Brahma erzählte:
Nach einiger Zeit empfing die hingebungsvolle Varangi und brachte nach vielen Jahren einen gewaltigen Sohn zur Welt. Er war riesig von Gestalt, unbeschreiblich stark und ließ die zehn Himmelsrichtungen erglänzen. Zu seiner Geburt nahmen die Götter bestürzt viele gräßliche und furchterregende Omen im Himmel, auf Erden und in den göttlichen Sphären wahr. Ich werde sie dir aufzählen, mein lieber Narada. Mit schrecklichem Donnergetöse fielen von Blitzen umzuckte Kometen herab. Gleichzeitig rauschten flammende Meteore hinauf und peinigten die Welt. Die Erde mit ihren Bergen erbebte, die Himmelsrichtungen loderten auf, und Flüsse und Meere wogten heftig. Rauhe Winde zischten heran, wirbelten Staubwolken wie Banner auf und entwurzelten so manchen Baum. Dunstige Lichthöfe bildeten sich um Sonne und Mond, welche der Dämon Rahu packte, und kündeten von nahendem Unheil und großer Furcht. Aus den Spalten und Klüften der Berge ertönte ein beklemmendes Stöhnen und Rumpeln. In den Dörfern heulten unheilvolle Fähen und spuckten Feuer, während Eulen und Schakale in das Gejaule einstimmten. Die Hunde hoben ihre Schnauzen gen Himmel und bellten, daß es mal wie Jammern und mal wie Gesang klang. Herden von verrückt gewordenen Eseln rannten schreiend herum und scharrten mit ihren Hufen die Erde auf. Die Vögel stoben erschreckt von ihren Nestern und flatterten aufgeregt und wild schreiend durcheinander, ohne Ruhe zu finden. Die Tiere in Stall und Wald streiften unruhig und aufgeregt herum. Wer seine Haustiere führen wollte, konnte sie ziehen oder schlagen, sie folgten nicht, sondern ließen nur ängstlich und verwirrt überall Urin und Dung fallen. Panischen Kühen lief das Blut aus den Eutern, und die Tränen quollen ihnen aus den Augen. Und die dunklen Wolken regneten verfaultes Wasser. Die Abbilder der Götter schienen zu weinen und davonzufliegen. Mancher Baum fiel einfach um, auch wenn gar kein Sturm war. Und die Planeten im Himmel prallten zusammen. Ja, es waren gräßliche Zeichen, so daß Unwissende meinten, der Untergang des Universums stünde bevor.
Kasyapa nannte den mächtigen Buben wohlmeinend Taraka. Schnell wuchs der Jüngling zu einem starken Helden heran, und sein stahlharter Körper glich dem Herrn der Berge. Mit hohem Geist bat Taraka seine Mutter um die Erlaubnis, Askese zu üben. Sie war einverstanden, und so widmete sich der Starke, der die große Macht zur Täuschung besaß und selbst Meister der Magie verwirren konnte, strenger Enthaltsamkeit mit dem Ziel, die Götter zu unterwerfen. Er folgte genauestens den Anweisungen der Älteren und Lehrer, ging zum Madhu Wald und ehrte mich, Brahma, mit seiner Buße. Für hundert Jahre erhob er seine Arme, stand nur auf einem Bein und starrte in die Sonne. Mit festem Geist führte er alle heiligen Riten durch. Für weitere hundert Jahre stand er unbewegt, und nur eine große Zehe berührte noch den Boden. Hundert Jahre trank er nur Wasser, hundert Jahre lebte er nur von Luft, hundert Jahre verweilte er im Wasser und die nächsten hundert Jahre stand er auf trockenem Land. Dann verbrachte er hundert Jahre inmitten lodernder Feuer, stand für hundert Jahre auf dem Kopf und weitere hundert Jahre auf seinen Handflächen. Dann hängte er sich hundert Jahre mit dem Kopf nach unten an einen Ast und inhalierte den Rauch des Opferfeuers. Das war eine Askese, die schon für diejenigen, die nur davon hörten, schwer zu ertragen war. Doch dieser vorzügliche Dämon ertrug alles mit Inbrunst, während helles Licht von seinem Haupt ausstrahlte und alles in Aufruhr versetzte. Schon von diesem Licht wurden die Welten der Götter beinahe verzehrt, und die himmlischen Weisen litten schwere Not.
