Pushpak Shiva-Purana Buch 4Zurück WeiterNews

Kapitel 29 - Satis Vorwürfe

Brahma sprach:
Sati gelangte schnell zu dem Ort, an dem das bunt strahlende Opfer durch den Enthusiasmus der Götter und Weisen seinen Lauf nahm. Sie sah das Haus ihres Vaters, welches mit vielen, kostbar glänzenden Dingen angefüllt war, und schaute auch auf die Scharen der himmlischen Gäste. Die Göttin hielt am Tor an, stieg von Nandi ab, und ging allein und zu Fuß zum Opferplatz. Ihre Mutter und die Schwestern grüßen sie respektvoll, doch ihr Vater Daksha zeigte kein Zeichen der Freude, als er sie erblickte. Und alle anderen trauten sich aus Angst vor Daksha nicht, sie freudig und in Ehren zu empfangen. Sati verbeugte sich vor ihren Eltern, doch dann starrte sie überrascht in die Runde. Sie erblickte all die Anteile für die Götter, doch keinen für Shiva. Da erhob sich Zorn in der Göttin, denn sie fühlte sich herabgewürdigt.

Mit brennendem Blick starrte sie erst auf die Gäste und dann auf ihren Vater und sprach:
Wie kann es sein, daß du Shiva nicht eingeladen hast, wo er doch das ganze Universum heiligt? Was ist das für ein Opfer ohne Shiva, der das Opfer selbst ist, der jedes Opfer ausführt, der der Lohn eines jeden Opfers ist und der alles über Opfer weiß? Jeder Ritus ohne ihn ist unrein. Und alles wird rein, wenn man sich nur an ihn erinnert. Die benötigten Dinge fürs Opfer, die Gaben an die Götter und Ahnen, die Mantras - alles ist mit Shiva identisch. Wie kann es sein, daß er in diesem Opfer fehlt? Mißachtest du ihn etwa und hältst ihn für einen gewöhnlichen Gott? Dann bist du unvernünftig und gemein geworden, auch wenn du mein Vater bist. Kennst du denn Shiva nicht mehr, den großen Herrn, dem Vishnu, Brahma und die anderen dienten und von ihm ihren Status erhielten? Und wie können Vishnu, Brahma und die anderen hier sein ohne ihren Herrn?

Nun wandte sich Sati tadelnd an alle Himmlischen:
Oh Vishnu, hast du die wahre Natur Shivas vergessen, von dem auch die Veden als mit und ohne Attribute sprechen. Er hat viele Male deine Hand gehalten und dich auf den rechten Pfad geführt, doch wie dein Feind König Shalva hast du alles vergessen, denn du möchtest einen Anteil an diesem Opfer ohne Shiva. Und Brahma, einst hattest du fünf Gesichter, doch als du Feindschaft gegen Shiva hegtest, machte er dich zum Gott mit den vier Gesichtern. Das hast du wohl auch vergessen. Indra, erinnerst du dich nicht an den Heldenmut des großen Herrn? Er hat einst deinen Donnerblitz zu Asche verbrannt. Und ihr anderen, Atri, Vasishta und ihr Weisen, kennt ihr nicht mehr die Macht Mahadevas? Was macht ihr hier nur? Als Shiva einst als Bettler in der Gegend von Daruvana wanderte, da verfluchtet ihr ihn. Wie kann es sein, daß ihr seine Reaktion auf euren Fluch vergessen habt. Das ganze Universum wurde von seinem Linga verbrannt. Ihr müßt alle närrisch geworden sein, wenn ihr euch hier ohne Shiva zum Opfer versammelt. Der Große mit der gezügelten Rede kann nur durch Selbsterkenntnis realisiert werden und nicht durch das Befolgen von vedischen Ritualen und das leere Rezitieren von heiligen Texten allein.

So sprach die Mutter des Universums mit von Zorn gepeinigtem Herzen. Die Götter blieben stumm mit verwirrtem Geist, doch Daksha antwortete seiner Tochter kalt und ungerührt:
Sanfte Dame, du gewinnst nichts durch deine vielen Worte. Bleib oder geh. Warum bist du überhaupt gekommen? Dein Ehemann ist den Weisen bekannt als einer, der Unglück bringt. Weder stammt er aus einer edlen Familie, noch regiert er über Edle, denn seine Untertanen sind Kobolde und Gespenster. Er steht außerhalb der vedischen Riten. Ja, ich habe diesen Shiva in seiner anstößigen Kleidung und den unangenehmen Gesichtszügen nicht zum Opfer der Götter und Weisen eingeladen. Da Brahma es wollte, habe ich dich dem hochnäsigen Shiva übergeben, der sich an keine Tradition hält. Dadurch wurde ich zum Sünder, denn ich handelte nicht klug. So laß deinen Ärger fahren und beruhige dich. Lächle für uns. Und da du den langen Weg einmal gemacht hast, so nimm deinen Anteil vom Opfer entgegen.

