Pushpak Shiva-Purana Buch 3Zurück WeiterNews

Kapitel 2 - Indra schickt Kamadeva, um Naradas Askese zu stören

Suta sprach:
Nun, ihr Brahmanen, vor langer Zeit begab es sich, daß Narada, dieser vorzügliche Weise und Sohn des Brahma, sich zur Durchführung von Buße entschloß, um große Zügelung zu erlangen. Es gab da eine schöne Höhle im Himalaya, in deren Nähe der himmlische Strom heiter dahinfloß. Auch eine große Einsiedelei von himmlischer Schönheit erstrahlte dort. So begab sich Narada mit der himmlischen Sicht an diesen malerischen Ort, um seine Buße zu beginnen. Für lange Zeit saß er gelassen und standhaft, bewahrte Schweigen, kontrollierte den Atem und hielt seinen Geist rein. Der Weise übte sich in Meditation über „Ich bin Brahman.“, welche zur direkten Erkenntnis von Brahman führte. Doch während Naradas Askese immer weiter andauerte, wurde Indras Geist unruhig und er zitterte. Ihn beschlich der Gedanke: „Diesen Weisen verlangt es nach meinem Königreich.“, und er versuchte, Naradas Askese zu stören. Indra, der Anführer der Götter, dachte an Kama, den Gott der Liebe, welcher sofort mit seiner Gemahlin Rati und seinem Freund, dem Frühling, vor Indra erschien.

Mit trickreichem Sinn und vollster Absicht sprach Indra also zum Liebesgott:
Lieber Freund von großer Macht, du hast mir immer zu meinem Nutzen gedient, so höre auch diesmal mit liebevoller Zuneigung, was ich dir sagen werde, und hilf mir bitte. Mit deiner Unterstützung habe ich den Hochmut so mancher Asketen vernichtet, oh Freund, und die Stabilität meines Königreichs verdanke ich auch deiner Hilfe. Eben übt wieder Narada Buße, dieser himmlische Weise. In den Bergen des Himalayas richtet er seinen Geist mit großer, geistiger Kontrolle und festem Entschluß auf den Herrn des Universums. Und ich fürchte nun, daß er sich von Brahma mein Königreich als Segen wünscht. Du mußt zu ihm gehen und seine Askese hindern.

Nach diesen Worten begaben sich Kama, seine Gattin und Madhu eifrig an den Ort des Geschehens und bereiteten ihren Angriff vor. Kama zeigte alle seine verführerischen Künste, und der süße, lieblich duftende Frühling unterstützte ihn nach allen Kräften. Doch Naradas Geist wankte nicht im mindesten. Nur der Stolz der Angreifer erlitt eine Schlappe, und das alles durch die Gunst Maheshas. Ja hört auch den Grund hierfür, Saunaka und ihr anderen Brahmanen. Durch die beherrschende Kraft Mahadevas konnte der Liebesgott nicht den geringsten Einfluß ausüben.

Es war am selben Ort, als damals Shiva, dieser immer Achtsame und der Begierde Abgeneigte, seine große Buße durchführte und Kama, welcher immerzu die Askese der Weisen stören wollte, zu Asche verbrannte. Doch seine Gemahlin Rati wollte Kama wieder zum Leben erwecken und suchte die Hilfe der Götter. Diese baten Lord Shiva, den Wohlwollenden, welcher folgende Worte sprach:
Nun, ihr Götter, in einiger Zeit wird Kama wieder lebendig sein, doch seine Verführungstricks werden hier nicht mehr wirken. In allem Raum, den Menschen von hieraus erblicken können, wird Kama für immer keinen Einfluß mehr haben, ihr Götter.

Wegen dieser Worte Shivas konnten Kamas Künste später den Narada nicht beeindrucken. Kama kehrte also zu Indra zurück und rühmte Naradas Macht. Indra entließ ihn daraufhin, und Kama kehrte in seine Wohnstatt zurück. Doch Indra verstand nicht die wahren Hintergründe. Shivas Macht der Illusion hatte ihn verwirrt, und er bewunderte Narada. Ja, Shivas Macht der Illusion kann niemand verstehen. Das ganze Universum läßt sich irreführen, und nur wahre Erkenntnis und hingebungsvolle Seelen können die Täuschung durchschauen.

Auch Narada war sich Mahadevas unterstützenden Segens nicht gewahr. Lange Zeit blieb er in der Einsiedelei, meinte schließlich, seine Buße sei vollkommen und beendete die Askese. Tatsächlich war er stolz darauf, Kama besiegt zu haben, und Hochmut schwellte seine Brust. Ohne wahres Wissen sind die, welche sich von Mahadevas Illusionen verführen lassen. Und, ihr Weisen, gesegnet und nochmals gesegnet sind die Illusionen Mahadevas. Selbst Vishnu, Brahma und andere hohe Wesen erkennen gelegentlich nicht die Haken, welche sie schlagen können.

