Pushpak Ramayana Buch 2Zurück WeiterNews

Canto 96 - Der magische Pfeil

(vermutlich eine spätere Einfügung)

Rama zeigte also dem Kind des Janak die verschiedenen Schönheiten der Wildnis, den Berg, den Fluß und jeden bezaubernden Ort. Dann kehrten sie heim, ihre Laubhütte aufzusuchen. An der Nordseite des Berges fand Rama eine Höhle im steilen Hang. Zauberhaft anzusehen, mit viel Erz und Massen von Steinen am Boden verstreut, lag sie in einem geheimen Schatten, ruhig und abgelegen. Die lustigen Vögel sangen voller Freude und Bäume schwenkten ihre grazilen, mit Blüten schwer beladenen Zweige. Als er die Höhle erblickte, die jedes schlagende Herz gewann und die Blicke auf sich zog, sprach Rama zu Sita, die auch verwundert den bezaubernden Ort anstarrte: "Verzaubert dich der Anblick dieser Höhle unterhalb des Berges, Videha Dame? Laß uns hier eine Weile ausruhen und die Mattigkeit vom Wandern vergessen. Dieser Stein, so glatt und eben, ist wie für dich geschaffen zum Ausruhen. Und wie ein prächtiger Kesarbaum beschattet dich dieser blühende Strauch." Rama sprach's und Janaks Kind, von Natur aus immer sanft und mild, antwortete dem Helden mit zärtlichen und liebevollen Worten: "Oh Stolz der Kinder Raghus, es ist mir immer eine Freude, deinen Willen zu tun. Für mich ist es genug, deinen Wunsch zu wissen, denn weit bist du gewandert." So sprach Sita mit sanfter Stimme und ging gehorsam zu dem Stein. Mit ihrem perfektem Antlitz und den makellosen Gliedern machte sie sich bereit, mit ihm eine Weile zu ruhen. Und Rama, als seine Gemahlin ihm solcherart antwortete, wandte sich ihr zu und sprach erneut zu ihr: "Du siehst, Liebes, dieser blühende Ort entzückt die Waldbewohner, denn der Kautschuk fließt von Bäumen und Pflanzen, die von Elefantenrüsseln zerrissen wurden. Der ganze Wald klingt wider vom klaren, hohen und schrillen Schrei der Zikaden. Horch, wie die Weihe über uns klagt und im bedauernswerten Ton ihre Jungen ruft. So mag sich meine unglückliche Mutter fühlen und zu Hause um mich weinen. Dort oben auf dem hochgewachsenen Salbaum wiederholt der laute Bhringraj seinen Ruf. Wie süß stimmt er seine Kehle, um den Ruf des Koils nachzuahmen. Oder vielleicht war der Vogel, der gerade sang, ein junger Koil. Die Noten, die er unregelmäßig singt, sind voll gewinnender Süße. Sieh, um die blühende Mango winden sich die Kletterpflanzen in zarten Ringen. So umschlingen mich liebevoll deine Arme, meine Liebe, wenn niemand in der Nähe ist." So rief er voller Freude, und sie, die süß Sprechende mit den makellosen Gliedern und dem perfekten Gesicht, saß auf den Knien ihres Liebsten und kuschelte sich fester in die Arme ihres Herrn. Zurückgelehnt in den Armen ihres Ehemannes war sie wie eine Göttin im Reichtum ihrer Zauber, und sie erfüllte seine liebende Brust erneut mit großer, hinreißender Freude. Er legte seine Finger auf den Felsen, durch den sich rote, erzene Adern zogen, und malte das heilige Zeichen mit Mineralfarbe über seines Lieblings Augen. Glänzend lag auf ihrer Stirn das Metall, wie die glühenden Strahlen der jungen Sonne, und zeigte sie in ihrer Schönheit, wie das sanfte Licht des Morgens. Dann pflückte er in seiner Freude liebliche Blüten vom schwerbeladenen Kesarbaum und bedeckte jede hübsche Locke, bis sein Herz vor Glück überfloß.

So verbrachten sie eine Weile ruhend auf dem steinigen Sitz und vertrieben sich die Zeit auf süße Weise, dann ging Rama mit seiner Maithili Gemahlin weiter unter den schattigen Ästen. Sita erblickte nach einer Weile des Wanderns im Wald einen Affen nahebei und hing sich furchtsam an Ramas Arm. Zärtlich umfaßte der Held mit seinen starken Armen ihre Taille, beruhigte die Schöne in ihrer Angst und vertrieb den Affen. Das heilige Zeichen von rotem Erz, das zuvor an Sitas Stirn geschimmert hatte, fand sich nun nach der engen Umarmung an des Helden breiter Brust wieder. Und nachdem das Tier, welches den Affentrupp angeführt hatte, weit weg war, da lachte Sita fröhlich und laut, als sie das Zeichen auf Ramas Brust erblickte.

