Pushpak Vishnu PuranaZurück WeiterNews

Buch 6 - Kaliyuga und Auflösung der Welt

6.1. Das Kali Zeitalter

Maitreya sprach:
Oh Bester der Weisen, du hast mir die Schöpfung der Welt, die Abstammung der Patriarchen, die Dauer der Manwantaras (Epochen eines Manus) und die Dynastien der Könige ausführlich erklärt. So möchte ich jetzt auch von der Auflösung der Welt hören, von der Zeit des Niedergangs und von dem, was am Ende eines Kalpa (Schöpfungstages) geschieht.

Und Parasara sprach:
Höre von mir, oh Maitreya, über die Verhältnisse beim Untergang aller Geschöpfe, über die Auflösung am Ende eines Kalpa oder am Ende des Lebens von Brahma. Ein Monat der Sterblichen ist ein Tag und eine Nacht der Ahnen. Ein Jahr der Sterblichen ist ein Tag und eine Nacht der Götter. Zweitausend Zyklen der vier Zeitalter (Mahayugas) sind ein Tag und eine Nacht von Brahma. Die vier Zeitalter (Yugas) sind das Krita, Treta, Dwapara und Kali (golden, silbern, bronzen und eisern). Zusammen umfassen sie zwölftausend Jahre der Götter. Die zyklischen vier Zeitalter bilden verschiedene Stufen mit bestimmten Eigenschaften. Das erste von ihnen ist immer das goldene Krita, und das letzte wird Kali genannt. Das erste Krita Zeitalter wird von Brahma geschaffen, im letzten Kali Zeitalter geschieht die Auflösung der Welt.

Die zyklischenn Wellen der Zeitalter

Da sprach Maitreya:
Oh ehrwürdiger Herr, bitte beschreibe mir das Wesen des eisernen Kali Zeitalters, wo Tugend und Gerechtigkeit (das Dharma) nur noch auf einem von vier Füßen stehen.

Und Parasara sprach:
So höre, oh Maitreya, eine Beschreibung dieses Zeitalters, nach dem du gefragt hast und wie es uns bevor steht. Im Kali Zeitalter wird man die Ordnung der Kasten, ihre Gebote und Institutionen nicht mehr beachten noch die Riten der Saman, Rig und Yajur Veden. Die Ehen werden in diesem Zeitalter nicht dem traditionellen Geist entsprechen, noch werden die Regeln, welche den geistigen Lehrer und seinen Schüler verbinden, wirkungsvoll sein. Die Gebote, die das Verhalten von Ehemann und Ehefrau regeln, werden mißachtet und die Opfergaben für die Götter ins Opferfeuer verschwinden. Ohne Rücksicht auf ihre Abstammung werden die mächtigen und reichen Männer nach Belieben die Jungfrauen anderer Stämme und Kasten heiraten. Die Zweifachgeboren werden in allen möglichen Dingen initiiert, doch diese Gelübde werden kaum Ergebnisse bringen. Jeder Text, der den Leuten gefällt, wird zu den heiligen Schriften gehören. Jeder wird nach Belieben seinen Gott anbeten, und die Gebote des Lebens werden für alle Personen gleich sein. Im Kali Zeitalter wird man Fasten, Askese und Wohltätigkeit für persönliche Wünsche üben und dies als Tugend und Gerechtigkeit betrachten. Auf unbedeutendste Besitztümer wird man den Stolz über seinen Reichtum gründen und den Stolz über seine Schönheit auf (keinen anderen Charme als) die Frisur der Haare. Gold, Juwelen, Diamanten und schöne Kleidung werden knapp sein, und den Frauen bleibt nur noch ihr Haar als Schmuck. Die Ehefrauen werden ihre Männer verlassen, wenn diese ihren Besitz verlieren, und nur die Reichen werden von den Frauen als ihre Herren betrachtet. Wer viel Geld ausgibt, wird der Herr über Menschen sein, und die edle Abstammung ist kein Grund mehr für die Herrschaft. Mit angesammelten Schätzen wird man prahlen, und der menschliche Geist wird nur noch mit der Jagd nach Reichtum beschäftigt sein, den man allein für egoistische Befriedigungen verwenden wird. Frauen werden ihren Neigungen folgen und stets das Vergnügen lieben. Männer werden ihre Wünsche auf Reichtümer richten, selbst auf unehrlichen Wegen. Kein Mensch wird mehr teilen wollen, sei es auch noch so wenig, worum ein Freund bitten mag. Menschen aller Grade werden so eitel sein, sich den Brahmanen gleich zu setzen. Kühe werden nur noch als Milchlieferanten geschätzt. Die Leute werden ständig irgendeinen Mangel befürchten, wegen Knappheit besorgt sein und auf Erden das himmlische Paradies suchen. Es wird Hungersnöte geben, wo sie wie Asketen von Blättern, Wurzeln und Früchten leben müssen, und diese Angst vor Hunger und Durst werden sie durch ihr ganzes Leben tragen. Wahrlich, im Kali Zeitalter wird es keine Fülle mehr geben. Die Menschen werden unzufrieden sein und können weder Freude noch Glück genießen. Sie werden ihre Nahrung zu sich nehmen, ohne vorherige Reinigung, ohne Feuer, Götter und Gäste zu verehren oder das Trankopfer den Ahnen anzubieten. Die Frauen werden launisch, kleinlich und unersättlich sein. Sie werden viele Kinder und wenige Mittel haben. Sie werden ihre Köpfe mit beiden Händen kratzen und den Geboten ihrer Männer und Eltern keine Aufmerksamkeit schenken. Sie werden egoistisch, gemein und unachtsam leben. Sie werden zanken und lügen. Sie werden unanständig und unmoralisch sein und stets die ausschweifenden Männer suchen. Die Jugendlichen werden, ohne die Gebote der Studienzeit zu beachten, die Veden studieren. Die Hausväter werden weder opfern noch Wohltätigkeit üben. Die Asketen werden sich wie Bauern ernähren, und Bettler werden unter dem Einfluß von Freunden und Gönnern stehen. Anstatt ihre Untertanen zu beschützen werden die Könige ihr Volk ausplündern und mit übermäßigen Steuern die Händler ihres Eigentums berauben. Im Kali Zeitalter wird jeder, der Wagen, Elefanten und Rosse besitzt, ein König sein. Und jeder, der schwach ist, wird ein Sklave werden. Die Vaisyas werden Landwirtschaft und Handel aufgeben und ihren Lebensunterhalt als Knechte oder Handwerker erarbeiten. Die Shudras werden ihren Lebensunterhalt durch Betteln suchen und die äußeren Zeichen der Bettelmönche tragen, ohne dem heiligen Pfad zu folgen. Bedrückt durch Hungersnot und Steuerlast werden die Menschen ihre Heimat verlassen und in fremde Länder ziehen, wo noch Getreide wächst. Der Pfad der Veden wird verschwinden, und die Menschen werden gottlose Wege gehen. Ungerechtigkeit wird wachsen, und entsprechend wird die Lebensdauer abnehmen. Aufgrund schrecklicher Entsagungen, die von den heiligen Schriften und dem Gesetz der Herrscher nicht geboten sind, werden die Kinder schon im Säuglingsalter sterben. Die Frauen gebären schon im Alter von fünf bis sieben Jahren ihre Kinder, und die Männer zeugen sie mit acht bis zehn. Ein Mensch wird mit zwölf Jahren schon ergraut sein und nicht älter als zwanzig werden. Sie werden wenig Sinn, Energie und Tugend besitzen, und deshalb nach kurzer Lebensfrist zugrunde gehen.

