, stellte sich hinter sie, lächelte und fächerte ihr langsam eine himmlische Brise zu. Denn durch seinen Kontakt mit der Parijata Blüte verbreitete Krishna einen übernatürlichen, himmlischen und sehr seltenen Duft. Als Satyabhama diesen Wohlgeruch bemerkte, war sie ganz verwundert, enthüllte ihr Gesicht und fragte: „Was ist das!“ Dann richtete sich die Dame mit dem lieblich reinen Lächeln in ihrem Bett auf, ohne ihren Ehemann hinter sich zu bemerken, und fragte die Dienerinnen nach der Quelle dieses Duftes. Doch die Mädchen schwiegen und knieten mit geneigten Gesichtern und gefalteten Händen. Als sie keine Antwort bekam, dachte Satyabhama: „Die Erde ist die Quelle verschiedenster Düfte. Kann dieser vorzügliche Duft von ihr kommen?“ Dann schaute sie verwundert nach allen Seiten, was dies wohl sein könnte, und ihr Blick fiel auf Krishna, den Erhalter der Welten. Sie rief „Ach, richtig!“ und sogleich füllten sich ihre Augen mit Tränen, und trotz ihrer großen Liebe fühlte sie wieder den Zorn des Neides. Mit zitternden Lippen und einem tiefen Seufzer wandte die schöne Dame ihr Gesicht mit den dunklen Augen ab und verweilte einige Zeit mit gesenktem Kopf. Dann zog sie die Augenbrauen mißbilligend zusammen, stützte ihren Kopf auf die Hände und sprach mit aufgerissenen Augen zu Hari: „Du bist immer schön!“ Dann flossen Tränen der Liebe und des Zorns aus ihren Augen, wie Wassertropfen von einem Lotusblatt. Doch schnell näherte sich Krishna und fing mit seinen Händen die Tränen aus den Lotusaugen seiner Ehefrau auf. Dann wischte der lotusäugige Vishnu mit dem Srivatsa Zeichen auf der Brust eigenhändig die Tränen von der Brust seiner Frau und fragte:
Oh Lotusäugige, oh schöne und vorzügliche Dame, warum fließen aus deinen Augen solche Tränen wie die Tautropfen von einem Lotusblatt? Oh Liebliche, warum erscheint dein Gesicht so bleich wie der Vollmond am Morgenhimmel? Oh Wohlgeformte, warum trägst du heute keine farbigen Gewänder mit goldenen Mustern, sondern ein einfaches, weißes Kleid? Du liebst doch bunte Gewänder! Ein weißes Kleid tragen Frauen nur während der Götterverehrung. Oh Schöngestaltete, warum sind deine Glieder nicht mit Ornamenten geschmückt? Oh Vorzügliche, warum ist dein Gesicht ganz naß? Oh Reizvolle, warum trägst du ein weißes Tuch mit weißer Sandelpaste um deine schöne Stirn? Oh Geliebte meines Herzens, warum betrübst du mein Herz, indem dein liebliches Gesicht allen Glanz verloren hat? Oh Anmutige, warum ist die Sandelpaste auf deinen Wangen so verschmiert, daß es fast schon häßlich erscheint? Oh Bezaubernde, dein Hals ist ohne Schmuck so leer, wie das Firmament ohne Sterne, Planeten und Mond. Oh Dame, deren Schönheit mit dem Mond wetteifert, warum begrüßt du mich heute nicht mit lieben Worten, die von deinen Lippen strömen wie der Duft aus einer Lotusblüte? Warum schaust du mich nicht mit freudigen Augen an? Warum seufzt du und vergießt Tränen, die sich mit der Schminke deiner Augen mischen? Oh Dame so schön wie der Lotus, oh Gutherzige, weine nicht mehr! Laß die Schönheit deines Gesichtes nicht von Tränen zerstören. Oh Göttin, ich bin in der Welt als dein liebender Diener bekannt. Warum, oh vorzügliche Dame, bittest du mich nicht wie bisher? Oh bezaubernde Königin, was habe ich dir getan, daß du dich solcher Qual hingibst? Oh Liebliche, ich versichere dir, daß ich dich niemals zurückgewiesen habe, weder in Gedanken noch in Worten oder Taten. Oh beste Dame, ich liebe alle meine Frauen, aber dich besonders. Ich betrachte dich wie eine Tochter der Götter, und glaube mir, selbst wenn mein Leben vergeht, meine Liebe zu dir wird nicht vergehen. Wie die Erde beständig die Eigenschaft der Vergebung besitzt und der Raum die Eigenschaft des Klangs, so ist dir meine Liebe sicher, oh du mit dem Glanz der Lotusblüte. Wie die Flamme im Feuer, das warme Licht in der Sonne und das kühle im Mond, so lebt meine Liebe in dir und dir allein.

Als Krishna auf diese Weise gesprochen hatte, wischte sich Satyabhama die Tränen aus ihren Augen und sprach bedächtig zu ihm:
Oh Herr, früher glaubte ich fest daran, daß du allein mir gehörst. Doch heute sehe ich, daß deine Liebe für mich nicht mehr als gewöhnlich ist. Ich dachte nie, daß sie im Lauf der Zeit abnehmen könnte. Doch heute erkenne ich, daß alles in der Welt vergänglich ist. Ich pflegte die schöne Hoffnung, daß du, solange ich lebe, meine zweite Hälfte bist und ich die deine. Was soll ich noch sagen? Nun kenne ich dein Herz, oh Unvergänglicher. Ich sehe, daß deine Liebe allein in freundlichen Worten liegt und nicht wahrhaft ist. Deine wahre Liebe gibst du anderen Frauen. Oh Bester der Männer, obwohl du weißt, daß ich aufrichtig und dir hingegeben bin, mißachtest du mich mit grausamem und hinterhältigem Verhalten. Das ist zuviel, und ich kann es nicht ertragen. Ich habe gesehen, was zu sehen war, und gehört, was zu hören war. So habe ich die Art deiner Liebe erfahren. Es sei, wie es sei! Ich habe mich nun entschlossen, härteste Askese zu üben, und wenn du noch etwas Liebe zu mir hegst, dann gib mir die Erlaubnis dazu. Denn welche Gelübde oder Buße eine Ehefrau auch beachtet, sie sollte das Einverständnis ihres Ehemannes haben. Denn alles, was gegen den Willen ihres Mannes unternommen wird, kann nie erfolgreich sein.

So sprach die treue und schöne Dame und wischte sich erneut die Tränen aus den Augen. Dann ergriff Satyabhama einen Zipfel von Haris gelbem Kleid und bedeckte sich damit ihr Gesicht.


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