Indra war aufs Äußerste besorgt und erregt und dachte:
Hier übt jemand Askese, um sich meiner Position zu ermächtigen. Ein solchermaßen meisterhafter Geist kann im Nu den ganzen Kosmos vernichten.
Auch andere hatten solche Gedanken, doch keiner wußte, was zu unternehmen sei. So versammelten sich die Götter, berieten sich in ihrer Not und kamen zu meiner Sphäre. Sie verbeugten sich vor mir, priesen mich mit gefalteten Händen und erzählten mir von ihrer Furcht. Und ich kam zu dem Schluß, daß ich vor den Dämon treten müßte und ihm einen Segen gewähren.
Ich sprach zu Taraka:
Sag mir, welchen Wunsch du hegst, denn du hast strengste Askese geübt. Es gibt nichts, was dir nicht gewährt werden könnte.
Der große Taraka verbeugte sich vor mir, sprach ehrende Worte und bat um einen schrecklichen Segen:
Oh Großer Vater, wenn du zufrieden bist und bereit, mir einen Segen zu gewähren, was könnte ich dann nicht erreichen? So bitte ich um folgendes, bitte hör mich an. Oh Herr der Götter, ich möchte zwei Segen. Es soll kein Mann in dem ganzen, von dir geschaffenen Universum mir an Kraft gleichen. Nur wenn Shiva ein Sohn geboren wird, der zum Kommandeur der himmlischen Streitkräfte ernannt wird und sich mir in Waffen entgegenstellt, dann möge mich der Tod ereilen.
Diese beiden Segen gewährte ich dem Dämon und eilte zurück in mein Reich. Auch Taraka kehrte glücklich in die Stadt Shonita heim, und wurde dort mit dem Einverständnis von Shukra, dem Lehrer der Dämonen, zum König der drei Welten gekrönt. Dann etablierte er sich als Anführer der Welten. Zwar beschützte er seine Untertanen, doch die Götter quälte er sehr. Er nötigte den Wächtern der Himmelsrichtungen ihre Juwelen und Schätze ab, die sie ihm aus Furcht auch überließen. Indra gab ihm aus Angst seinen Elefanten Airavat, Kuvera seine neun Schätze, Varuna seine weißen Pferde, die Weisen gaben die wünscheerfüllende Kuh Surabhi und die Sonne das göttliche Pferd Uchaisravas. Sofern Taraka etwas Feines erspähte, nahm er es sich auch mit Gewalt. Und die drei Welten wurden arm an kostbaren Dingen. Die Meere gaben ihm ängstlich alle Perlen. Selbst ohne beackert und bearbeitet zu werden, trug die Erde vorsorglich überreiche Früchte. Die Sonne schien mild, um ihn nur ja nicht zu verärgern. Der Mond zeigte immer sein glänzendes Licht, und die Winde wagten nur, sanft zu blasen. Alle Reichtümer verließen die Götter, Ahnen und Weisen, denn Taraka raffte sie an sich. Als er die drei Welten unter Kontrolle hatte, erklärte er sich zum Indra, zum König der Götter. Und er wurde zum unbestrittenen Herrscher, welcher mit vollkommener Selbstkontrolle regierte. Auch entließ er die Götter und setzte Dämonen an ihrer statt ein. Und so machte er die Götter zu seinen Sklaven und peinigte sie, welche hilflos und aufgeregt bei mir Zuflucht suchten, allen voran Indra.