Pushpak Shiva-Purana Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 18 - Die Sühne Gunanidhis

Brahma fuhr fort:
Als der üble Sohn von seiner Verbannung erfuhr, da bereute er zutiefst, verfluchte sich und verließ den Ort. Ziellos wanderte er eine lange Zeit herum, fühlte die scharfen Pfeile, die auf ihn gefallen waren, und verlor alle Hoffnung. Irgendwo hielt er inne und fragte sich:
Wohin soll ich gehen? Was soll ich tun? Weder habe ich viel studiert noch bin ich reich. Nur ein wohlhabender Mann kann glücklich in fremden Landen leben, auch wenn er die Angst vor Dieben verkraften muß. Aber diese Angst ist ja überall. Ich wurde in eine Familie von Priestern geboren, die bei Opferzeremonien die Riten vollführen. Warum nur geht es mir nun so elend? Das Schicksal ist wahrlich mächtig und kontrolliert all unser Handeln. Ich habe kein Geld und kann nicht mal betteln, denn ich kenne hier niemanden. Wo kann ich Hilfe finden? Ach, sonst pflegte meine Mutter mich täglich zu Sonnenaufgang mit süßem Pudding zu sättigen. Doch wen soll ich heute darum bitten? Und meine Mutter ist zu weit weg.

Oh Narada, als er so unter einem Baum saß und sich beklagte, da ging die Sonne unter. Zur gleichen Zeit kam ein Shiva Anhänger aus der Stadt und trug alles Nötige für ein Opfer mit sich. Er hatte zu Shivaratri gefastet und wollte nun nebst seiner Familie Lord Shiva mit vielen, köstlichen Dingen verehren. So betrat der Anhänger den Shiva Tempel, wo er mit der demütigen Verehrung begann. Gunanidhi, ohne Mutter und vom Vater verstoßen, war nun mittlerweile sehr hungrig. Er roch den süßen Duft der Opfergaben und folgte dem Anhänger.

Er dachte:
Sicher werden diese Anhänger nach der Zeremonie einschlafen, und ich kann die Süßigkeiten für Shiva in der Nacht essen.

Mit dieser Absicht setzte er sich an der Schwelle des Tempels nieder und beobachtete die Zeremonie. Als die große Verehrung vorüber war und alle Gesänge und Gebete getan, da legten sich die Anhänger nieder und schliefen ein. Sogleich schlich sich der Jüngling ins Heiligtum, um das Essen zu stehlen. Doch die Lampe glomm nur fahl, und er konnte den Pudding nicht erkennen. So riß er ein Stück seiner Kleidung ab, um den Docht und damit das Licht zu verbessern. Voller Freude schaute er nun auf die vielen, köstlichen Süßigkeiten, die Lord Shiva von seinen Verehrern angeboten worden waren. Schnell griff er sich einige Stücke und rannte eilends davon. Doch auf seiner wilden Flucht trat er auf einen der Schlafenden, der sogleich erwachte.

Wer ist das? Wer rennt hier so schnell davon? Ergreift ihn!
So schrie der Mann mit lauter und durchdringender Stimme.

Und der Brahmanenjunge Gunanidhi rannte um sein Leben. Doch er erblindete, und die Wächter packten und töteten ihn. Nun Narada, es war die Gunst Shivas und sein angesammelter Verdienst, daß es dem Sohn des Yajnadatta nicht gelang, von den Opfergaben für Shiva zu essen.

Die mit Schlingen und Keulen bewaffneten Diener Yamas kamen sogleich, um Gunanidhi ins Reich Yamas zu bringen. Sie ergriffen und banden ihn. Doch gleichzeitig erschienen die Diener Shivas mit Dreizacken in ihren Händen und klingenden Armreifen in luftigen Wagen, um ihn ins Reich Shivas zu führen.

Sie sprachen zu Yamas Gefolge:
Oh Wächter Yamas, laßt diesen gerechten Brahmanen los. Er kann nicht mehr bestraft werden, denn seine Sünden sind bereits verbrannt.

Verstört antworteten die Diener Yamas:
Wie kann das sein, oh Ganas? Dies ist ein sündiger Brahmane, der alle Traditionen und Regeln seiner Familie gebrochen hat. Er mißachtete die Anweisungen seines Vaters und gab jegliche Wahrhaftigkeit und Reinheit auf. Er sprach niemals die Sandhya Gebete und nahm nicht regelmäßig das heilige Bad. Und da sprechen wir noch gar nicht von seinen anderen Übeltaten. Er wagte es eben noch, die Opfergaben für Shiva zu stehlen und damit alle Anstandsgrenzen zu übertreten. Er ist es nicht wert, von euch ehrenwerten Dienern Shivas auch nur berührt zu werden. Denn so jemand gilt als sehr sündig, und der Umgang mit ihm ist noch gefährlicher, als Gift zu trinken. Niemals sollte jemand Shivas Eigentum mißachten, auch wenn er stürbe. Doch ihr seid eine Autorität in Tugend, das ist sicher. Wir sind es nicht. So laßt es uns wissen, wenn dieser Schurke auch nur ein Fitzelchen Verdienst haben sollte.

