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Buch 5 - Das Leben von Krishna

5.1. Die Qual der Erde und die Hilfe von Vishnu

Maitreya sprach:
Du hast mir einen ausführlichen Bericht über die verschiedenen Dynastien und Abstammungen der Könige gegeben. Oh heiliger Rishi, bitte erzähle mir nun auch über jenen Teil von Vishnu, der auf die Erde herabkam und im Stamm von Yadu geboren wurde. Berichte mir ausführlich, was er als Teil eines Teils des Höchsten hier auf Erden getan hat.

Und Parasara sprach:
Ich werde dir, oh Maitreya, alles erzählen, wonach du gefragt hast. So höre von der Geburt des Teils eines Teils von Vishnu und dem Segen seiner Taten für diese Welt.

Vasudeva heiratete die berühmte Devaki, die Tochter von Devaka, eine Jungfrau von himmlischer Schönheit. Nach ihrer Hochzeit wurden sie von Kansa persönlich, dem Vermehrer des Bhoja Stammes, in seinem Wagen nach Hause gefahren. (Devaki war die Cousine von Kansa und man sagt, diese Hochzeit war von ihm, dem selbstsüchtigen Monarchen, erzwungen.) Während ihrer Fahrt erklang plötzlich eine Stimme aus dem Himmel, die laut und tief wie der Donner zu Kansa sprach:
Was bist du für ein Narr! Das achte Kind dieser jungen Dame, welche du zusammen mit ihrem Ehemann in diesem Wagen fährst, wird dir dein Leben nehmen!

Als Kansa diese Stimme hörte, zog er sein Schwert und wollte Devaki sofort töten. Aber Vasudeva ging dazwischen und sprach:
Töte Devaki nicht, oh großer Krieger! Verschone ihr Leben, und ich werde dir jedes Kind übergeben, das sie zur Welt bringen wird.

Dieses Versprechen beruhigte Kansa, und im Vertrauen auf den Charakter von Vasudeva sprach er „So sei es!“, und verschonte Devaki.

Kansa, Vasudeva und Devaki

Zu jener Zeit begab sich die Erde, die von ihrer Last schwer geplagt war, zu einer Versammlung der Götter auf dem Berg Meru, und sprach zu den Göttern mit Brahma an ihrer Spitze in mitleiderregenden Worten über ihre große Qual:
Wie Agni der Vater des Goldes und Surya der Vater der Lichtstrahlen ist, so ist der höchste Narayana der Vater und Lehrer von mir und allen irdischen Bereichen. Er ist Brahma, der Vater aller Väter und der Älteste von allen Ahnherren. Er ist die Zeit, die in Sekunden und Stunden erscheint, obwohl er formlos ist. Oh Götter, selbst diese ganze Versammlung von euch ist ein Teil von ihm. Die Sonne, das Licht, die Winde, die Heiligen, die Rudras, die Vasus, die Aswins, das Feuer und die Stammväter der Welt mit Atri an der Spitze sind alles nur Formen vom mächtigen und unergründlichen Vishnu. Auch die Yakshas, Rakshasas, Dämonen, Gespenster, Nagas, Gandharvas und Apsaras sind Formen von Vishnu, dem Höchsten Geist. Der Himmel voller Planeten, Konstellationen und Sterne, Feuer, Wasser und Wind, ich selbst und jedes wahrnehmbare Geschöpf sowie das ganze Universum besteht aus Vishnu. Die vielgestaltigen Formen dieses einen Wesens treffen Tag und Nacht aufeinander und leben wie die Wellen des Meeres. So haben gegenwärtig viele Dämonen unter ihrem Führer Kalanemi die Erde überflutet und quälen dort die Sterblichen. Der mächtige Dämon Kalanemi, der schon einmal von Vishnu getötet wurde, ist als Kansa, dem Sohn von Ugrasena, wieder zum Leben erwacht, und mit ihm wurden viele andere mächtige Dämonen wie Arishta, Dhenuka, Kesin, Pralamba, Naraka, Sunda und der schreckliche Vana, der Sohn von Vali, in den Palästen von Königen geboren. Oh ihr Götter, unzählige Heerscharen von stolzen und kraftvollen Dämonen, die an der Spitze ihrer Stämme stehen, wandern jetzt über die Erde, und ich fühle mich unfähig, diese Last noch weiter zu ertragen. Deshalb bin ich hier erschienen, um eure Hilfe zu erbitten. Oh berühmte Götter, ihr Führer der Himmlischen, möget ihr so handeln, daß mir die Bürde erleichtert werde und ich nicht hilflos in den Tiefen versinken muß.

