Pushpak Bhagavata Purana Buch 10Zurück WeiterNews

10.4. Die Greueltaten von König Kansa

Der ehrenwerte Suka sprach:
Nachdem alle äußeren und inneren Türen des Gebäudes wieder verschlossen waren, wachten die Wächter des Gefängnisses auf, als sie das neugeborene Kind weinen hörten. Sie beeilten sich, diese Botschaft dem König der Bhojas zu überbringen, der ungeduldig und ängstlich auf diese Entbindung von Devaki wartete. Schnell stand er auf und sprach: „Die Zeit ist gekommen!“ Dann eilte er mit aufgelöstem Haar zum Ort der Geburt, und dort sprach die treue Devaki mitleiderregend zu Kansa, ihrem Cousin:
Möge dir Glück geschehen! Dieses Mädchen wird deine Nichte sein. Töte sie nicht, denn du solltest keine Frauen töten. Wegen der Stimme aus der Luft hast du schon viele feuerstrahlende Söhne getötet. So laß mir wenigstens diese Tochter. Ich bin immer noch deine arme und kinderlose Cousine, nicht wahr? Oh König und lieber Cousin, halte dich zurück und gewähre mir dieses Kind.

Sie umklammerte das Baby, weinte bittere Tränen und flehte um Erbarmen, aber Kansa knurrte nur mißmutig und riß es voller Grausamkeit aus ihren Händen. Nachdem er jede familiäre Zuneigung aufgegeben hatte, ergriff er das Neugeborene seiner Cousine an den Beinen und wollte das kleine Mädchen gegen die Steinwand schlagen. Aber es entglitt ihm mitten in der Luft aus seinem Griff und erschien im gleichen Augenblick am Himmel als Göttin (Durga), die jüngere Schwester von Vishnu mit ihren acht mächtigen Armen, die göttliche Waffen trugen. Sie war mit Sandelholzpaste, Blumengirlanden, Juwelen und schönsten Kleidern geschmückt, und hielt Bogen, Pfeile, Lanze, Schild, Schwert, Muschel, Diskus und Lotus in ihren Händen. Sie wurde in dieser Form von den himmlischen Siddhas, Charanas, Gandharvas, Apsaras, Kinnaras und Nagas verehrt und sprach:
Oh du Dummkopf, was nützt es, mich zu töten? Dein ehemaliger Feind, der dich töten wird, wurde bereits geboren und ist jetzt woanders. Höre auf, diese unschuldigen, armen und kleinen Kinder unnötigerweise zu ermorden!

Nachdem die Göttin mit der großen Macht der Illusions- und Schöpferkraft (Maya) so zu ihm gesprochen hatte, verschwand sie vor seinen Augen und wurde an verschiedensten Orten in der Welt unter verschiedensten Namen bekannt (wie Durga, Kali, Bhadra usw.). Als Kansa ihre Worte gehört hatte, war er zutiefst ergriffen, ließ Devaki und Vasudeva sofort frei und sprach beschämt:
Liebe Cousine und lieber Schwager, ich habe leider alle eure Söhne getötet und mich voller Sünde wie ein Kannibale verhalten, der seine eigenen Kinder frißt. Ich habe meinen Verwandten und Freunden gnadenlos und grausam ihr Leben verweigert. Was für eine jenseitige Welt gehört dem, der sich hier wie ein Brahmanen-Mörder benimmt? Nicht nur die Worte der Menschen, sondern auch die Stimmen aus dem Himmel können irreführend sein. Nur weil ich dieser Prophezeiung Glauben schenkte, habe ich alle eure Kinder getötet und diese Sünde angesammelt. Oh ihr Hochbeseelten, beklagt euch nun nicht mehr über eure Kinder, denn alle, die geboren werden, tragen die Last ihres angesammelten Karmas. Alle Lebewesen müssen ihrem Schicksal folgen und können nicht immer am gleichen Ort leben. Alles, was auf der Erde aus der Erde (wie Tontöpfe) geschaffen wurde, entsteht und vergeht wieder. So unterliegt dieser irdische Körper der Vergänglichkeit, nur für die wahre Seele gilt dies nicht. Wer diesen Unterschied nicht erkennt, identifiziert sich fälschlicherweise mit dem irdischen Körper und nicht mit der wahren Seele. So lebt man als getrenntes Wesen und kann den Kreislauf der bedingten Existenzen nicht verlassen. Und weil man auf diese Weise gezwungen ist, die Früchte der eigenen Taten zu ertragen, solltest du, meine liebe Cousine, nicht mehr über die Söhne klagen, die von mir getötet wurden. Solange man sich selbst nicht erkennt, sondern mit illusorischer Sicht glaubt, daß man andere tötet oder selbst getötet wird, ist man ein Unwissender, der dem körperlichen Leiden untertan ist. So vergebt mir bitte meine Greueltaten, denn ich weiß, ihr beide seid heilige und demütig liebende Seelen.