Da gedachten die Ganas der Lotusfüße Shivas und erwiderten:
Oh Anhänger von Yama, Shivas Verständnis vom Dharma ist sehr subtil. Es kann nur von Wesen mit ebenso subtilem Geist und klarster Sicht erkannt werden, und leider nicht von euch, die ihr noch im Groben behaftet seid. Also hört, was diesen Sohn von Yajnadatta heute von seinen Sünden befreit hat. Der Schatten der Lampe fiel auf die Spitze des Lingas, und der Jüngling hat das Linga wieder erleuchtet, als er einen Fetzen seiner Kleidung um den Docht gewickelt hat. Auch hat er sich großen Verdienst gewonnen, als er während des Ritus den Namen Shivas gelauscht hat, auch wenn das nur beiläufig geschah. Er beobachtete die Verehrung, welche die Anhänger im Tempel ausführten. Dabei hat er gefastet, und sein Geist war konzentriert. Laßt ihn also mit uns gehen, und als Shivas Gefolgsmann für einige Zeit große Freude erfahren. Dann wird er alle Sünden abschütteln und der König von Kalinga werden, denn er ist Shiva lieb. Und nichts weiter sollten wir noch sagen. Möget ihr Boten von Yama nun mit zufriedenem Geist heimkehren.

Was die Diener Yamas taten und dort ihrem Herrn alles erzählten. Und Yama sprach zu seinem Gefolge:
Hört, meine Getreuen, hört mir aufmerksam zu. Und was ich euch sage, sollte ihr mit liebevoller Hingabe befolgen. Meidet die Menschen, welche auf ihrer Stirn das Tripundra Zeichen tragen. Bringt sie niemals hierher zu mir. Meidet jene Menschen, welche regelmäßig ihren Körper mit weißer Asche einschmieren. Bringt sie niemals hierher zu mir. Meidet diese Menschen, welche die Kleider von Shiva und sein Wesen annehmen, aus welchem Grund auch immer. Bringt sie niemals hierher zu mir. Meidet die Menschen, welche Rudrakshas tragen und ihre Haare verfilzen lassen. Bringt sie niemals hierher zu mir. Meidet auch jene Menschen, welche die Kleider und den Schmuck Shivas tragen, selbst wenn sie damit nur ihren Lebensunterhalt verdienen oder sogar Betrug im Sinn haben. Bringt sie niemals hierher zu mir.

So gebot es Yama seinen Dienern, und sie stimmten seinen Worten stillschweigend und mit leichtem Lächeln auf ihren Lippen zu.

Brahma fuhr fort:
Als der Brahmanenjüngling von den Boten Yamas befreit war, klärte sich sein Geist, und er wurde von den Ganas ins Reich Shivas geführt. Dort diente er Shiva und Parvati und erfreute sich an allen Arten himmlischen Vergnügens. Dann wurde er als Sohn des Arindama wiedergeboren und König von Kalinga. Unter dem Namen Dama bekannt neigte er sich dem Dienst Shivas. Schon als Junge führte er viele Taten der Verehrung des großen Gottes in Begleitung anderer Kinder durch. Nachdem sein Vater gestorben war, wurde er bereits als Jüngling zum König ernannt. Und er verbreitete liebevoll die Ideale und Lehren Shivas in seinem Königreich. König Dama war unbesiegbar. Und dabei ehrte er Shiva ausschließlich damit, daß er die Tempel des Gottes mit reichlich Lampen und Lichtern ausstattete. Dafür rief er die Dorfältesten seines Landes zu sich und beauftragte sie wie folgt:
Ihr Anführer sollt gründlich dafür sorgen, daß Shivas Tempel in eurem Einzugsbereich immer angemessen erleuchtet werden. Keine Diskussionen darüber. Wer das versäumt, wird enthauptet.

Und die Angst vor dem König sorgte dafür, daß Shivas Tempel immer strahlten. Mit dieser einen, frommen Tat gewann sich König Dama reichlich Verdienst. Als er starb, blieb dieser Eindruck der Lampen in seinem Geist. Immerfort zündete er Lichter an, bis er der Herr über die Stadt Alaka wurde, Kuvera, der Herr der Yakshas, mit juwelenbesetzten Lampen für sein eigenes Wohl.

Ja, weiser Narada, selbst der kleinste Dienst an Shiva trägt reiche Früchte. Mögen alle glückssuchenden Menschen dies verstehen und ihre Verehrung für Shiva fortführen.

Als Sohn des Opferpriesters Yajnadatta lag Gunanidhi jegliche fromme Tat fern. Um zu stehlen, betrat er den Tempel Shivas. Und nur für seinen eigenen Zweck erhellte er die Lampe im Tempel, wobei der den Schatten auf der Spitze des Lingas beseitigte. Und doch wurde er der tugendhafte König von Kalinga. Wo ist der schuftige Sohn des Brahmanen und wo der göttliche Wächter einer Himmelsrichtung? Obwohl er nur ein einfacher Mann war, wurde er doch zu Kuvera.

So habe ich dir die Geschichte von Gunanidhi erzählt, welche Shiva höchst erfreut. Und außerdem gewährt sie dem hingebungsvoll Lauschenden alle Wünsche. Nun mein Lieber, werde ich dir noch erzählen, wie er als Kuvera der enge Freund Shivas wurde. Hör mir aufmerksam zu.


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