Pushpak Markandeya PuranaZurück WeiterNews

Kapitel 81 - Das Devi-Mahatmya, die Geburt von Mahamaya

Markandeya sprach:
Savarni (der Sohn der Sonne) wird als der achte Manu bezeichnet. Höre, ich werde dir seine Geburt ausführlich beschreiben. Manus haben einen großen Einfluss und werden durch die Gunst von Mahamaya (der großen Illusion) zu den Gründern von Manwantaras. Einer von ihnen ist Savarni.

Vor langer Zeit lebte im Swarochisha Manwantara der König Suradha, welcher im Geschlecht der Chytras geboren wurde, als Herrscher über die ganze Erde. Er regierte sein Volk wie ein Vater. Doch die Könige der Wildnis wurden mit der Zeit zu seinen Feinden. Und einer von diesen tapferen und mächtigen Königen besiegte ihn im Kampf und beugte seine Macht. Daraufhin zog sich dieser einstige Herrscher über ein großes Reich in seine Stadt zurück und herrschte nur noch über diesen Teil. Doch hier wurde dieser König von noch größeren Feinden bedrängt. Seine eigenen Berater waren ihm übel gesinnt und griffen nach dem Reichtum des bescheidenen Königs, der damit alle Schätze in seiner Stadt verlor. Damit verlor er auch seine Macht als König. Und unter dem Vorwand einer Jagd bestieg er eines Tages sein Pferd und zog sich allein in einen düsteren Wald zurück.

Dort erblickte er inmitten der Wildnis die Klause eines ausgezeichneten Brahmanen, welche mit der Anwesenheit seiner Schüler und von Heiligen geschmückt war. In diesem Wald verbrachte er einige Zeit, verehrt vom Muni, und wanderte hier und dort umher. Er grübelte über die Liebe, die seinen Geist so erschütterte: „Worüber meine Vorväter noch herrschten, das verlor ich mit der Zeit. Ich frage mich aber immer noch, ob nun mein Volk gerecht oder ungerecht regiert wird. Was wird wohl das Schicksal meiner Berater und meines so wohltrainierten Elefanten Surahusti sein? Sie sind jetzt alle im Besitz meiner Feinde. Welches Vergnügen können sie jetzt noch genießen, die früher mit Nahrung und Reichtümern verwöhnt wurden? Bestimmt werden sie jetzt von den fremden Königen schlecht behandelt. Für eitle Zwecke wird nun der kostbare Schatz verschwendet, der uns anvertraut war.“

Mit Sorge dachte der König daran, wie seine Schatzkammer geleert wurde. Diese und andere Gedanken wälzte er unaufhörlich durch seinen Kopf. Da erblickte er nahe bei der Einsiedelei der Brahmanen einen Händler (Vaisya), den er fragte: „Oh, wer bist du? Warum kommst du hierher? Warum siehst du so nachdenklich und melancholisch aus, oh reicher Mann? Warum sind deine Augen so rot vor Kummer?“

Die bescheidene Rede des Königs hörend antwortete ihm der Händler demütig: „Mein Name ist Samadhi. Ich bin ein Vaisya und in einem wohlhabenden Haus geboren. Doch ich wurde durch die Boshaftigkeit und Habgier meiner Söhne und meiner Frau vertrieben. Mein ganzes Vermögen besitzen nun diese Söhne, und ich bin arm, von Reichtum, Gemahlin und Kindern getrennt. In diesem Kummer nahm ich Zuflucht im Wald und habe mein Leben, meine Freunde und Verwandtschaft zurückgelassen. So lebe ich nun hier, ohne das Glück oder Elend meiner Söhne und das Wohlbefinden meiner Verwandtschaft oder Frau zu kennen. Ob ihr Haus zurzeit in Sicherheit oder Gefahr ist? Wie werden meine Söhne leben? Ob sie moralisch oder übelgesinnt handeln? Dies sind meine Sorgen.“

Der König fragte: „Warum liebst du jene Söhne und diese Frau noch, durch deren Habgier du vertrieben wurdest?“

Darauf antwortete der Händler: „Warum fragst du mich so direkt danach, wenn du doch meine Gefühle selbst kennst? Ich kann mein Herz nicht verhärten. Was soll ich tun? Habgier hat ihre kindliche Liebe ausgelöscht. Doch ich habe Mitgefühl mit ihnen. Oh mächtiger und weiser Mann, ich bin nur ein einfacher Mensch. Obwohl ich sie kenne, hängt mein Herz an meinen tückischen Verwandten. Wie könnte ich sie hassen und Böswilligkeit in meinem Herzen tragen?“

So begab sich der edle König zusammen mit Samadhi (stille Meditation) zum Muni Medhas (Weisheit). Sie wurden von ihm gebührend empfangen und erzählten ihm ihre Geschichte.