So sprach Kansa mit Tränen in den Augen und berührte die Füße von Devaki und Vasudeva. Er vertraute den Worten der Durga, befreite die beiden aus ihrem Gefängnis und zeigte ein Herz für die Familie. Weil er nun diese Reue zeigte, gaben Devaki und Vasudeva sogleich ihren Zorn auf. Und Vasudeva sprach lächelnd zu ihm:
Was du über die verkörperte Seele im Griff der Unwissenheit gesagt hast, ist richtig, oh Mann des Wohlstandes. Man unterscheidet dann zwischen den eigenen Interessen und den von anderen. Wenn sich Menschen als getrennte und eigenständige Wesen betrachten, leben sie auf gegenseitige Kosten und sind voller Glück und Leid, Begierde und Haß, Angst, Illusion und Wahnsinn. Wer so verblendet ist, sieht seine allumfassende Verbundenheit nicht.

So wurde Kansa von reinigender Reue erfaßt, befreite Devaki und Vasudeva, verabschiedete sich und kehrte in seinen Palast zurück. Doch als die Nacht vergangen war, rief Kansa seine Minister zusammen und berichtete ihnen alles, was Yoga-Maya in Gestalt von Durga verkündet hatte. Als die dämonischen Götterfeinde die Botschaft ihres Königs vernommen hatten, sprachen sie mit wenig Weisheit:
Oh König der Bhojas, in diesem Fall wäre es angebracht, in allen Städten und Dörfern die Kinder zu töten, die ungefähr zehn Tage alt oder jünger sind. Was könnten die Götter dagegen tun, die sich vor dem Kampf gegen dich fürchten? Sie erschrecken schon vom Klang deiner Bogensehne. Als sie überall von deinen zahllosen Pfeilen bedeckt wurden, flohen sie nach links und rechts vor dem Kampf davon, um ihr Leben zu retten. Manche der Himmelsbewohner, die ihre Waffen verloren hatte, falteten ihre Hände und sprachen kläglich mit zerzausten Haaren und Kleidern: „Wir haben solche Angst vor dir!“ Und du hast auch keinen von ihnen getötet, die zu Tode erschrocken waren, ihre Streitwagen verloren hatten, nicht mehr wußten, wie sie ihre Waffen verwenden sollten, sich mit zerbrochenen Bögen im Kampf ergaben oder bewußtlos wurden. Was soll man über die Macht der angeblich so mächtigen Götter im Kampf sagen? Abseits des Kampfes können sie sich überaus rühmen. Sollen wir Vishnu wirklich fürchten? Er versteckt sich im Herzen. Oder Shiva? Er verbirgt sich in den Wäldern. Oder Indra? Er ist auch kein Held. Oder Brahma? Er ist immer in Meditation vertieft. Trotzdem sollten wir die Götter im Kampf wegen ihrer Feindschaft nicht unterschätzen. Befiehl uns, deinen treuen Anhängern, sie zu entwurzeln! Wie eine Krankheit des Körpers, die vernachlässigt wurde, irgendwann nicht mehr behandelt werden kann, oder wie unbeherrschte Sinne, irgendwann nicht mehr gezügelt werden können, so kann auch ein unbeachteter Feind, der zu stark geworden ist, irgendwann nicht mehr besiegt werden. Vishnu ist das Fundament der Götter. Und ihn stützen die traditionellen Pflichten des Dharmas, die Heiligkeit der Kühe und die Ordnung der Kasten mit den Brahmanen und ihre Gelehrtheit, Askese und Opfer, um die Götter zu stärken. Oh König, wir werden uns daher besonders bemühen, den Brahmanen und ihren Lehren ein Ende zu setzen, die so gern Buße üben und Opfer darbringen, sowie den Kühen, welche die geklärte Butter dafür liefern. Die Weisen, Kühe, Veden, Entsagung, Wahrhaftigkeit, Sinnesbeherrschung, Gleichmut, Glaube, Barmherzigkeit, Toleranz und heiligen Rituale sind alles Teile von Vishnu. Er ist der Anführer aller Götter, die uns Dämonen so feindlich sind. Er wohnt in allen Herzen, und zu seinen Füßen verneigen sich alle Götter mit Shiva und Brahma. Wahrlich, der einzige Weg, um ihn zu vernichten, besteht in der Vernichtung seiner Weisen, Heiligen und Verehrer.

So sprachen die dämonischen Minister zu ihrem König, und Kansa, der vom Herrn des Todes regiert wurde, glaubte nun auch, daß dies der beste Weg war, nämlich die wahrhaften Brahmanen zu verfolgen. Und nachdem er den Dämonen, die der Gewalt und Zerstörung geneigt waren und jede Form annehmen konnten, die Erlaubnis gegeben hatte, gegen alle Götterfreunde der Welt zu kämpfen, breiteten sie sich in alle Richtungen aus, und Kansa zog sich in seinen Palast zurück. So verfolgten sie überall die tugendhaften Seelen voller Leidenschaft und geistiger Dunkelheit und wurden vom Schatten des Todes verwirrt, der sie überdeckte. Denn wer die Hochbeseelten bekämpft, zerstört den eigenen Segen von Langlebigkeit, Schönheit, Ruhm, Dharma, Fähigkeit und schließlich den Weg zum Himmel.


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