Pushpak Shiva-Purana Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 25 - Die sieben Weisen prüfen Parvati

Narada fragte:
Und was geschah dann? Was unternahm Shiva als nächstes? In welcher Zeit gewährte er den Segen und wie? Bitte erzähl weiter, es ist mir solch ein Vergnügen.

Brahma gab zur Antwort:
Nachdem die Götter gegangen waren, versenkte sich Shiva in Meditation, um Parvatis Askese zu prüfen. Er schaute seine eigene Seele in sich Selbst, den Atman im Innern, der größer als das Größte ist und ohne Illusion und Begierde. Der Gott mit dem Stier im Banner, der die Essenz von „Das bist du“ ist und dessen Bewegungen unergründlich sind, ist die Quelle aller Freuden und jeglichen Schutzes. Shiva ist der Höchste Herr.

Und Parvati? War immer noch in asketische Andacht vertieft, worüber sogar Shiva staunte. Ihre Buße riß ihn aus seiner weltabgewandten Meditation, denn ein Gott kann nicht anders, wenn er seinen Verehrern zugetan ist. Sogleich dachte Shiva an die sieben himmlischen Weisen, welche im selben Moment vor ihm erschienen. Ihre Mienen strahlten, und sie freuten sich über ihr gutes Schicksal. Demütig verbeugten sie sich vor Shiva, und ein aufrichtiges Lob strömte von ihren Lippen:
Oh großer Gott, Herr der Götter, du Ozean an Mitgefühl, wir fühlen uns so gesegnet, da du an uns dachtest. Warum hast du uns gerufen? Gebiete uns freimütig. Wir sind deiner Diener, Verehrung sei dir.

Shiva antwortete liebevoll lächelnd und mit strahlenden Augen:
Meine lieben Weisen, hört meine Worte. Ihr seid meine Wohltäter, denn ihr seid geschickt und weise. Die große Göttin übt als Parvati mit festem Entschluß strenge Buße in den Bergen des Himalaya. Sie wünscht sich, daß ich ihr Ehemann werde. Ihre beiden Dienerinnen warten ihr auf, und alle anderen Sehsüchte hat sie aufgegeben, oh Brahmanen. Ihr Entschluß ist sehr resolut. Bitte geht zu ihr, oh ihr vorzüglichen Weisen, und prüft in Liebe ihre Willenskraft. Und auf mein Geheiß, ihr Tugendhaften mit den guten Riten, dürft ihr auch ohne Zögern trickreiche Mittel oder kritische Worte gebrauchen.

Brahma erzählte weiter:
Zügig eilten die Weisen zur Mutter des Universums, der strahlenden Tochter des Himavat. Sie erblickten in ihr die personifizierte Askese, verbeugten sich im Geiste vor ihr, wurden freundlich geehrt und willkommen geheißen und sprachen dann:
Sag, Bergestochter, warum übst du Buße? Welchen Gott wünschst du milde zu stimmen? Und zu welchem Zweck? Bitte, sag uns das.

Und aufrichtig antwortete Parvati:
Oh ihr Weisen, hört meine Antwort mit liebender Güte. Ich sage euch nur, was ich auf meine Weise erkenne. Vielleicht lacht ihr mich aus, weil ihr meine Absicht unmöglich findet. Ich zögere, euch alles zu enthüllen, doch ihr habt mich gefragt, oh Brahmanen. Also, was kann ich tun? Mein Geist ist entschlossen, mit aller Anstrengung eine große Aufgabe zu vollbringen. Es ist beinahe so unmöglich, wie eine hohe Mauer auf Wasser zu errichten. Auf Bitten eines himmlischen Weisen übe ich Askese mit dem Wunsch, mich mit Shiva zu verbinden. Beharrlich versucht das noch flugunfähige Vöglein meines Geistes sich zu erheben. Möge Lord Shiva, dieser Ozean an Mitgefühl, meinen Wunsch erfüllen.

Als die Weisen ihre Antwort gehört hatten, ehrten sie Parvati im Geiste, doch laut sprachen sie trügerische Worte mit spöttischem Lachen:
Oh Tochter des Berges, du bist zwar reichlich klug, doch das Betragen dieses himmlischen Weisen kannst du nicht durchschauen, denn er ist zwar ein großer Lehrer doch auch unberechenbar. Narada ist ein Wortverdreher und führt gern andere an der Nase herum. Wenn du seine Worte für bare Münze nimmst, dann bist du verloren. Höre eine wahre Geschichte, die Licht auf Naradas Wirken wirft. Höre sie aufmerksam an, schärfe deinen Verstand und beherzige sie. Denn wir erzählen sie dir aus Liebe und Zuneigung. Auf Bitten Brahmas zeugte Daksha 10.000 Söhne. Er liebte sie sehr und führte sie an die Buße heran. Am heiligen See Narayana-Saras folgten sie dem Gebot ihres Vaters, was Narada sofort ausspionierte. Und mit hinterhältigen Worten lenkte er sie vom Pfade ab, den ihr Vater für sie vorgesehen hatte. In kürzester Zeit waren sie verschwunden und kehrten niemals wieder heim. Daksha war darüber sehr zornig, doch sein Vater Brahma beruhigte ihn, und er zeugte nochmals 10.000 Söhne. Auch für diese ernannte sich Narada selbst als Lehrer, und sie gingen den Weg ihrer Brüder ins Nirgendwo.