Der König begann: „Oh Heiliger! Voller Zweifel möchte ich dir eine Frage stellen. Bitte, erkläre es mir. Mein Verstand kann es nicht ergründen, und ich werde von Angst und Unruhe geplagt. Oh ausgezeichneter Muni, was ist das? Obwohl ich mir der Vergänglichkeit bewusst bin, liebe ich immer noch, wie ein Unwissender, mein Königreich und meine ganze Gefolgschaft. Und jener Händler wurde von seinen Söhnen, seiner Ehefrau, seinen Dienern und seiner Verwandtschaft verbannt, und dennoch fühlt er Mitleid mit ihnen. Auf diese Weise sind wir beide tief betrübt. Diese eigenartige Liebe treibt uns zu tadelnswerten Handlungen, indem wir den Dingen dieser Welt verhaftet sind. Was ist das, oh großer Weiser? Obwohl wir es erkannt haben, erzeugt unsere Zuneigung eine starke Blindheit in allen Handlungen.“

Der Rishi sprach: „Oh Großmütiger, das Licht der Erkenntnis besteht in allen lebenden Wesen. Und alle, die nach dem Leben begehren, werden in ihrer jeweiligen individuellen Form von der Liebe beherrscht. Einige Wesen sind am Tag blind, andere nachts, und andere scheinen Tag und Nacht gleichermaßen blind zu sein. Es ist wahr, dass Könige besonders klug erscheinen, aber das ist nicht wirklich so. Auch alle anderen Lebewesen sind mit Wissen begabt. Das Wissen, welches sich in der Menschheit entfaltet, ist allen anderen Wesen ebenfalls gegeben. Schaut die Weisheit der Vögel. Obwohl sie selbst vom Hunger bedrängt sind, nehmen sie doch liebevoll die Krumen in ihre Schnäbel und füttern damit ihre Jungen. Oh König der Könige, siehst du nicht, wie die Wesen ihre Nachkommenschaft liebevoll zum Wohle anderer versorgen? Durch die Kräfte der Anziehung fallen sie in den Strudel der Liebe. Dies ist die Macht von Mahamaya (der großen Illusion), wodurch diese Welt in ihrem Wesen geschaffen wurde. Mahamaya ergriff den Herrn der Welt, als er in seinem Yoga-Schlaf verweilte. Diese große Illusion verhüllt nun das Göttliche und fesselt diese ganze Welt durch ihre Macht. Diese höchste Göttin besitzt unwiderstehlich die Herzen sogar der Klügsten, und führt gewaltsam zu großer Täuschung. Durch sie wurde das ganze Universum mit allem Belebten und Unbelebten geschaffen. Doch ist es auch ihr Segen, der zur Befreiung führen kann. Sie zu erkennen, ist ein Weg zur höchsten Erlösung. Obwohl sie selbst ewig ist, entfaltet sie die Sterblichkeit. Sie ist die höchste Göttin über allen Göttinnen.“

Der König sprach: „Oh Heiliger! Wer ist diese Göttin? Oh Zweifachgeborener, die du eben erwähntest, und wie kam sie in diese Welt? Welche Wunder bewirkt sie? Welche besonderen Handlungen vollbringt sie, deren Form bewundernswert ist? Ich bin neugierig darüber zu hören. Oh Bester unter denen, die das Allmächtige kennen, erzähle mir von ihr.“

Der Rishi sprach: „Ihr Wesen in dieser Welt ist unsterblich. Alle Dinge wurden aus ihr geschaffen. Mir wurde schon oft von ihrer Geburt erzählt. Obwohl sie selbst ewig ist, nahm sie eine Form an, um den Zielen der Götter zu dienen. Als die Welt am Ende des Kalpa (Brahmatag) wieder im Wasser (dem Meer der Ursachen) versunken war, legte sich auch Vishnu, der höchste göttliche Herr, auf sein Schlangenbett zur Ruhe. Irgendwann am Ende dieser Nacht wurden die zwei schrecklichen Dämonen Madhu und Kaithabha aus dem Ohrschmalz von Vishnu geboren, und sie waren bestrebt, Brahma, den Schöpfer der Welten, zu töten. Brahma ruhte in einem Lotus, welcher aus dem Nabel von Vishnu gewachsen war. Als er die zwei zornigen Dämonen erblickte und den im Yoga-Schlaf versunkenen Vishnu, da betete er mit vollkommener Hingabe zu Mahamaya, die im Auge von Vishnu ihren Ruheort gefunden hatte.“