Als die Götter die Beschwerde der Erde gehört hatten, erklärte ihnen Brahma wunschgemäß, wie ihre Last erleichtert werden kann. Und Brahma sprach:
Oh ihr Himmlischen, die Worte der Erde sind zweifellos wahr. Wir alle, auch Mahadeva und ich selbst, sind allein Narayana. Doch die Verkörperungen seiner Macht sind stets vielfältig und schwankend (im Spiel der Gegensätze). Ein Ungleichgewicht zeigt sich in der Übermacht von Starken und der Unterdrückung von Schwachen. Laßt uns deshalb zur nördlichen Küste des Milchozeans gehen und Hari verehren. Wenn er uns hört, wird er uns helfen. Er ist der Geist von allem und der Erhalter des ganzen Universums. Er wird einen kleinen Teil seines Wesens verkörpern und auf die Erde herabkommen, um Tugend und Gerechtigkeit zu bewahren.

So ging Brahma in Begleitung der Götterschar zum Milchozean, und dort priesen sie mit konzentriertem Geist den, der Garuda zum Zeichen hat. Brahma sprach:
O Herr, du bist über den Veden. Du bist das Eine jenseits von allem dualistischen Wissen. Du bist das Höchste und Niederste und das Wesen von allem. Du bist zugleich formlos und formhaft und das Höchste Brahman. Du bist das Kleinste von allem Kleinen und das Größte von allem Großen. Du bist das All und der Kenner von allem. Du bist der Geist des Wortes, der Höchste Geist, das Brahman und Brahma selbst. Du bist der Rig, Yajur, Saman und Atharva Veda. Du bist das Wissen über Betonung, Ritual, Bedeutung, Metren, Astronomie, Geschichte, Tradition, Grammatik, Theologie, Logik und Gesetz. Doch du selbst bist unergründlich. Du bist das Wissen aller Lehren über Seele, Leben und Körper sowie der drei natürlichen Qualitäten. Diese Lehren sind nichts anderes als dein dir innewohnendes und gestaltendes Wesen. Du selbst bist unerkennbar, unbeschreiblich und unvorstellbar. Du bist ohne Name, Farbe, Hände oder Beine. Du bist ewig, rein und unendlich. Du hörst ohne Ohren und siehst ohne Augen. Du bist Einheit und Vielfalt. Du bewegst dich ohne Beine und handelst ohne Hände. Du erkennst alles und bist doch allen unbekannt. Wer dich selbst in den kleinsten Teilchen sieht und als substanzlos erkennt, der zerstreut alle Unwissenheit. Und höchste Befreiung erreicht dieser Weise, der in seinem Verstand nichts anderes hegt als dich in Form alldurchdringender Güte und Seligkeit. Du bist die Zuflucht von allem, der Beschützer der Welt, und alle Wesen bestehen durch dich. Alles, was gewesen ist oder sein wird, das bist du. Du bist das Subtilste von allem Subtilen, du bist reiner Geist und stehst hinter jeder Erscheinung. Du bist der Herr des Feuers in seinen vier Manifestationen und gibst der Erde Licht und Fruchtbarkeit. Du bist das Auge von allen und der Träger aller Formen. Du durchdringst ohne Hindernisse alle drei Welten. Wie Feuer eins ist, aber verschiedenartig leuchtet und unveränderlich in seiner Essenz vielfältig erscheint, so bist du, oh Herr, als Einheit in allen Geschöpfen und trägst die Vielfalt der existierenden Formen. Du bist das Eine, das Höchste und Ewige, das die Weisen mit dem Auge der Selbsterkenntnis schauen. Es gibt nichts anderes als dich, oh Herr, und es wird nie etwas anderes geben. Du bist sowohl Vielfalt als auch Einheit, universal und individuell, allwissend, alldurchdringend, allmächtig und der Besitzer aller Intelligenz, Kraft und Macht. Du unterliegst weder der Verringerung noch der Zunahme. Du bist unabhängig und anfangslos. Du bist der Bezwinger von allen. Du wirst nie von Schwachheit, Trägheit, Angst, Wut oder Begierde überwältigt. Du bist das Körperlose, Höchste, Barmherzige, Einzige, Unvergängliche, Beherrschende, Allseiende, Lichtvolle und Zeitlose. Du bist von materiellen Fesseln frei und von keinen Bildern erfaßbar. Du verdichtest und verbindest alle Elemente. Verehrung sei dir, dem Höchsten Geist! Du verkörperst dich, oh Durchdringer des Universums, nicht als karmische Folge von Tugend oder Sünde noch durch eine Mischung der beiden, sondern allein um die gerechte Ordnung der Welt zu bewahren.

Der ungeborene und ewige Hari hörte mit dem geistigen Ohr dieses Lob, war zufrieden und sprach zu Brahma:
Sage mir, oh Brahma, was du und die Götter wünschen. Sprich frei heraus und sei dir des Erfolges sicher!

Brahma sah die göttliche und universale Form von Hari, verneigte sich sogleich und sang erneut sein Lob:
Verehrung sei dir, dem Tausendgestaltigen, Tausendarmigen, Vielgesichtigen, Vielfüßigen, dem grenzenlosen Schöpfer, Bewahrer und Zerstörer, dem Kleinsten von allem Kleinen und dem Größten von allem Großen. Du bist Natur, Vernunft und Bewußtsein sowie jeder andere Geist. Erweise uns deine Gnade. Schau, oh Herr, diese Erde wird von mächtigen Dämonen belastet und bis zu den Wurzeln ihrer Berge erschüttert. Sie wendet sich an dich, ihren unbesiegbaren Beschützer, damit ihre Bürde erleichtert werde. Schau auch mich und Indra, die Aswins, Varuna, Yama, die Rudras und Vasus sowie die Sonnen, Winde, Feuer und alle anderen Himmlischen, wie wir bereit sind, alles zu tun, was du uns gebietest. So gib, oh Führer der Götter, der keinen Makel kennt, deine Befehle an deine Diener. Wir werden sie erfüllen.