Oh Tochter des Himavat, Naradas Verhalten ist wohlbekannt. Höre noch weitere Beispiele, wie er andere beeinflußte. Den Chitraketu instruierte er und trieb ihn damit von seiner Familie fort. Nachdem er Prahlada belehrt hatte, mußte dieser viel Leid von seinem Vater Hiranyakasipu erdulden. Ja, Narada ist wahrlich jemand, der anderen den Verstand raubt. Denn wem auch immer er seine Lehren aufzwingt, der verläßt Heim und Herd und beginnt, nach Almosen zu betteln. Sein Antlitz ist zwar strahlend und hell, doch seine Seele dunkel, und wir müssen das wissen, denn schon lange kennen wir ihn. Man mag von Ferne den Storch für einen sanften Vogel halten, der niemals Fische frißt. Doch wer mit ihm lebt, der weiß es besser.

Auch du bist seinem Rat gefolgt, obwohl die Weisen dich rühmen, und hast dich narren lassen. Und nun folgst du dieser harten Askese. Oh junge Dame, der, für den du Qualen leidest, ist ein beständig gleichmütiges Wesen der keine emotionalen Störungen kennt. Und er ist unzweifelhaft ein Feind des Liebesgottes. Shiva mit dem Dreizack bevorzugt ein unangenehmes Äußeres, kennt keine Scham und hat weder ein Heim noch Vorfahren. Er ist nackt und häßlich und treibt sich mit Geistern und Kobolden herum. Dieser Lümmel von Narada hat dir allen Anstand geraubt. Mit vermeintlich guten Argumenten hat er dich getäuscht. Überleg dir doch selbst, wieviel Freude man mit einem solchen Ehemann haben kann. Erst hat er die fromme Sati geheiratet, doch der Tölpel konnte nicht mal für ein paar Tage einen Haushalt aufrecht erhalten. Dann beschuldigte er die große Göttin und zog sich von ihr zurück, um glückselig in tiefe Meditation über seine wahre, makellose und leidlose Form zu versinken. Er ist nicht für einen Moment zweisam, immer ohne Anhaftung und jenseits von Erlösung. Wie könnte ihn eine Frau ertragen?

Oh Gesegnete, kehre sogleich auf unser Bitten in dein Heim zurück. Gib dieses närrische Vorhaben auf. Das wird dir gut tun. Ein passender Ehemann wäre zum Beispiel Lord Vishnu für dich, denn er hat alle guten Eigenschaften. Er ist der Herrscher des himmlischen Vaikuntha, verfügt über Reichtum und ist sehr geschickt im himmlischen und weltlichen Handeln. Oh Parvati, mit ihm sollten wir deine Vermählung vorbereiten, denn er wird dich glücklich machen. Laß ab von deiner Vernarrtheit und sei wieder froh.

Doch Parvati, die Mutter des Universums, lächelte nur und gab zur Antwort:
Oh ihr Weisen, eure Worte mögen im Lichte eurer Wahrnehmung richtig sein. Doch mein Entschluß gerät durch euch nicht ins Wanken. Ich wurde von einem Berg gezeugt und so wurde mir eine gewisse Zähigkeit des Körpers angeboren. Bitte denkt nur eine Weile darüber nach und laßt ab von eurem Plan. Ich werde niemals den heilsamen Vorschlag von Narada mißachten, denn alle vedischen Gelehrten loben den Rat des Lehrers. Wer seinem Lehrer vertraut, wird immer glücklich sein, hier in dieser und der nächsten Welt. Und wer an seinem spirituellen Lehrer im Herzen Zweifel hegt, der wird nur Kummer erfahren. Niemals sollte man den Rat des Lehrers ablehnen, führt er nun in die Häuslichkeit oder ins Betteln. Mein Entschluß steht fest und bereitet mir Wohlbehagen für immer und ewig. Und eure Worte, ihr Weisen, kann man auch anders verstehen. Ich werde es euch kurz erklären.

Ich widerspreche nicht, wenn ihr Vishnu als ein Schatz an edlen Eigenschaften beschreibt, der immerzu göttlich wirkt. Und wenn ihr Shiva als völlig eigenschaftslos bezeichnet, dann sage ich euch folgendes dazu: Shiva ist das Brahman, unveränderlich und still, das personifizierte Glück. Doch für das Wohl seiner Verehrer nimmt er Form und Eigenschaften an. Um die weltliche Herrschaft macht er kein Aufhebens. Und daher nimmt er die Gestalt und das Verhalten eines Yogis an. Ein Interesse für Schmuck und Kleidung findet man nur in den Verblendeten, die nicht eins sind mit dem Brahman. Der Herr jedoch ist ohne Attribute, ungeboren, frei von Verblendung, mit unergründlichem Wirken und ein kosmisches Wesen. Oh Brahmanen, Shiva segnet nicht aufgrund von Glaubens- oder Kastenzugehörigkeit. Ich selbst erkenne Shiva nur durch den Segen des Lehrers. Wenn Shiva mich nicht heiratet, werde ich Jungfrau bleiben. Das ist die Wahrheit. Und wenn die Sonne im Westen aufginge, der Berg Meru sich von der Stelle bewegte, wenn das Feuer kühl wäre und der Lotus auf einem Stein wüchse - mein Entschluß kann nicht abgeändert werden. Ja, ich sage euch die Wahrheit.

Brahma sprach weiter:
Dann verbeugte sie sich vor den Weisen, schwieg und dachte an Shiva mit unerschütterlichem Geist. Die Weisen erkannten wohl, wie resolut Parvati war, lobten sie und überschütteten sie mit vielen Segnungen. Dann beugten sie vor der Göttin ihre Häupter und eilten freudig zu Shiva, um ihm alles zu berichten. Und von ihm respektvoll verabschiedet, kehrten sie in den Himmel zurück.


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