Pushpak Shiva-Purana Buch 4Zurück WeiterNews

Kapitel 25 - Trennung von Sati und Shiva

Rama sprach:
Vor langer Zeit, oh Göttin, rief Shiva, der urerste und höchste Schöpfer, den Visvakarma und alle Götter zu sich in die höchste Region. Er bat den himmlischen Baumeister, eine große Halle mit einem vorzüglichen Thron darin zu errichten, und außerdem einen exzellenten, göttlichen und wunderbaren Schirm, der alle Hindernisse abwenden konnte. Die Götter mit ihren Gemahlinnen, die Siddhas, Gandharvas, Nagas, die Instruktionen und Schriften, Brahma mit seinen Söhnen, die Weisen und Apsaras kamen ebenfalls hinzu und brachten alle nötigen Artikel für ein großes Opferfest mit. Außerdem waren 16 göttliche Jungfrauen anwesend für die besondere, glücksverheißende Zeremonie. Viele Instrumente wurden gespielt, Lieder gesungen und Tänze getanzt für viel Pomp, damit die Krönung herrlich wurde. Allerlei Kräuter wurden gebracht und fünf Krüge mit heiligem Wasser aus sämtlichen geheiligten Flüssen. Es wurden die vedischen Mantras laut rezitiert, und Shiva rief Vishnu aus Vaikuntha herbei. Dieser kam sofort, und Shiva war entzückt über dessen vollkommene Hingabe. Und in einer besonderen Stunde krönte Shiva den Vishnu, setzte ihn auf den Thron und schmückte ihn freudig auf jede Weise. Er setzte Vishnu eine wunderschöne Krone aufs Haupt, und die heilige Schnur wurde ihm um die Hüfte geschlungen. Was immer Shiva geben konnte, das verlieh er Vishnu mit Lobgesang, denn seine Anhänger beschenkt er immer überreich. Zwar bewegt er sich völlig unabhängig, aber an die Segen, die er verleiht, zeigt er sich stets gebunden.

So sprach Shiva zu Brahma, dem Schöpfer:
Oh Herr, möget ihr alle meine Bitte hören. Von nun an sei Vishnu meines und des Respekts aller Götter für immer würdig. Ihr Lieben, verbeugt euch vor ihm. Mögen die Veden ihn immer erheben, wie sie es mit mir tun.

Rama fuhr fort:
Indem er dies sagte, verbeugte sich Shiva selbst vor Vishnu mit Garuda in seinem Banner. Er, der Große, fühlte große Freude in seiner Hingabe an Vishnu. Und sogleich wurde Vishnu auch von den Göttern und allen Anwesenden geehrt. Dann übergab Lord Shiva Vishnu noch viele Segen.

Shiva sprach:
Auf mein Bitten bist du von nun an Schöpfer, Erhalter und Vernichter der Welten. Du spendest Segen, Tugend, Wohlstand und Liebe und strafst die Übeltäter. Du wirst der Herr des Universums sein und daher der Verehrung des Universums würdig. Du wirst in der Schlacht unbesiegbar sein, sogar gegen mich, denn du wirst über große Stärke und Heldenmut verfügen. Die drei Shaktis (zum Schöpfen, Erhalten und Vernichten) werden dein sein, die ich dir übergebe. Du wirst die Macht haben, alle Arten von himmlischen Werken auszuführen, und dabei unabhängig von den drei Welten sein. Oh Vishnu, wer dich mißachtet, wird von mir angemessen gestraft und gezügelt werden. Und deinen Anhängern verleihe ich die Erlösung. Akzeptiere auch die Illusionskraft von mir, welche das ganze Universum täuscht, die Wesen verkörpert und sogar die Götter überwältigt. Oh Vishnu, du bist meine linke Hand, Brahma meine rechte, und Rudra ist mein Herz. Sei du Brahmas Beschützer und achte Rudra, der denselben Respekt verdient wie Brahma und die anderen Götter. Verweile hier, und beschütze das ganze Universum, indem du viele Inkarnationen annimmst und handelst. Dieser Ort der höchsten Glückseligkeit und Pracht hier in meinem Reich wird in den Welten als Goloka berühmt werden und über alles strahlen. Oh Vishnu, wenn ich deinen Inkarnationen auf Erden begegne, wird mich deine Hingabe zutiefst erfreuen.