Als Brahma seine Rede beendet hatte, riß sich der höchste Herr zwei Haare aus, ein weißes und ein schwarzes, und sprach zu den Göttern:
Diese, meine Haare sollen auf die Erde hinabsteigen und ihre quälende Last erleichtern. Mögen auch alle anderen Götter einen Teil von sich auf Erden verkörpern und den gemeinsamen Kampf gegen die hochmütigen Dämonen wagen, um ihre Macht zu schlagen. Zweifelt nicht daran: Sie sollen vor dem zornvollen Blick meiner Augen zugrunde gehen. Mein schwarzes Haar soll in der achten Schwangerschaft im Mutterleib von Devaki, der einer Göttin gleichenden Ehefrau von Vasudeva, (als Krishna) verkörpert werden und Kansa töten, welcher der Dämon Kalanemi ist. (Das weiße Haar wird zuvor als sein Bruder Balarama geboren.)

So sprach Hari und verschwand vor ihren Augen. Die Götter verneigten sich vor dem Unsichtbaren und kehrten zum Gipfel des Berges Meru zurück, von wo sie auf die Erde hinabstiegen. Muni Narada informierte Kansa, daß Vishnu, der Erhalter der Erde, das achte Kind von Devaki sein würde. Dies erregte seinen Zorn, und so stellte er Vasudeva und Devaki unter Arrest. Gemäß seinem Versprechen lieferte Vasudeva jeden geborenen Säugling an Kansa aus. Man sagt, daß die ersten sechs Säuglinge die Kinder des Dämons Hiranyakashipu waren, die in den Mutterleib von Devaki durch die Yoganidra Kraft (die göttliche Macht der Stille) gebracht wurden, welche auf Wunsch von Vishnu ihre illusorische Macht entfaltet, wodurch die ganze Welt in Illusion und Unwissenheit gehüllt wird. Zu ihr sprach Vishnu:
Oh Yoganidra, geh in die Unterwelt und führe auf mein Gebot hin sechs ihrer Prinzen in den Mutterleib von Devaki. Wenn diese von Kansa getötet sind, soll die siebente Schwangerschaft ein Teil von Sesha (der Urschlange) sein, der ebenfalls ein Teil von mir ist. Diesen Embryo sollst du noch vor seiner Geburt an Rohini übertragen, einer anderen Ehefrau von Vasudeva, die in Gokula wohnt. Man soll berichten, daß Devaki durch die Qual ihrer Haft und aus Angst vor dem Bhoja König das Kind verloren hat. Und weil es aus dem Leib seiner Mutter gezogen wurde, soll das Kind unter dem Namen Sankarshana bekannt sein. Er soll tapfer und stark und wie die Spitze der weißen Berge in Farbe und Größe sein. In der achten Empfängnis von Devaki werde ich mich selbst inkarnieren und du, oh Yoganidra, sollst in gleicher Weise als Embryo in den Mutterleib von Yasoda eingehen. In der Nacht des achten Tages der dunklen Monatshälfte von Nabhas (bzw. Sravana, August/September) werde ich während der Regenzeit geboren. Du sollst deine Geburt am neunten Tag nehmen. Von meiner Macht geleitet soll Vasudeva mich zum Wochenbett von Yasoda tragen und dich zu dem von Devaki. Kansa soll dich ergreifen und hochheben, um dich gegen einen Stein zu werfen, doch du sollst seinem Griff gen Himmel entfliehen. Dort sollst du den hundertäugigen Indra treffen, der sich in Verehrung für mich vor dir verbeugen und dich als seine Schwester annehmen wird. Du wirst Sumbha und Nisumbha sowie viele andere Dämonen schlagen und die Erde an vielen Orten heiligen. Du bist Reichtum, Nachkommenschaft, Ruhm, Geduld, Himmel und Erde, Standhaftigkeit, Bescheidenheit, Nahrung, Morgendämmerung und alles andere weibliche (in Form oder Eigenschaft). Wer dich am Morgen und Abend voller Verehrung und Lob anruft und dich Arya, Durga, Vedagarbha, Ambika, Bhadra, Bhadrakali, Kshemi oder Kshemankari nennt, soll durch meine Gnade alle Wünsche erfüllt bekommen. Besänftigt mit Darbringungen von Wein, Fleisch und anderen Speisen sollst du den Menschen ihre Gebete verwirklichen. Durch meine Gunst sollen sie alle an dich glauben. Dessen sei dir sicher! So geh, oh Göttin, und erfülle meine Befehle!

Jagaddhatri


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