Brahma sprach: „Oh höchste Göttin des Universums, Mutter der Erde! Du bist ihre Schöpfung und Auflösung. Oh Göttin des schlafenden Vishnus, von überwältigender Helligkeit, hervorragend und unvergleichlich. Du bist Swaha, Swadha und Vasatkara (die mystische Macht zur Realisierung von Gedanken). Du bist universeller Klang. Du bist ewig und die Kraft der drei Matras (AUM) aus der mystischen Silbe OM. Von diesen Matras bist du das Ardha-Matra, das Unveränderliche, das Fortklingende und auch das Unaussprechliche. Du bist Savitri, das Licht und die höchste Mutter. Du bist der Ursprung, die Stütze und die Auflösung aller Erscheinungen, doch du selbst bist unveränderlich. Du bist das Prinzip der Schöpfung, der Gestaltung, der Bewahrung und schließlich auch der Zerstörung. So durchdringst du das ganze Weltall. Du bist das höchste Wissen, wie auch die höchste Illusion. Du bist der höchste Intellekt, die tiefste Erinnerung, die größte Liebe, das hellste Licht und die mächtigste Göttin. Du denkst alle Dinge durch die Kraft der drei Gunas. Du bist die Nacht, wenn die Welt versinkt, du bist die Große Nacht vor der Schöpfung, und du bist die schreckliche Nacht der Unwissenheit.

Doch du bist auch Wohlstand, du bist Göttin, du bist Vishnu. Du bist Erkenntnis, die das Verständnis schafft. Du bist Bescheidenheit, Schöpferkraft und Zufriedenheit. Du bist Mitgefühl und Vergebung. Furchterregend ist deine äußere Gestalt, bewaffnet mit Schwert und Speer, auch mit Keule, Diskus, Muschelhorn, Bogen, Pfeilen, Schlinge und eisernem Hammer. Dennoch bist du ruhig, die Größte unter den Sanftmütigen, lieblich, schön und die Vorzüglichste unter den Vorzüglichen. So bist du wahrlich die große Göttin.

Du bestehst in allem, was ist, im Großen und im Kleinen, in der Freude und im Leiden. Du bist die Quelle, aus der alle ihre Kraft schöpfen. Wer könnte dich nicht loben? Du machst die Welt, du zerstörst die Welt. Wer könnte dich dafür loben? Du entfaltest die Körper von Vishnu und auch von Shiva. Beide wurden durch dich gestaltet. Wer wäre noch fähig, dich zu loben?

Ich bete zu dir, oh Göttin, und zu deinen bedeutenden Handlungen, berausche diese üblen Giganten Madhu und Kaithabha, und erwecke Vishnu, diesen höchsten Herrn, damit er diese beiden übelgesinnten und mächtigen Dämonen bekämpfen möge.“

Vishnu auf der tausendköpfigen Schlange

Der Rishi fuhr fort:
So pries der Schöpfer, damit jene erregte Göttin Vishnu erwecken möge, um Madhu und Kaithabha zu töten. Und sie quoll hervor aus den Augen von Vishnu, aus Nase, Mund und all seinen Gliedern, und erschien vor Brahma, dessen Geburt rein ist. So verließ sie Vishnu und der Herr der Erde stand auf, von seinem Schlangenbett im ewigen Meer und erblickte Madhu und Kaithabha, diese übelgesinnten Helden, kriegerisch, mit zornesroten Augen, die bestrebt waren Brahma zu entwurzeln. Sich selbst erhebend, kämpften sie beide gegen den göttlichen Vishnu für fünftausend Jahre. Sie wurden durch die große Illusion berauscht, und voller Stolz wünschten sie sich schließlich, dass Vishnu einen Wunsch äußern möge. Und Vishnu antwortete: „Ihr sollt beide durch mich sterben! Was für einen anderen Wunsch sollte ich haben? Wisset, dies ist mein einziger Wunsch.“

Da betrachteten sie diese Welt, welche überall von Wasser bedeckt war, mit ihren verblendeten Augen und sprachen zum lotusäugigen Gott: „Wir sind vom Kampf mit dir begeistert und loben dich dafür. Wenn es dein Wunsch ist, dann besiege und überwinde uns an einem Ort, welcher nicht vom Wasser erfüllt ist!“ Der göttliche Träger von Keule und Diskus sprach darauf „So sei es.“, zog sie beide auf seinen Schoß und trennte ihnen mit dem Diskus die Köpfe ab. Und Brahma lobte diese Tat und war höchst entzückt.

So höre nun von mir über viele weitere Wunder dieser Göttin.


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