Tochter Sati konnte in ihrem Vater nur Verachtung sehen und ärgerte sich sehr. Im Innern dachte sie:
Wie kann ich zu Shiva heimkehren? Oh ja, ich möchte bei ihm sein, doch was sage ich, wenn er mich hierzu befragt?

Mit schweren, zornigen Seufzern sprach da die Mutter der drei Welten zu ihrem niedriggesinnten Vater Daksha:
Wer Shiva tadelt oder zuhört, wie er getadelt wird, geht in die Hölle ein solange Sonne und Mond bestehen. Ich werde ins Feuer gehen und meinen Körper ablegen. Ach Vater, welchen Sinn hat ein Leben für mich, indem ich offenbar so niedrig bin, daß ich verächtliche Bemerkungen über meinen Herrn anhören muß? Gäbe es nur einen mächtigen Mann, der dem Verleumder von Shiva die Zunge abschneidet, dann wären beide von ihren Sünden erlöst. Ein nicht so Mächtiger kann sich zumindest die Ohren zuhalten und den Ort verlassen. Dann bleibt auch er rein.

Nach diesen tugendhaften Worten hielt Sati kurz inne, erinnerte sich an Shivas Worte und bereute ihre überhastete Reise mit kummervollem Herzen. Dann sprach sie ohne zu zögern noch einmal und fachte den Zorn in ihrem Vater nur noch weiter an:
Verehrter Vater, daß du Shiva jetzt haßt, wirst du schnell bereuen. Erst wird dich Todesangst ereilen und dann lange Qual. Wer kann denn nur gegen Shiva, das große Selbst, sein, der immer frei von schädlichen Gefühlen ist, ja, der niemanden in den Welten selbstsüchtig liebt oder haßt? Wenn Große wenig geachtet werden, kommt das aus Rivalität zwischen bösen Leuten. Doch dieses Übermaß an träger Unwissenheit wird gerade vom Staub der Lotusfüße der Großen gezügelt, damit Frieden ist. Wer nur die beiden Silben „Shi“ und „va“ murmelt, ist schon von Sünde befreit. Und ich verstehe es nicht, daß gerade du so gemein bist und böse Gefühle gegen Shiva hegst. Er ist doch der Herr von allem, er ist heiliger als alles Heilige, und sein Gebot kann nicht übertreten werden. Oh, du bist ein Feind Shivas. Welch ein Unglück, daß deine Torheit dich Shiva mißachten läßt. Er ist der Wohltäter der Welten. Um seine Füße summen die Geister hoher Seelen wie Bienen. Er ist es, der allen Segen gewährt, auch den der Erkenntnis des Selbst.

Halten auch seine Schüler wie Brahma, Sanaka und die anderen Shiva für unheilig? Ja, er wohnt mit den Kobolden auf Begräbnisplätzen, hält Totenschädel in seinen Händen und trägt verfilzte Haare. Und doch tragen die Weisen und Götter den Staub von seinen Füßen auf ihren Häuptern. Solcherart ist die Natur von Shiva, dem großen Gott. Wenn auch die Gelehrten das Handeln und Nichthandeln in der Welt unterscheiden und nicht miteinander vereinen können, in Shiva, dem höchsten Brahman, verlieren beide ihre Wirkung. Wir sollten nicht den Pfad des sturen Egoismus gehen, wie es eben in eurem Opfer geschieht. Das widerspricht dem Sinn des Opferfeuers. Wir sollten dem guten Pfad der Heiligen folgen - nicht an die Welt und ihre Wünsche gebunden. Oh Vater, es gibt keinen Grund für dich, so ablehnend und überheblich zu sein. Doch wozu weiterreden? Du hörst mich nicht. In jeder Hinsicht bist du verdorben. Was habe ich nun noch zu schaffen mit diesem Körper, den du gezeugt hast?

Schande über den, der immerzu hinterhältig ist und unablässig für unaussprechliche Verwerflichkeit sorgt. Ein vernünftiger Mensch sollte den Kontakt mit so einem vermeiden. Doch ich bin ein Nachkomme deines Geschlechts, wie es Shiva oft gesagt hat, und mein Name ist mit deinem verbunden, was mich nun zutiefst quält. Ich werde diesen Körper von dir ablegen, denn er ist nur noch ein toter Leichnam. Es ist angemessen, ihn zu verstoßen, um Glückseligkeit zu erlangen.

Oh ihr Götter und Weisen, hört wenigstens einmal meine Worte. Eure Taten sind nicht gut, und ihr wurdet niedrig. Ihr seid verblendet. Ihr genießt es, Shiva zu mißachten und mit ihm in Uneinigkeit zu sein. Doch das wird jedem von euch seine Strafe von Shiva einbringen.

Dann schwieg Sati, und dachte an ihren lieben Herrn.


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