Oh Maitreya, so wie die Gottlosigkeit wächst, so wird das Kali Zeitalter wachsen. Im gleichen Verhältnis, wie sich die Zahl der vedenkundigen Frommen verringert, welche die Tugend und Gerechtigkeit kultivieren, wie das Höchste männliche Wesen kein Ziel mehr für die Opfer ist, wie der Respekt vor den Lehrern der Veden schwindet und die Verehrung für Materialismus und Geistlosigkeit zunimmt, verstärkt sich der Einfluß des Kali Zeitalters, den die Weisen erkennen. Oh Maitreya, im Kali Zeitalter werden die Menschen von Ungläubigen verdorben, entfernen sich von der Verehrung Vishnus, dem Herrn des Opfers, dem Schöpfer und Vater von allem und sagen:
Welche Autorität haben die Veden? Was gelten uns Götter oder Brahmanen? Wofür benötigen wir innere Reinigung?

Dann werden die Wolken ungenügend Regen geben. Dann wird das Getreide kleine Ähren bringen, die Körner werden kraft- und saftlos sein, die Kleidung wird aus groben Stoffen bestehen, der beste Baum wird der Sami sein, die Shudras werden als Kaste vorherrschen, Hirse wird als gewöhnliches Korn dienen, Milch wird hauptsächlich von Ziegen kommen, und Salben werden aus Usira Gras gemacht. Schwiegermutter und Schwiegervater werden mehr als die eigenen Eltern verehrt. Die Menschen werden sagen: „Wozu Vater und Mutter ehren? Jeder wird gemäß seinen Taten geboren.“ Deshalb werden sie die Eltern ihres Ehegatten als ihre eigenen betrachten. Mit unachtsamen Sinnen und jeglicher Schwäche des Geistes unterworfen werden sie täglich mit Körper, Rede und Denken Sünden begehen, und alles, was zum Leiden entsteht, bösartig, unrein und quälend ist, wird im Kali Zeitalter erscheinen. Wenn das heilige Studium, die Opfergaben ins Opferfeuer und die Verehrung der Himmlischen vergehen, dann wird es kaum noch heilige Orte geben. Doch wer sie findet, der kann im Kali Zeitalter ohne große Mühe viele tugendhafte Verdienste ansammeln, die im goldenen Krita härteste Entsagung erfordern.


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