Eine Gruppe von blühenden Asokas erglühte im Walde. Die schwankenden Blüten ähnelten in ihrem Glanz einer Armee von Affen. Und Sita sprach, sehnsuchtsvoll auf die Blumen schauend, zu Rama: "Stolz deiner Rasse, laß uns dahin gehen, wo die Asokablumen wachsen." Er folgte dem Wunsch seines Lieblings und ging vergnügt mit seiner schönen Göttin durch den Wald zu den blühenden Bäumen, ganz wie Shiva mit Königin Uma durch die majestätischen Himalaya Wälder streift. Strahlend, mit purpurnem Schimmer wandelte das glückliche Liebespaar, und jeder setzte dem anderen eine geflochtene Blütenkrone aufs Haupt. Sie woben viele Kränze und Ketten aus den Blüten des Asokawäldchens und warfen mit ihrem zierlichen Tun frischen Glanz auf die Schönheit des Berges. Der Liebende zeigte seiner Liebe alle schönen Plätze und kehrte dann zu ihrer grünen Heimstatt zurück, wo alles schmuck, sauber und nett war. Von Bruderliebe bewegt nahte sich sogleich Sumitras Sohn und zeigte die Arbeit des Tages vor, die er getan, während sein Bruder unterwegs war. Da lagen zehn mit Pfeilen und ohne Gift erjagte schwarze Hirsche, zum Trocknen auf einem großen Haufen und noch viel anderes Erlegtes. Und Rama sah erfreut, wie fleißig die Hände seines Bruders gewesen und sprach zu seiner Gefährtin: "Laß uns nun die nötigen Gaben austeilen." Die schöne Sita stellte vor die Brüder Nahrung zum Leben, Fleisch und Honig, damit das Paar sie esse. Die beiden verzehrten das Mahl, welches ihre Hände bereitet hatte, und reinigten ihre Lippen mit Wasser. Zum Schluß setzte sich auch Janaks Kind nieder und nahm ihre Mahlzeit ein.

Das übrige Wildbret wurde zum Trocknen beiseite gelegt, und Rama gebot seiner Frau, in dessen Nähe zu bleiben, um die sich zusammenrottenden Krähen zu vertreiben. Ihr Ehemann sah bald, wie eine besonders mutige Krähe Sita sehr plagte. Mit ihren nimmermüden Schwingen schien sie bald den Boden zu berühren, bald die Luft zu durcheilen. Rama mußte beim Anblick der von diesem lästigen Vogel zu Zorn erregten Sita lachen. Die schöne Dame war vor brennendem Zorn ganz außer sich. Hier und dort, wieder und wieder jagte sie die Krähe fort, doch ganz vergeblich, und sie wurde immer wütender. Schnell im Angriff mit Schnabel, Flügel und auch Kralle war der Vogel. Oh wie da Sitas stolze Lippe zitterte, und ein dunkles Runzeln über ihre ärgerliche Stirne zog! Als Rama ihre Stirn vor Leidenschaft glühen sah, da tadelte er die Krähe. Doch in stolzer Unverschämtheit und ohne Respekt vor Ramas Worten, ging der Vogel erneut furchtlos auf Sita los.

Da erwachte Ramas Zorn. Der Held mit dem starken Arm sprach einen mystischen Zauber über einem Pfeil, legte die furchtbare Waffe auf seinen Bogen und schoß ihn auf die schamlose Krähe. Der Vogel, von den Göttern ermächtigt, auf mächtigen Flügeln selbst durch die Erde zu jagen, floh in Panik und vom schrecklichen Pfeil verfolgt durch die drei Welten. Wo immer er hinflog, ob hier oder dort, erfüllte eine Wolke von Waffen die Luft. Bis er zum hochbeseelten Prinzen zurückflog und sich vor Ramas Füßen verneigte. In Gegenwart von Sita, begann er zu sprechen wie ein Mensch: "Oh vergib, und um des Mitgefühls willen, verschone mein Leben, Rama, verschone mich. Wo immer ich mich hinwende, wohin ich auch fliehe, vor diesem Pfeil gibt es keine Rettung."

Der Prinz erhörte das Flehen der hilflosen, am Boden hingestreckten Krähe zu seinen Füßen und während sanftes Mitleid seine Brust bewegte, sprach er mit weisesten Worten zu dem Vogel: "Ich nahm Anteil an der geplagten Sita und rasender Zorn erfüllte mein Herz. Da legte ich einen Pfeil auf meinen Bogen und versah ihn mit einem Zauber, dein Leben zu nehmen. Nun suchst du meine Füße, und flehst um Vergebung und die Rettung deines Lebens. So soll deine Bitte den rechten Respekt bekommen, denn Bittsteller muß ich immer beschützen. Aber der Pfeil darf niemals vergebens fliegen, bestimme anstelle deines Lebens einen Teil von dir. Sag, welcher Teil deines Körpers soll durch meinen Pfeil vernichtet werden? So weit, oh Vogel, und nur so weit mag sich dir mein Mitgefühl zeigen. Verwirke einen Teil von dir und kaufe dir dein Leben. Es ist besser so zu leben, als zu sterben." So sprach Rama. Der Vogel der Lüfte sann über diese Rede sorgfältig nach und erachtete es dann als weise, eines seiner Augen zu geben, um zu überleben. Zum Sohn des Raghu sprach er: "Oh Rama, ich werde ein Auge geben. Laß mich dich deiner Gunst anvertrauen und nachher einäugig weiterleben." Da rief Rama den Pfeil herbei und oh! dieser zerschmetterte geradewegs das Auge der Krähe. Die Videha Dame starrte verwundert auf das gebrochene Augenlicht. Doch die Krähe verbeugte sich demütig vor Rama und flog ihrer Wege. Und auch Rama und Lakshmana gingen wieder ihrer gewohnten Arbeit nach.



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