Narada also ging zum Kailash, verwirrt und hochmütig wie er war, und wollte sich über seine Errungenschaften ausbreiten. Er verbeugte sich vor Shiva, und sprach mit der Überzeugung, daß er dem edelgesinnten Shiva, dem Herrscher über Kama und allem anderen, wohl ebenbürtig sei. Shiva hörte Narada zu und war wie immer seinen Anhängern wohlgeneigt. Dann riet er dem Stolzen, dessen Geist herumstreunte, folgendes.

Shiva sprach:
Lieber Narada, du Weiser bist wahrlich gesegnet. Doch hör mir zu. Sprich nirgends und niemals wie eben, und ganz besonders nicht in Gegenwart Vishnus. Selbst wenn du gefragt wirst, solltest du deine Errungenschaften nicht erwähnen. Sie gehören gehütet wie ein Geheimnis und nicht ausgebreitet. Darum bitte ich dich besonders, denn du bist einer meiner Lieblinge. Du bist als Anhänger Vishnus einer meiner Gefolgsleute, wie alle anderen auch.

So sprach Mahadeva, diese Ursache der Schöpfung, zu Narada, doch dessen Geist irrlichterte in Mahadevas Illusion, und er konnte den Rat nicht annehmen. Achtsame Menschen sollten den Lauf zukünftiger Geschehnisse als schicksalhaft erkennen, denn Mahadevas Wille kann sich niemand entziehen.

So ging Narada als nächstes zu Brahmas Welt. Er grüßte seinen Vater Brahma und erzählte ihm alles von seinem Sieg über Kama als Ergebnis seiner Askese. Brahma hörte aufmerksam zu, gedachte der Lotusfüße Mahadevas und erkannte die wahre Ursache. Dann gebot er den Reden seines Sohnes Einhalt, doch Narada konnte auch die Worte seines Vaters nicht in sich aufnehmen. Obwohl er ein Weiser war, hatte sich der Keim des Hochmutes in ihm festgesetzt. Alles, was in der Welt geschieht, geschieht nach Mahadevas Willen. Das ganze Universum beugt sich seiner Macht.

So eilte Narada im selben Zustand verwirrter Arroganz zu Vishnus Heimstatt, um auch vor ihm mit seinen Errungenschaften zu prahlen. Als Vishnu ihn sich nähern sah, erkannte er die Absicht seines Gastes. Er stand auf und empfing ihn herzlich, indem er Narada entgegenging und ihn umarmte. Dann ließ er seinen Gast bequem Platz nehmen und gedachte der Lotusfüße Mahadevas. Und aufrichtig sprach er zu Narada, um dessen Hochmut aufzulösen.

Vishnu sagte:
Lieber Narada, du bester Weiser, sei gesegnet. Dein Besuch heiligt mich. Darf ich erfahren, woher du kommst und warum du mich besuchst?

Hoch erfreut erzählte ihm Narada die Geschichte über seinen scheinbaren Sieg, und Vishnu gedachte erneut der Lotusfüße Mahadevas. Dabei erkannte auch er die wahren Zusammenhänge. Mit ergebener Seele beugte Vishnu sein Haupt, legte die Hände bittend zusammen und pries Mahadeva, den Herrn des heiligen Berges.

Vishnu sprach:
Oh Herr, oh Mahadeva, sei milde. Shiva, Parameshvara, sei gesegnet. Deine Illusion kann jeden täuschen.

Nach diesem Gebet an die Höchste Seele schloß Vishnu die Augen, meditierte über Mahadeva und erkannte seinen Willen. Auf Bitten Shivas sprach er dann zu Narada:
Oh bester Weiser, du bist gesegnet. Du bist ein Juwel an Enthaltsamkeit und Großherzigkeit. Oh Weiser, Wollust und Verwirrung erheben sich nur im Herzen des Mannes, der ohne Hingabe ist. Niedere Leidenschaften wachsen schnell in ihm und bringen alle Arten von Leiden mit sich. Doch du hast beständige Entsagung gelobt. Du bist mit Wissen gesegnet und der Nichtanhaftung ergeben. Begierden wirken nicht auf dich ein, und von Natur bist du höchst klug. Kann es sein, daß dich die Lust hinwegfegt?

Bei diesen Worten lachte Narada innerlich, doch zu Vishnu sprach er bescheiden:
Oh Herr, wie könnte mir Kama etwas antun, solange du mir gnädig bist?

Sprachs, verbeugte sich und ging seiner Wege.


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