Rama sprach:
Nachdem er Vishnu solcherart unbegrenzten Wohlstand verliehen hatte, verbrachte Shiva wieder seine Zeit auf dem Kailash mit seinem Gefolge. Also nahm Vishnu, der Gatte der Lakshmi, die Gestalt eines Kuhhirten an und wanderte vergnügt als Herr der Hirten und Kühe umher. Auch mit vielen anderen Inkarnationen beschützt Lord Vishnu seither das Universum und erhält es, wie es Shiva geboten hatte. Zur Zeit hat er eine vierfache Inkarnation gewählt, um Shivas Bitte nachzukommen. Ich, Rama, und meine Brüder Lakshmana, Bharata und Shatrughna sind seine Manifestationen auf Erden. Oh Göttin Sati, dem Wort meines Vaters gehorsam wandere ich durch diesen Wald, doch ich bin zutiefst bekümmert. Denn meine Gattin Sita wurde von einem Dämon geraubt, und ich suche verzweifelt nach meiner geliebten Gefährtin. Oh Mutter Sati, doch da ich dich sah, muß mein Schicksal ein gutes sein, denn es gibt keinen Zweifel daran, daß durch deine Gunst alles gut enden wird. Mit deinem Segen werde ich Sita zurückgewinnen und den üblen Dämon töten, der so viel Terror verbreitet. Ja, es ist ein glückliches Zeichen, daß du und Shiva mit mir Mitgefühl habt. Der Mensch, dem eure Gnade gilt, ist höchst gesegnet.

Nach diesen Worten verneigte sich Rama viele Male und ging mit ihrer Erlaubnis wieder seiner Wege. Und Sati war entzückt, die ganze Geschichte gehört zu haben. In ihrem Herzen pries sie Rama wegen seiner Hingabe an Shiva. Doch als sie an ihr Verhalten dachte, war sie bestürzt und beschämt. Bleich und niedergedrückt kehrte sie zu Shiva zurück. Sie grübelte:
Ich habe Shivas Wort nicht vertraut und hielt an meinem unsinnigen Gedanken über Rama fest. Was soll ich meinem Gatten nur sagen?

Voll schmerzlicher Reue trat sie vor Shiva hin, verbeugte sich im Geiste vor ihm, und war kummervoll und blaß. Shiva bemerkte ihre Verwirrung und fragte:
Oh, ist die Prüfung vorüber?

Da beugte sie ihr Haupt tief, bebte und konnte nicht antworten. Shiva, der große Yogi, meditierte nur kurz und verstand alles, was in Sati vorging. Und er erinnerte sich an das Versprechen, das er Vishnu einst gab, und welches nun von ihm, dem Herrn, Gründer und Beschützer der Gerechtigkeit einzuhalten war. Er dachte bei sich:
Wenn ich meine Liebe zu Sati weiterhin so betreibe, breche ich mein Versprechen. Doch (für die Welt) fühle ich mich an die weltlichen Regeln gebunden.

Und Brahma fuhr fort:
So überlege Shiva eine Weile und beschloß, von Sati im Geiste Abstand zu nehmen und seinen Eid einzuhalten. Zu Sati sprach er darüber kein Wort und kehrte mit ihr zum Kailash in seine Heimstatt zurück. Auf dem Weg hörten sie eine Stimme aus dem Himmel:
Oh großer Herr, du bist wahrlich gesegnet. Es gibt keinen besseren Yogi oder größeren Herrn als dich in allen Welten. Niemand kann sich mir dir vergleichen, und niemand sonst könnte ein solches Verspechen einhalten.

Als die Göttin die Worte der himmlischen Stimme vernahm, verlor sie allen Glanz und bat Shiva:
Mein Herr, bitte erkläre mir, welches Verspechen du gegeben hast.

Doch milde, wie er zu Sati immer war, enthüllte Shiva den Eid nicht, den er einst in Gegenwart von Vishnu schwor. So versenkte sich Sati in Meditation über ihren geliebten Gemahl und erkannte, daß er sich auf gewisse Art von ihr entfernt hatte. Da erfüllte sie große Trauer, und sie seufzte schwer. Shiva erzählte ihr wohl dies und das, doch den Inhalt des Eides verriet er ihr nicht. Auf dem Kailash angekommen, setzte sich Shiva, der Yogi, nieder, versank in tiefe Trance und meditierte über seine wahre Essenz. Sati blieb in der Nähe, von Kummer überwältigt, und niemand konnte erkennen, warum sich die beiden so verhielten. So verging eine lange Zeit, in der Gott und Göttin scheinbar den Konventionen der Welt folgten, und das jeder in seinem Körper, den er dafür angenommen hatte.

Dann beendete Shiva, der große Beschützer, seine Meditation, und sogleich erschien Sati vor ihm. Sie verbeugte sich vor ihm mit Qual im Herzen, und gütig bot ihr Shiva einen Sitz an. Er sprach zu ihr über viele Dinge, entfaltete seine himmlische Kraft und tröstete sie. Nach und nach gewann sie ihre frühere Freude und Glückseligkeit zurück, obwohl er seinen Eid nicht vergaß. Oh mein lieber Narada, das muß niemand als unmöglich im huldvollen, großen Lord Shiva ansehen. Es gibt sicher viele Gelehrte, die über die Trennung von Shiva und Sati erzählen, doch wie kann es zwischen den beiden wahre Trennung geben? Wer erkennt schon die Essenz von Shiva und Sati und versteht ihre Handlungen in der Welt? Sie bewegen sich aus eigenem Willen und existieren ewig. Shiva und Sati sind untrennbar miteinander verbunden wie die Worte mit ihrer Bedeutung, und nur wenn sie es wünschen, erscheinen sie uns getrennt.


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